Dazu als Weinbegleitung: Riesling. Eine Auslese vom Rhein oder der Mosel ist eine gute Wahl, und wer’s noch edelsüßer mag, der wird mit einem älteren Tokajer, reifem Sauternes oder einem Ruster Ausbruch schon auf Erden eine Ahnung von Glückseligkeit erleben.
Die erste dokumentierte Mahlzeit der Menschheitsgeschichte bestand laut christlichem Testament aus einem Apfel. Bibelforscher meinen zwar, daß vermutlich der Granatapfel die Frucht jenes paradiesischen Baumes der Erkenntnis war, aber im Volksglauben wird der europäische Kulturapfel, botanisch ein Rosengewächs, als Ursache für die Vertreibung aus dem Paradies angesehen. Wie es dort aussah, weiß man nicht, aber es könnte langweilig gewesen sein, denn es gab weder Weine noch eine raffinierte Küche oder Sünden – und ausgerechnet der Apfel war verboten. Der Apfel ist nämlich weit mehr als ein pausbäckiges Landkind: Er schmeckt pur sowie in vergeistigter Form als Calvados. Und er bereichert die bürgerliche Küche ebenso köstlich wie die feine. Ein Tafelspitz ohne Apfelmeerrettich wäre eine fade Angelegenheit. Zu einer kross gebratenen Blutwurst passt nichts besser als diskret karamellisierte Apfelscheiben. Das Süßsaure des Apfels und die herzhafte Rustikalität der Wurst ergänzen sich auf dem Teller so schön wie Jean Harlow und Clark Gable im Film. Den gleichen Effekt vermittelt karamellisierter Apfel einer sanft gebratenen Gänseleber: Dank der feinen Fruchtsäure bekommt die von Haus aus opulente Leber eine gewisse Leichtigkeit. Der Apfel macht aus Prosa ein Stück Poesie. Ein besonderer Gaumenschmaus ist die warme Apfeltorte („Tarte fine aux pommes“). Der große Escoffier führt in seinem Kochkunstführer immerhin 17 warme Süßspeisen mit Äpfeln auf. In England wird der „Apple Crumble“ hoch geschätzt, ein warmer Apfelauflauf mit Butterstreuseln. Dafür werden die geschälten und geviertelten Äpfel in Scheiben geschnitten und in eine leicht ausgefettete Auflaufform geschichtet. Ein wenig Zimt und Zucker verleihen den Äpfeln eine besonders gewürzige Note. Aus zerlassener Butter, Zucker und Mehl bereitet man eine Streuselmasse, die über die Apfelschicht gestreut wird. Der Auflauf wird dann im Ofen solange gebacken, bis die Streusel goldgelb sind. Eine Vanillesauce wäre ein feiner Partner, sofern Köchin oder Koch nicht schon vor dem Backen eine Puddingschicht zwischen Äpfel und Streusel drapiert haben. Bratapfelreste können übrigens noch einmal im Ofen warm gemacht oder kalt, dann jedoch ohne Schale, abwechselnd mit Vanille-Quark in ein Dessert-Glas gefüllt werden (dieses Bratapfel-Schicht-Dessert bekommt eine besonders exquisite Nuance, wenn zusätzlich in Orangensaft oder Likör getauchte Löffelbiskuits eingeschichtet werden).
Großmutters Bratapfel aus dem Ofenrohr
Das leckerste Apfelgericht ist zugleich das duftigste und es löst vollautomatisch wonnige Erinnerungen an die Kindheit aus: Großmutters Bratapfel aus dem Ofenrohr. Die Rezepturen für diesen Klassiker variieren stark, jede Familie hat ihr eigenes kleines Geheimnis. Allen Rezepten gemeinsam ist, dass man das Kerngehäuse aussticht, die Öffnung füllt, die Äpfel zuckert und in einer großzügig gebutterten Auflaufform ins heiße Rohr schiebt. Voraussetzung für Genuß sind saftige Äpfel, beispielsweise Reinette, Boskop, Glockenapfel, Jonagold, Cox-Orange. Als Bratfond – sofern man es nicht bei der Butter als Grundlage beläßt – eignet sich eine Mischung aus etwas Apfelsaft nebst einem Spritzer Zitrone, einem Stück Zimtrinde, Sternanis, ungespritzten Orangen- und Zitronenschalen sowie eine aufgeschlitzte Vanilleschote. Die Füllung ist eine Geschmacks- und Glaubensfrage. Manche lassen den Apfel mit Stiel und Kernen, nur gezuckert, im Ofen braten, bis er außen krustig und innen weich ist; sie essen ihn mit Rahm und Johannisbeergelee. Die einen füllen den Apfel mit Früchtegelee (sehr gut: Johannisbeere, Himbeere, Weichselkirsche, Zwetschge), andere nur mit Butter und Rosinen (mariniert in einer Liaison aus 2/3 schwarzem Tee und 1/3 Rum) sowie einem Schuß Portwein. Die einen wollen unbedingt Mandeln in der Füllung haben, vielleicht auch geriebene Walnüsse oder Haselnüsse, Zimt, Krokant und Zitronenschale. Anderen genügt eine Masse aus Butter und Zucker, befeuchtet mit etwas Weißwein, Kirschwasser, Apfelmost oder Calvados. Finesse bieten Mandeln, Rosinen und Dörrzwetschgen, gehackt und mit Honig sowie Zitronensaft vermengt.
