Sie ist der Mittelpunkt eines jeden Arbeitsalltags: die Kaffeemaschine. Denn in einem Bürokomplex herrscht wahrscheinlich nirgendwo so viel Geschäftigkeit wie in der Kaffeeküche. Hierher flüchten sich Kollegen auf ein offenes Wort, zum Tratschen, zum Streiten und manchmal sogar zum geheimen Liebesspiel. In den meisten Fällen jedoch scheint der Kaffeegenuss einfach nur die schnelle Wiederbelebung während eines anstrengenden Tages zu versprechen. Ein trügerisches Versprechen. Denn was hier durch billige Wasserkocher und fusselige Filtertüten in trübe Kannen fließt, ist alles andere als ein Labsal. Es ist eine bittere, gebrochene Brühe. Der schnelle Kick, kein wirklicher Genuss.
Kaffee: So facettenreich wie Wein
Barista Wolfram Sorg hält kaum ein populäres Genussmittel für so falsch verstanden wie den Kaffee und seine Zubereitungsmethoden. „Kaffeebrühen ist ein komplexer chemischer Prozess“, weiß der Profi. Denn wie paradox sei es eigentlich, dass dem Wein und seinem Herstellungsprozess seit vielen Jahren eine exorbitante Beachtung geschenkt wird – während der Kaffee dagegen geradezu stiefmütterlich behandelt wird? In Wahrheit sind sie doch leibliche Geschwister, der Kaffee und der Wein! Man braucht ja bloß die Anbaumethoden zu betrachten: Lage des Anbaugebiets, Terroir und Wetter sind für Kaffee genauso wichtig wie für Wein. Und genauso spielt auch die (Reb-)Sorte eine Rolle. Die beiden wichtigsten Arten der Kaffeepflanze sind Robusta – günstig und, na ja, eben robust – und Arabica – die etwas teurere, aber hochwertigere Variante. Beide Arten, besonders Arabica, spalten sich dann noch in viele einzelne Kultursorten auf. „Was kaum jemand weiß“, glaubt Sorg, „Kaffee kann genau wie Wein sogar Erd- oder Blaubeernoten haben.“
Das heißt: Kaffee hat durchaus mehr Aroma als bloß nach sich selbst, nach Kaffee eben, zu schmecken. Aber auch das ist von der Lage des Anbaugebiets und dem Reifegrad der Bohne abhängig. Hervorragende Anbaugebiete finden sich zum Beispiel in Äthiopien, hier entwickelt der Kaffee zitronige Aromen. Aus Brasilien kommen hochwertige, schokoladige Noten, und auch aus Kenia und Ruanda darf man tolle Qualitäten erwarten. Aber auch diese Feinheiten ändern sich – wie bei Wein – von Jahr zu Jahr. Übrigens: Bohnen aus Indien oder Vietnam sollten Sie, laut Sorg, besser gleich in der Tüte lassen. Um das Ganze zusammenzufassen: „Zwischen Tchibo- und Gourmetkaffee liegen eben Welten“, stellt der Barista ganz pragmatisch fest.
Je konstanter, je technischer, je teurer
Aber zurück zu der vor sich hin gluckernden Bürokaffeemaschine. „Der durchschnittliche Vollautomat hat viele Mängel“, glaubt Sorg. „Aber sein größtes Problem ist, dass er die Wassertemperatur während des Brühprozesses nicht konstant halten kann“. Durch diese Schwankungen wird der Kaffee unweigerlich sauer oder bitter, er „kippt“. Sorg hat eine einfache Regel entwickelt, um dieses Problem zu beschreiben: „Je konstanter die Temperatur gehalten werden soll, desto mehr Technik ist nötig, und desto teurer wird die Maschine.“
Und deshalb findet man tatsächlich empfehlenswerte Maschinen eher in der Gastronomie. Sorgs Tipp im Bereich Espresso: Die GS/3 des italienischen Herstellers La Marzocco. Sie lässt sich erfolgreich mit den besten am Markt verfügbaren großvolumigen Maschinen vergleichen. Mit ihrer kleinen Standfläche, entweder mit Wassertank oder Festwasseranschluss, eignet sich dieses Modell sogar für den Hausgebrauch und verfügt darüber hinaus über ausreichend Dampfkraft und Leistungsreserven für viele gewerbliche Anforderungen – Restaurants, Caterings und Büros. Aber wie gesagt: Qualität hat ihren Preis. Wer keinen Kleinwagen-Wert für eine Espressomaschine bezahlen möchte, dem empfiehlt der Barista die deutlich günstigeren „Zweikreissysteme“ von ECM oder die Rocket Espresso des gleichnamigen Herstellers Rocket.
