Winterzeit ist Bierzeit, findet unser Autor Daniel Olsberg. Es muss nur etwas stärker und vollmundiger sein. Der leidenschaftliche Hobby-Brauer hat für uns einige zur Kaminzeit passende Biere verkostet.
Lange, dunkle Tage – und dazu lange, dunkle Nächte. Kälte und Feuchtigkeit dringen unter meine Kleidung. Ich greife zu einem Getränk, dessen Wärme langsam meine Kehle hinunterfließt, meinen Gaumen aufhellt und meinem Körper eine Gelassenheit schenkt, die dem Trübsal der Saison entgegenwirkt.
Sie denken an Cognac, Whisky oder Rum? Nein, nur ein Getränk aus einer erhabenen Zutat – Malz. Vergessen Sie leichte, blasse und überspritzige Biere. Stellen Sie sich ein starkes, sämiges und wärmendes Getränk vor. Mit einer Tiefe am Gaumen, aussagekräftig. Einige Versionen sind schwarz wie die Nacht mit feurigen Röstaromen, andere mit einer vollen malzigen Süße und wieder andere heller in der Farbe, aber ebenso stark wie ihre Gefährten. Willkommen in der Welt der starken Biere, willkommen in der Welt der Barley Wines, IPAs, Stouts und Porters.
Bier wird für gewöhnlich mit den Frühlings- und Sommermonaten verbunden, vor allem als Durstlöscher gesehen und bietet eine gute Ausrede, bei Wärme und Sonne etwas trinken zu müssen. Verwandt mit den durstlöschenden Lagerbieren und Pilsnern gibt es jedoch weitere Sorten, die unserer Aufmerksamkeit wert sind.
Startschuss für die Saison
In den letzten Wochen war ich intensiv damit beschäftigt viele Biere zu kaufen und zu verkosten. Ich habe eine Reise durch die Welt von Porter, Stouts und Barrique-Bieren aus England, Schottland, den Niederlanden und Deutschland gemacht – und genossen.
Während einer Reise nach Schottland habe ich ein besonderes Interesse an den dortigen Brauereien entwickelt. Die Black Isle Brauerei in der Nähe von Inverness ist mit einer Auswahl wohlschmeckender urtümlicher Bio-Biere einer meiner Favoriten geworden. Als Startschuss für die Saison bietet sich das Red Kite Ale an, ein schönes bernsteinrotes Bier mit einer fruchtig-malzigen Basis, die mich auch an rote Beeren erinnert. Mit niedrigen 4,2 % alc./vol ist es aromareich und leicht zu trinken. Ein weiteres Juwel der Brauereien in Schottland ist Innis & Gunn. Diese Brauerei braut Kleinserien und reift ihre Biere in und über Eiche. Das Rum Finished Bier reift 57 Tage auf amerikanischem Eichenkernholz, hat wohlige 6 % alc./vol und ist ein Bier, das in kleinen Schlucken zu genießen ist, damit sich die würzigen und fruchtigen Aromen mit einer dezenten Note von Karamell und Vanille voll entfalten können. Das Rum Finished passt gut zu dunklen, deftigen Gerichten oder zu herzhaften Käsesorten. Der angenehm niedrige Kohlensäuregehalt massiert den Gaumen sanft und unterstützt den runden Nachgeschmack.
Perfekte Kombination
Bewegt man sich geographisch weiter in den Süden, findet man Fuller´s London Porter mit seinem dunklen, schokoladigen Aroma, das eine volle Balance anbietet und einen mitnimmt auf einen weiteren Schritt in Richtung tiefere Aromen. Traditionell in London gebraut, verwendet Fuller eine Kombination von Pale-, Kristall-, Braun- und Chocolate-Malz mit einer zurückhaltenden Dosis von Fuggles Hopfen. 5,2 % alc./vol unterstützen ein gelungenes Porter. Nicht süß, nicht bitter, mit komplexen Aromen von Kaffee und Schokolade und einer leichten, süßen Note – eine perfekte Kombination zu Schokoladen-Desserts.
In den Niederlanden produziert die Nijmegen Oersoep („Ursuppe“) Brauerei Biere in kleinen Mengen. Ihr Belgisch Kongo Smoked Export Stout wird aus reinem Malz und Weizen gebraut und ist ein dickes, salziges Bier, voller Umami-Geschmack, der etwas Säure am Gaumen hinterlässt. Mit 8,5 % alc./vol passt es zu geschmorten Fleischgerichten und bietet einen unvergesslichen Geschmack.
Die bayerische Bierbrauerei Crew Republik aus Unterschleißheim produziert eine Auswahl an Bieren, von denen ein paar perfekt für einen kalten Winterabend sind. Ihr Roundhouse Kick Imperial Stout mit 9,2 % alc./vol und 71 International Bitterness Units (IBU) liefert ein tiefbraunes Bier mit tabakfarbigem Schaum und wenig Kohlensäure. Eine niedrige Karbonisierung unterstützt sanft die tiefen Töne im Bier und bewahrt die Aromen, so dass der Genießer eine volle, runde Nase erlebt. Die leicht lakritzige Note mit einem abgerundeten dunklen Biscuit (wie Toastbrot) hinterlässt einen langen Eindruck mit einer tiefen Dunkelheit der Röstmalze. Der Alkohol sorgt für einen intensiven Verbleib des Geschmacks auf der Zunge.
Entdeckungen
Ein Freund kam mit verschiedenen Bieren aus der Brlo Brauerei in Berlin vorbei. Besondere Aufmerksamkeit erregte dabei das Porter. Mit einer angenehmen Wärme, die sich aus 7 % alc./vol ergibt, und ausgeglichenen 35 IBU erwies es sich als ein gut abgerundetes Porter mit einer lohnenden Kombination aus Karamell und Röstaromen – ohne unbalanciert zu sein. Der mäßige Alkoholgehalt und eine kleine Bitter-Note machten es angenehm trinkbar.
Eines meiner Lieblings-Hausmittel gegen grauen Himmel und peitschenden Wind ist das saisonale Bier aus der Ratsherrn Brauerei, ein Kaventsmann Baltic Porter. Mit einer Stärke von 6,6 % alc./vol und 32 IBU liegt es etwas außerhalb des normalen Niveaus von Bitterkeit für Porter, ist aber sehr gelungen in seiner Ausgewogenheit. Am liebsten mag ich die Kombination aus einem seidigen Gefühl im Mund mit einem tiefen Geschmack von Malz und den hervorstechenden Röstaromen – ohne adstringierend zu sein. Die Aromen von tiefem, dunklem Malz, leichten Früchten und gerösteten Kastanien passen zu Foie gras, Roastbeef und Cheddar.
Diese Biere zeigen, dass die Kombination von blassen und gerösteten Malzen sowie die Wahl des Hopfens, die Entscheidung über Hefen sowie Temperaturen der Gärung und letztendlich die Zusammensetzung des jeweiligen Wassers radikal unterschiedliche Biersorten erzeugen. Bier ist nicht nur Pils. Bier kann weitaus mehr Fülle im Mund bieten, ein Fächer an Aromen, und dem Trinken eine neu zu entdeckende Entschleunigung abringen. Es lädt den Genießer ein, sich Zeit zu nehmen und neue Welten zu entdecken.
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Daniel Olsberg ist Kanadier mit schottischen Wurzeln und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Er betrachtet sich selbst als „Lebensmittelveredler“, da er leidenschaftlich gerne kocht.
Doch vor allem ist er Bierliebhaber und braut seit 1987 sein eigenes Bier.