Man spricht von rosaroten Kellerkindern, auch von schäumendem Pink und meint damit, ein bisschen verniedlichend, die Familie der Rosé-Champagner. Manche Weinfreunde betrachten jeglichen Rosé, ob still oder moussierend, nur mit arrogant hochgezogener Augenbraue. Das ist zu puristisch gedacht. Auch wenn viele Kenner, vor die Wahl gestellt, den Abend nur mit hellem oder nur mit rosarotem Champagner zu begießen, ohne langes Zögern der blassen Variante den Vorzug geben, so gibt es doch Stimmungen, zu denen ein Rosé am besten passt. Und Rosé-Champagner sind vorzügliche Partner zu Wildpasteten, Fleischgerichten, fruchtigen Desserts sowie Ziegenkäse in allen Variationen.
Obendrein sieht er festlich aus. Dennoch ist der Rosé das jüngste Kind der Champagne, erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann diese rosarote Erfolgsgeschichte. Bis dahin hieß es kategorisch, Champagner habe weiß zu sein, jedenfalls nicht rot.
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Namhafte Kellereien wie Pol Roger haben erst sehr spät einen Champagner in Rosé aufgelegt – Krug, immerhin bereits 1843 und übrigens von einem Deutschen gegründet, startete gar erst 1983 mit einem Rosé ohne Jahrgang, dann aber gleich auf hohem Niveau und entsprechend teuer: um die 300 Euro kostet eine Flasche. Auch andere Prestige-Rosés, etwa ein Cristal von Roederer oder der Dom Perignon sind mit über 300 Euro pro Bouteille deutlich teurer als ihre weißen Pendants. Generell muß für einen Rosé mehr als für eine weiße Cuvée berappt werden. Auch wenn sich Rosé-Champagner inzwischen längst etabliert hat, so ist die Nachfrage höher als das Angebot.
Gewiß gibt es unterhalb dieser Preis-Elite feine Rosés; so mancher leckere Winzer-Champagner ist schon um die 40 bis 50 Euro zu haben, erhältlich in der Regel bei speziellen Weinhändlern oder übers Internet. Vorzügliche Rosés mit und ohne Jahrgang zwischen 40 und 70 Euro bieten: Deutz, Gosset (Grand Rosé), Taittinger (sehr fein, komplex angelegt und freilich entsprechend höher im Preis mit ca. 125 Euro ist der Comtes de Champagne), Fleur de Champagne von Duval-Leroy, Billecart-Salmon, Alfred Gratien (mit der Cuvée Paradis). Hochwertig ist auch der schlicht „Cuvée Rosé Brut“ genannte Schäumer von Laurent-Perrier, ein Champagner von klarer Distinktion. Eine Klasse für sich aus dem gleichen Haus ist die etwas pompös „Cuvée Grand Siècle Alexandra Rosé“ genannte Komposition, eine Hommage an die Töchter des Firmenchefs: zarte Aromatik, wunderbarer Duft nach gequetschten Walderdbeeren – ein Rosé wie eine Ahnung von Morgendämmerung.
Über Finesse verfügen: Rosé-Jahrgang von Roederer (stets mehr Eleganz als schiere Kraft), der Grand Cru Brut von Mailly (eine sehr kleine und hochfeine Genossenschaft mit individuellen Cuvées; beim Rosé werden ca. 90 Prozent „weiß“ gekelteter Rotwein mit 10 Prozent Chardonnay gemischt, die Cuvée besticht durch komplexe Aromen von klarer Stilistik in einem festen Körper), Cuvée William Rosé von Deutz (aufgelegt zu Ehren von William Deutz, dem in Aachen geborenen Firmengründer, komponiert aus zwei Drittel Pinot noir sowie einem Drittel Chardonnay, ein kraftvoller Typ mit dichtem Fruchtkörper), Pascal Doquet, ein Premier Cru (fein ziseliert, mit rassiger Herbe), J.M. Gobillard & Fils (füllig, beerig, delikat mit sanfter Süße), Jaquesson Grand Vin Signature mit Jahrgang (ernsthaft, dichtfruchtig, nachhaltig am Gaumen).