Manuell versus Maschine
Aber warum muss es überhaupt immer ein Automat sein? Sorg empfiehlt manuelle Methoden, die gleichzeitig auch noch die Qualität des fertigen Kaffees verbessern. Sie erinnern sich zum Beispiel an die klassische Bodum-Kanne? Einfach den frisch gemahlenen Kaffee zur richtigen Menge abwiegen, ins Glas geben, heißes, aber nicht kochendes Wasser darübergießen und ziehen lassen. Der Expertentipp: Vor dem Herunterdrücken des Stempels den an der Oberfläche schwimmenden Kaffee wieder abschöpfen. Dadurch wird verhindert, dass aus dem heruntergedrückten Kaffeepulver die Bitterstoffe ausgepresst werden und in die Flüssigkeit diffundieren.
Ein relativ neues und in der Handhabung ebenfalls simples Kaffeezubereitungstool ist ein Gerät mit dem Namen „AeroPress“. Sieht nicht toll aus, liefert aber klasse Ergebnisse. Einfach Kaffeepulver mahlen – ungefähr so grob wie für einen Filteraufguss – dann Wasser aufkochen, kurz abkühlen lassen und währenddessen Filterpapier einlegen und anfeuchten. Etwas Wasser aufgießen, 10 Sekunden umrühren, dann bis Marke 4 auffüllen und etwa 30 bis 40 Sekunden ziehen lassen. Herunterpressen, fertig.
Und noch eine dritte Variante schlägt uns der Barista-Meister vor: Den Porzellanfilter der japanischen Firma Hario. Er ist eine Weiterentwicklung des klassischen Melitta-Handfilters und findet bei Kaffeekennern weltweit immer mehr Beachtung. So hat der Hario-Filter V60 geschwungene, konisch zulaufende Einbuchtungen an der Innenwand, eine größere Bodenöffnung und einen höheren Steigungswinkel des Trichters. All dies optimiert die Durchlaufgeschwindigkeit des Wasser und damit die Kontaktzeit zwischen Wasser und Kaffeepulver. So sollen keine Bitterstoffe in die Tasse gelangen und der Filterkaffee entfaltet sein volles Aroma.
Mahlende Mühlen
„Bereits nach zwei bis drei Minuten verliert frisch gemahlener Kaffee sein Aroma“, verrät Sorg. Es hilft also die beste Brühtechnik nichts, wenn das Produkt, mit dem gearbeitet wird, nicht frisch ist. Wer also tatsächlich Wert auf die Qualität seines Kaffees legt, der besitzt auch eine gute Mühle. Sorg empfiehlt zum Beispiel die professionellen Mühlen von Mahlkönig oder dem italienischen Hersteller Mazza.
Die Qualität der Bohnen, die Konstanz der Temperatur während des Brühvorgangs, die Technik des Brühens und die Frische des Pulvers – dies also sind die Variablen für einen guten Kaffee. Und selbst wenn fieser Filter-, ja, fast schon Folterkaffee, viel besser zu den tristen Kaffeeküchen langsam bröckelnder Bürokomplexe passt – zu Hause braucht es nicht viel, um wieder Kaffeegourmet zu sein sein.