Hoffnung auf künftige Freude und, philosophisch ausgedrückt, ein Antrieb, in die Zukunft einzutreten. Der Schlüssel in solche verheißungsvolle Welt sind beim Fischhändler einige Handvoll Carabineros. An dieser Hautevolee unter den Meeresfrüchten geht kein Feinschmecker vorbei.
Wild gefangen wird diese Delikatesse das ganze Jahr über in tiefen Gewässern wie vor Andalusien, Marokko, Brasilien, Angola, Madagaskar, Guinea, dem Senegal und an anderen suptropischen Küsten. Der Name bezieht sich übrigens auf das augenfällig strahlende Rot der Uniformmützen, durch das sich die Carabineros, die spanischen Zollpolizisten, von der grün behüteten Guardia Civil absetzten.
Was andernorts auch „Crevettes royales“, „Brilliante“, „Gambas rojas“, „Chorizo rojo“, „Scarlet shrimps“, „Crevette impèriale“, „Crevette géante rouge“, „Cardinal Prawns“ oder auf gut Deutsch und schlicht rote Riesengarnelen genannt wird, sind Garnelen, doch eben keine gewöhnlichen, sondern Prachtstücke ihrer Art, lateinisch unter „Plesiopenaeus edwardsianus“ eingeordnet: mit 30 Zentimeter Länge und mehr sehr stattlich gebaut, signalrot leuchtend schon von Geburt an, fest im Fleisch, saftig und von auserlesenem Geschmack, freilich auch rar und entsprechend teuer. Aber was heißt schon teuer? Kostbar ist der bessere Ausdruck, denn so ein Carabinero hat die Kraft eines kulinarischen Stars.
Deshalb widmen sich Köche, jedenfalls die kreativen, einem Carabinero mit einer Mischung aus Entzücken und Nachdenklichkeit. Enthusiasmiert sind sie ob der Qualität des Produktes, skrupulös wegen der Frage der Zubereitung. Das rosafarbene Fleisch reagiert empfindlich auf zu viel Hitze, ob im Wasser, auf dem Grill oder in der Pfanne. Mit viel Feingefühl geht Tanja Grandits (Restaurant Stucki in Basel) an die Garnele heran; in der einen Version verwendet die Köchin eine Aprikosen-Mayonnaise und Pimento als parfümierende Zutaten, und sehr reizvoll klingt ihre poetisch „La Vie en Rose“ titulierte Komposition mit Rosen, Himbeer-Zwiebeln und einer knusprigen Macadamia-Granola.
Sven Elverfeld (Aqua in Wolfsburg) serviert die Carabineros wahlweise mit warmer Wassermelone, Gurke und Basilikum oder mit Knusper-Risi-Bisi und Erbsencreme, wohingegen Klaus Erfort in dem nach ihm benannten Gästehaus in Saarbrücken das Fleisch roh mit Kaffirlimetten-Öl mariniert.
Ebenfalls roh, nämlich als „Ceviche mit gefrorenem Limonenstaub, Peperoni und Tomate“, legt Kevin Fehling, ein weiterer Dreisternekoch (The Table in Hamburg) die rote Garnele an. Alternativ bereitet er sie würzig mit Couscous, Kumquats, Erbsencreme und Arganöl-Hollandaise zu.
Kühn geht Tim Raue in Berlin vor. Der von asiatischen Würz- und Kochtechniken beeinflußte Koch gart ein Pfund geschälte Carabineros sekundenkurz in geklärter Butter und fügt dann je vier Eßlöffel fein geschnittenen Frühlingslauch sowie Ingwer hinzu, ergänzt um einen Schuß „Hot Spice Maggi“ aus China. Er mag’s halt pikant wie eine weitere, mit Sud von Rosenblütenschnaps und einem Pfeffer-Baiser angereicherte Variante. Puristisch gibt sich Carme Ruscalleda i Serra, die mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Köchin (Sant Pau im katalanischen Sant Pol de Mar), indem sie die feuerrote Garnele nur leicht anwärmt und auf einem Röllchen aus knusprigem Landbrot nebst einer gelblichen Gemüse-Sauce anrichtet.
Stilistisch besonders rein ist die Präparation im Relais & Château-Lokal Mas de Torrent (Torrent, Katalonien): Die Carabineros werden gekocht, sofort auf Eis herunter gekühlt und mit gesalzenen Algen sowie Brot serviert. Der Koch liefert die etwas eigenwillige Erklärung für seine Art der Zubereitung gratis mit: „Beim Grillen wird das Aroma nach außen transportiert, beim Kochen bleibt es in den Garnelen drin.“ Im innovativen Madrider „Barra Atlántica“ spielt der Garnelenkopf eine wesentliche Rolle, dessen Inhalt zusammen mit dem Corail und Olivenöl mittels heftigem Rühren zu einer Sauce emulgiert und der gegrillten Garnele exklusiv beigesellt wird. Für Freunde des reinen Geschmacks ist das eine ziemlich perfekte Dualität – wie sie allerdings auch in einer Pfanne aus Gußeisen erzielt wird, in der die ungeschälten Carabineros in Olivenöl beidseitig nur jeweils sekundenlang angebraten werden.