Das Leben besteht aus Alternativen. Nur: Welche ist die richtige?
Täglich muss man so viele Entscheidungen treffen: Welche Socken wähle ich morgens? Oder: Welcher Stromanbieter ist der günstigste? Viele von diesen Entscheidungen sind banal und Routine, aber nach einem langen und häufig schweren Tag darf ich endlich eine andere Wahl treffen. Auch dies ist häufig schwer, aber dennoch angenehm. Manchmal entscheide ich auf Grundlage meiner Leidenschaft, oft soll sie gut zum Essen passen, manchmal sind meine Entscheidungen auch jahreszeitenabhängig, und ab und an habe ich schlicht keine andere Wahl. Richtig, ich bin längst wieder bei meinem Lieblingsthema: Craft Beer.
Die Neugierde in mir
Ich war neugierig ob das 7:45 Escalation von Crew Republic seinem Bruder in seiner Güte gleichkommt – dem Roundhouse Kick, ebenfalls von Crew Republic (Ausgabe 11+12/2015). Ich hatte Lust auf etwas Heftiges. Von seinen 8,3 % vol. und 83 IBU wurde ich nicht enttäuscht. Das 7:45 Escalation ist ein feines Double IPA (DIPA) mit einem bewundernswerten und gut balancierten Geschmack und einem einladenden Mundgefühl. Der Alkohol kann die inspirierende Mischung aus typischen Craft-Beer-Hopfen, nämlich Columbus, Simcoe, Amarillo und Chinook, und einem großartigen Bitterhopfen mit schönem Pinien-Bouquet perfekt wiedergeben. Die Farbe ist für ein DIPA blass und hat eine leichte Karamellnote. Ich habe das Bier zu einer Barbarie-Entenbrust, gebraten in Butter und Rinderfett, genossen. Den tiefen, runden, hopfigen Geschmack des 7:45 Escalation könnte man aber noch zu vielen weiteren leckeren Sachen kombinieren. Vielleicht am besten mit dem Feierabend.
Ein Vergleich: IPA oder DIPA
Mein Weg führt mich meist von leicht zu voll oder süffig, von deftig nach sehr hopfig. Heute führte mich mein Weg in die andere Richtung. Nach dem 7:45 Escalation beschloss ich, es mit einem IPA etwas leichter anzugehen, um auch so die Unterschiede zwischen einem DIPA und einem amerikanischen, im englischen Stil gebrauten IPA, dem Goose Island India Pale Ale, zu entdecken.
Goose Island löste einige Kontroversen in der Craft-Beer-Szene aus, als es an den internationalen Fabrikbier-Giganten Anheuser-Busch InBev verkauft wurde. Doch dieses India Pale Ale mit seinen 5,9 % vol. und 55 IBU ist ein angenehmes Bier, das es in sich hat. Obwohl die Tiefe und die Palette von 7:45 Escalation fehlte ist Goose Island India Pale Ale ein gutes hopfiges IPA, mit klarer Farbe und einem schönen Nachhall. Das aus den USA angereiste Bier könnte als ordentliches „Standby-Bier“ im Kühlschrank dienen.
Der Teufel in meinem Glas
Wenn ich unterwegs bin, halte ich Ausschau nach ausgefallenen Biersorten, von denen ich unbedingt ein paar Flaschen mit nach Hause nehmen muss. Vor zwei Jahren habe ich in Belgien ein paar Flaschen Duvel Tripel Hop gekauft. Ich verliebte mich gleich in die Sorachi Ace Limited Edition von 2013 und hatte die Hoffnung, den tollen Zitrus-, Gewürz- und Kräuter-Charakter in der diesjährigen Limited Edition Tripel Hop mit Equinox-Hopfen wiederzufinden – aber es kam ganz anders. Ich mag bei einem Tripel sowohl das hohe Maß an Alkohol als auch die sehr würzigen Noten. Zusammen sind sie bei diesem belgischen, obergärigen Bier eine geniale Kombination. Die Biere sind in der Regel mit einem eher dünnen Körper und einer hohen Karbonisierung so gut ausgewogen, dass man den Alkoholgehalt erst erkennt, nachdem man zwei oder drei Flaschen getrunken oder einen Blick auf das Etikett geworfen hat. Das diesjährige Duvel, mit seinen herrlich versteckten 9,5 % vol. und der Kombination von Saaz-, Styrian- und Equinox-Hopfen bietet eine wohlriechende Kombination aus Grapefruit, Zitrone und Malz. Die hellblonde Farbe und der feine Kopf erinnern zwar eher an ein Lager, aber der schmackhafte Biss und die ausgewogene Komposition lassen diesen Gedanken schnell vergessen.
Herausforderungen
Eine Herausforderung – allerdings eine angenehme: Ich sammle Biere. Einige kenne ich bereits und einige möchte ich gern noch kennenlernen. Das bedeutet, bevor ich ein Bier trinke, muss ich Entscheidungen treffen. Dichotomien abarbeiten: bekannt – unbekannt, hopfig – malzig, hell oder dunkel, ober- oder untergärig, hoch- oder niederprozentig, süß – sauer, fruchtig – fade, ursprünglicher Stil oder etwas Avantgarde – und ja, eine gut aussehende, einladende Flasche oder nicht? Bier ist Herausforderung! Knifflige Aufgaben, die nicht so einfach zu lösen sind. Doch heute muss es ein selbstgebrautes IPA sein – das Wetter verlangt danach!
FRIDAY
Dieses Bier kombiniert zwei Dinge, die ich liebe: Freitag und IPA! Warum also nicht ein Friday über IPA am Freitag von Brauer und UNION trinken? Es hat eine herrlich kupferne Farbe, sehr feine Kohlensäureperlen, eine erst fruchtig, karamellig und dann malzige Süße, die mit einem bitter-leichten, harzigen Hopfenklang endet. Mit 6,5% vol. und 55 IBU schmeckt es so gut, dass der Stress der Woche entflieht und man für das Wochenende bereit ist. Es schmeckt so gut – die größte Herausforderung ist hier ein Ende zu finden.
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Daniel Olsberg ist Kanadier mit schottischen Wurzeln und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Er betrachtet sich selbst als „Lebensmittelveredler“, da er leidenschaftlich gerne kocht.
Doch vor allem ist er Bierliebhaber und braut seit 1987 sein eigenes Bier.