Ein guter Wein erfreut unsere Sinne mit vielen Düften und Geschmacksaromen. Aber spricht der Wein auch tatsächlich eine eigene Sprache? Ja, aber sie ist keine Geheimwissenschaft, zu der man eine besondere Qualifikation benötigt, auch keine ausgeprägte Nase, allerdings Übung. Subjektiv muss man bereit sein, sich auch als Nichtfachmann auf die Aromen und Beschreibungen einzulassen.
Die Qualität des Weins
Zunächst zur objektiven Qualität: Natürlich ist für den Weinfreund das Wichtigste, dass der Wein schmeckt. Doch ein wenig objektives Beurteilungsvermögen kann helfen, den richtigen Tropfen zu finden, bzw. sich nicht zu blamieren. Fachleute nennen das Sensorik, was bedeutet, nicht nur zu riechen und zu schmecken, sondern die Qualitätsmerkmale zu bewerten sowie eventuelle Mängel festzustellen. Dies gehört zum Alltag eines jeden Kellermeisters, Sommeliers oder Weinpublizisten. Natürlich setzt das Wissen über Wein im Allgemeinen voraus, das man sich aber nach und nach erwerben kann. Sensorik bedeutet also nicht, zu prüfen, ob der Wein subjektiv schmeckt. Vielmehr soll hierbei bestimmt werden, ob er qualitativ in Ordnung ist, fehlerfrei, ein bestimmtes Alterungspotenzial besitzt und vor allem, ob er seinen Preis rechtfertigt.
Das Degustationsverfahren
Auch für Fachleute, insbesondere bei Weinprüfungen, gibt es Bewertungsbögen mit festgelegten Kriterien. Man prüft zunächst die Farbe und Klarheit, dann den Geruch – ob er typisch ist, wie kräftig und ob fehlerfrei, also keine Fremd- oder Mufftöne aufweist. Dasselbe geschieht beim Geschmack. Wichtig ist auch, wie lange der Wein nachhallt. Am Schluss bewertet man das Gesamtbild, das Entwicklungspotenzial sowie die Harmonie. Es gibt Weine, die im Duft sehr „laut“ sind, im Geschmack aber enttäuschen und umgekehrt. Auch das Verhältnis zwischen Säure, Frucht, Volumen, Schmelz, Tanninen, Alkohol und Nachhall muss stimmen. Soviel zur Harmonie! Jedes Merkmal wird bewertet und dann zusammen gezählt. Häufig wird das 100 Punkte-Schema von Robert Parker verwendet. Bei Weinprämierungen werden natürlich die nähere Herkunft und der Erzeuger verschwiegen. Wein verkosten heißt zugleich, Demut und Ehrfurcht zu üben gegenüber einem über 2000 Jahre alten Kulturgut. Fachlich geht es um möglichst große Objektivität. Doch wer kann sich schon gänzlich befreien von seinen ureigenen Vorlieben und Abneigungen? Geht es um die Beurteilung sinnlicher Wahrnehmungen, ist 100%ige Neutralität nicht gegeben. Daher stehen Qualitätsweinprüfungen und Weinprämierungen immer wieder auf dem Prüfstand. Wichtig ist, sich selbst zurückzunehmen, einem Wein seine Geheimnisse zu lassen und ihn zu akzeptieren, auch wenn man ihn nicht versteht. Denn es sind die kleinen Überraschungen und Eigenheiten, die ihn zu etwas Besonderem machen. Wein ist und bleibt ein kleines Mysterium, wissenschaftlich wie organoleptisch. Und das ist gut so. Denn nichts ist langweiliger, als was man verstanden und abgehakt hat. Anders als die strenge Sensorik ist die oft sehr blumige Sprache mancher Sommeliers oder Weinkritiker. Noten im Duft und in den Aromen ähneln Früchten oder Blumen und lassen sich auf diese Art beschreiben. Diese phantasievollen Ausdrücke sind jedoch stark subjektiv. Natürlich muss ein Wein fehlerfrei sein und im Preis-Leistungsverhältnis stimmen. Sonst würde ja versucht, den Weinfreund hinters Licht zu führen. Doch nun kommt das persönliche Empfinden ins Spiel. Mag man trockene Weine, liebliche, edelsüße oder Bukettweine? Trinkt man den Wein zum Essen, bei einer Party oder will man ihn in Ruhe genießen? Für jede Gelegenheit gibt es die passenden Weine – und was macht mehr Spaß, als „seinen“ Wein zu finden?