Weine können dich bezaubern wie eine gute Fee, aber auch narren wie ein boshafter Zwerg. Solchen Koboldweinen begegnet man vor allem während des Urlaubs in mediterranen Regionen. Der Thymian duftet mit dem Lavendel um die Wette, die Grillen zirpen, Mücken fliegen ihre Hochzeitstänze: jeder kennt diese Sinfonie des Südens, komponiert aus Gerüchen und Geräuschen. Die Seele des Urlaubers räkelt sich wohlig und zur Vervollkommnung seines irdischen Glücks bestellt er sich noch eine Flasche. Einen schlichten, würzigen Landwein, nichts Großes, aber er passt zum Schinken, dem rustikal in Olivenöl gedünsteten Fisch oder den furchtlos gekräuterten Lammkoteletts, in jedem Fall zur Atmosphäre.
Im Überschwang der Gefühle nimmt man eine Kiste mit nach Hause. Dort ist die Enttäuschung dann freilich oft groß, denn der Wein schmeckt fade, irgendwie abgestanden. Erbärmlich zerronnen ist die Idee, sich mit dem Wein ein bisschen Ferienstimmung auf die heimische Terrasse zu holen. Der Transport sei schuld, sagen die Neunmalklugen. Das ist Unsinn. Der Wein hat sich kein bisschen verändert. Junge Gewächse, zumal jene von kräftiger Struktur, sind strapazierfähig und überstehen längere Schütteleien, sogar Hitzestaus im Kofferraum. Wichtig ist, dass man die Flaschen nicht direkt der Sonne aussetzt. Sollte sich der Korken etwas lockern, ist das nicht schlimm – allenfalls bitzelt der Wein dann bei den ersten Schlucken etwas auf der Zunge. Hochwertige Château-Gewächse schmecken sowieso überall in der Welt, ausgenommen im Flieger hoch über den Wolken oder in Himalaya-Höhen.
Dass der eigenimportierte Bauernwein nicht schmeckt, hat einen speziellen Grund: Die mitteleuropäische Luft hat auch bei 30 Grad im Schatten eine andere Chemie als die in Frankreich, Spanien, Italien oder Griechenland. Kleine Weinchen sollte man trinken, wo sie wachsen, nur bessere Qualitäten mit ausgeprägter Frucht und Säure lassen sich problemlos verpflanzen.
Artikel Nummer eins im Grundgesetz des Reisens lautet ja, sich kulinarisch an den Produkten der jeweiligen Region zu orientieren. Wer – wie weiland Helmut Qualtinger in seinem Sketch – Kartoffelsalat im Glas an die Côte d‘Azur mitnimmt, Spätburgunder in die Toskana oder Weißwein nach Österreich, ist nicht nur ignorant, sondern begibt sich geradezu fahrlässig vieler Freuden im Fach Essen & Trinken. Reisen bildet, wie man weiß, und das ist keineswegs eng beschränkt auf Kirchen und Museen. Eine Landschaft muss man mit allen Sinnen in sich aufnehmen, also auch erschnuppern und erschmecken, was praktisch heißt: bei Tisch mit lokaler Küche und regionalen Weinen. Das nennt man den genius loci, was frei übersetzt ungefähr heißt: die Faszination des Augenblicks.
Freue dich Seele, hat Goethe in solchen Momenten gesagt, jetzt kommt ein Platzregen.