Zur Herstellung eines Rosés stehen den Kellermeistern zwei Methoden zur Verfügung. Beim traditionellen, doch komplizierteren und seltener angewandten Verfahren namens „Saignée“ (heißt wörtlich übersetzt so viel wie Aderlaß, hergeleitet von saigner für bluten) läßt man die zermatschten Beeren mitsamt den Häuten, in denen allein der Farbstoff steckt, für eine bestimmte Zeit, eher Stunden als Tage, in der Maische, bevor der Saft abgezogen wird. Der hellrosafarbene Most wird dann von den Häuten, Kernen und dem ausgepressten Fruchtfleisch separiert und wie jeder andere Wein vergoren. Je geringer die Ziehzeit ist, desto blasser wird die Farbe und desto zarter die Aromatik – das ist wie beim Tee. Es gehört viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl dazu, präzise das ideale Zeitmaß zu treffen: wird die Maische zu lange ausgelaugt, bekommt der Most nämlich zu viel Farbe und harte Gerbstoffe, auch Tannine genannt. Beläßt man den Beerensaft indes zu kurz auf der Maische, gerät der Rosé farblich zu blaß und geschmacklich zu ausdruckslos.
Einfacher ist deshalb die Methode, die Rotweintrauben wie zur Herstellung eines hellen Champagners so schonend und schnell abzupressen, dass der Saft transparent und farblos abfließt. Aus diesem „weißen“ Champagner wird dann durch die Zugabe einer vom Kellermeister bestimmten Dosis Rotwein ein Rosé. Die meisten Kellereien bedienen sich dieses Verfahrens, das für sie den Vorteil hat, dass man den Farbton des Rosés nach Wunsch treffen kann, wie ausgesucht anhand einer Rosé-Skala. Außerdem wird das Risiko von unerwünschten Gerbstoffen vermieden. Nach der klassischen Art bereiteter Rosé – wie beispielsweise jener von Laurent-Perrier – wird von Kennern freilich höher eingeschätzt, weil er in der Regel über eine besonders subtile Aromatik verfügt. Die mit Rotwein dosierten Cuvées haben oft eine markante beerige Note, die mitunter zu süßlich schmeckt und wie parfümiert wirkt.
Generell verfügen Rosés über mehr Körper als die hellen Champagner. Dies gilt vor allem für jene Cuvées, die nur aus den rotbeerigen Rebsorten Pinot Noir und Pinot Meunier gemacht worden sind. Jede Kellerei hat ihren Stil und ihre Methode. Die eine vinifiziert den Rosé zu hundert Prozent aus roten Pinot-Trauben; eine andere mischt rote Pinots mit weißem Chardonnay, macht daraus einen hellen Champagner, dem durch den Zusatz von stillem Rotwein das Rosa in der erwünschten Konzentration vermittelt wird. Laurent-Perrier mengt seinem Grand Siècle Alexandra beispielsweise eine kleine Menge von etwa 15 Prozent Chardonnay bei – dadurch will man die Finesse erhöhen. Erlaubt ist und praktiziert wird auch eine Kombination aus beiden Verfahren.
Ein spezielles Kapitel ist die Farbe. Die Rosa-Tönung kann jeder Kellermeister durch die Art der Vinifikation (der Farbstoff befindet sich nur in den Beerenhäuten) oder/und die Dosis Rotwein bestimmen. Als Idealfarbe gilt Kennern ein helles, leicht ins Gräuliche spielende Rosa – „Oeil de perdix“ sagen die Franzosen dazu, Rebhuhnauge. Weitere positiv belegte Farbbilder sind Lachsrosa und Zwiebelschale. Dunkelfarbige Rosés sind oft „rotweiniger“ im Geschmack, manchmal auch nur süßer.