Bratapfel-Rezept traditionell und flambiert (für vier Personen)
Zutaten:
vier große Äpfel (bevorzugt Boskop, Cox Orange); Zitronensaft, ca. 50 Gramm Rosinen oder/und Korinthen), möglichst ungeschwefelt; ca. 50 Gramm gehackte Mandeln und Nüsse (wahlweise Hasel- oder Walnüsse); ca. 200 Gramm Johannisbeerkonfitüre oder Apfelgelee oder Quittengelee; Zucker; echter Karibik-Rum (alternativ: Calvados, Apfelbrand); Zimt.
Die Füllung läßt sich selbstverständlich nach dem liberalen Motto „schön ist, was gefällt“ variieren, beispielsweise mit Marzipan, Kokosraspeln, Dörrzwetschgen, zerbröselte Makronen. Anstelle der Konfitüre kann man Honig nehmen.
Für die Dekoration:
Mandelstifte oder Nußkerne, Puderzucker, eventuell Minzeblättchen.
Zubereitung:
Äpfel waschen, trocken reiben, jeweils einen Deckel abschneiden, die Öffnung kreuzweise einschneiden und das Kerngehäuse großzügig entfernen. Die so entstandene Höhlung innen mit Zitronensaft beträufeln. Die Rosinen, Korinthen, gehackten Mandeln sowie Nüsse und die Konfitüre mit etwas Butter, einem bis zwei Eßlöffel Rum und einer Brise Zimt cremig mischen, damit den Apfel bis zum Überquellen füllen, die Deckel locker draufsetzen. Nun eine feuerfeste Form gleichmäßig mit Butter bestreichen, darauf die Äpfel nebeneinander platzieren und mit einigen Butterflöckchen belegen. Falls Füllung übrig bleibt, die rund um die Äpfel verteilen. Im vorgeheizten Backofen bei etwa 200 Grad ungefähr 20 bis 30 Minuten backen. Anschließend die Äpfel leicht mit Puderzucker bestreuen und mit Mandelstiften oder Nußkernen dekorieren. Nach Geschmack einen Klacks geschlagene Sahne dazu geben. Dazu paßt entweder eine Vanillesauce oder Eis (Vanille, Apfel, Zitrone…)
Flambierte Äpfel:
Alternativ zur Vanillesauce kann man die Bratäpfel flambieren, was sich als apartes Spektakel inszenieren läßt. Dafür wird je ein Glas hochprozentiger Rum oder Apfelbrand in einem Topf stark erwärmt, über die Äpfel gegossen und angezündet. Ausbrennen lassen, dabei vielleicht das Licht ausschalten.
Welche Füllung man auch wählt, wichtig ist, dass der Apfel gezuckert und die feuerfeste Form dick gebuttert wird, ehe man sie ins vorgewärmte Backrohr schiebt. Der Apfel muß außen krustig schrumpeln und innen ganz weich sein, dabei saftig.
Alfred Walterspiel, der große deutsche Koch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, hat den Bratapfel geliebt und festgestellt: „Man isst sich an diesem delikaten Gericht nie über.“
Bratapfel zur Weihnachtszeit
Rund um die Weihnachtszeit gibt es ein Gewürz, das ganz groß rauskommt: Zimt. Auch in unserem nächsten Rezept für gefüllte Bratäpfel wird mit Zimt verfeinert, veredelt und abgeschmeckt. Was passt aber auch besser zu dem Duft gebackener Äpfel und Nüsse? Und das zu zaubern, geht ganz einfach:
Bratäpfel mit Nussfüllung
(für 1 Person)
Bratapfel mit Quittenmus
1 säuerlicher Apfel
25 g gemahlene Haselnüsse
1 EL Kleie
1 EL Milch
2 TL Quittenmus
Zimt
Die gemahlenen Haselnüsse in einer Schüssel mit Kleie und Milch vermengen. Mit Quittenmus süßen und mit Zimt abschmecken. Apfel ausstechen, mit der Masse füllen und auf Backpapier setzen. Im vorgeheizten Ofen bei 180-200 °C 12-15 Minuten backen.
Auch hierzu gibt es natürlich eine Alternative:
Bratapfel mit Rübenkraut
1 säuerlicher Apfel
25 g gemahlene Haselnüsse
1 EL Kleie
1 EL Milch
1 TL Rübenkraut
Zimt
Die gemahlenen Haselnüsse in einer Schüssel mit Kleie und Milch vermengen. Mit Rübenkraut süßen und mit Zimt abschmecken. Apfel ausstechen, mit der Masse füllen und auf Backpapier setzen. Im vorgeheizten Ofen bei 180-200 °C 12-15 Minuten backen.
Riesling paßt zu Bratapfel
Zum Gesamtgenußwerk wird ein Bratapfel in Begleitung eines Weines und das heißt vor allem: Riesling! Eine Auslese vom Rhein oder der Mosel ist eine gute Wahl, und wer’s noch edelsüßer mag, der wird mit einem älteren Tokajer, reifem Sauternes oder einem Ruster Ausbruch schon auf Erden eine Ahnung von Glückseligkeit erleben.
Foto: Wirths PR