Für die meisten kann der Sommer nicht lang genug sein, doch für Daniel Olsberg heißt es: Bald ist „home-brew-time“. Dafür holt er sich Anregungen von internationalen Brauereien.
Der Sommer ist leider schon am Ausklingen. Die Tage werden kürzer, Wind und Regen nehmen zu und die letzten Abende, die man im Freien genießen kann, weisen eindeutig schon in Richtung Herbst. Es ist also Zeit, sich im Keller zu verkriechen und DIE ANLAGE zu starten, ganz ohne das schlechte Gefühl, draußen etwas zu verpassen. Einige Stunden bestens investiert, um Bier zu brauen und Biere (nota bene: Mehrzahl) zu trinken.
Die Gelegenheiten, Selbsterzeugtes zu genießen, sind ja heutzutage dünn gesät. Fast alles lässt sich kaufen und oft fehlt schlicht die Zeit (vielleicht auch die Lust), einen Prozess zu beginnen, dessen Ergebnis erst sechs bis acht Wochen später im Probierglas perlt.
Dabei ist Bier brauen ähnlich wie Brot backen, nur cooler. Sie wissen, wie es geht? Malz schroten, maischen, läutern, kochen, kühlen, Hefe einrühren, warten und presto: BIER.
Vier Zutaten ergeben eine Menge Kombinationen und damit eine Menge Spaß. Es ist einfach ein unvergleichlich schönes Gefühl, nach Hause zu kommen und sich sein eigenes Werk aus einem von vier Hähnen zu zapfen – ganz zu schweigen vom Angeberpotenzial. So geht wahres Kellerbier – aber es lässt sich auch trefflich überirdisch genießen!
Natürlich gibt es eine Menge Variablen, die auf den späteren Genuss ganz erheblichen Einfluss nehmen, der schließlich das Ziel all unserer Bemühungen ist. Ganz wichtig ist etwa die Art des Brauwassers, die Wahl der Malzsorten hat eine große Bedeutung und auch die Temperaturen beim Maischen, Kochen und Gären spielen eine ebenso große Rolle wie Art, Menge und Siededauer des zugegebenen Hopfens und natürlich die Wahl der Brauhefe.
Vor allem muss man sich und dem Bier aber Zeit geben. Zeit, nicht nur zum Brauen, sondern auch zum Verkosten. Ich braue am liebsten mit Freunden, und das ist stets eine fantastische Gelegenheit, viele außergewöhnliche Biere zu probieren.
Inspirationen
Eine super Sache von Buddelship: „The Steelyard Pale Ale“. Zwei Hopfensorten konkurrieren um Aufmerksamkeit und ergänzen sich dabei: „Galaxyhopfen“ spendet tropische Fruchtigkeit, während „Citra“ erhabene Zitrusnoten beisteuert. Seine lockeren 5,6 % Vol., die volle Hopfigkeit, die Kraft im Geschmack liefern den Effekt, den wir Kanadier recht unverblümt, aber begeistert als Kick Ass bezeichnen. Nordisch, kühl, cool. Exzellentes aus Hamburg.
Ich habe etwas aus Lichtenstein bekommen – flüssiges Gold aus dem Lichtensteiner Brauhaus, das „Club Bier 02 Alpen Pale Ale“. Ungefiltert, mit 5,4 % Vol., goldgelb und einem komplexen, fast barriquen Geschmack. Amerikanisch kaltgehopft mit „Cascade“ – dem Ur-Craftbeer-Hopfen.
Einer meiner Lieblingssprüche ist: Das einzig Beständige ist der Wandel. Es gibt Biere, die genauso sind. Eines davon ist das belgische Trappistenbier „Orval“. „Orval“ wird schön obergärig gebraut, trocken gehopft und beim Abfüllen mit Brettanomyces angereichert. Dieses Bier schmeckt „jung“ getrunken hopfig und frisch, aber gibt man ihm etwas Zeit, verwandelt es sich zu einem knalligen Bier mit animalischen Noten. Vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber durch die barrique-ähnliche Nuance die perfekte Wahl zu Feinkost.
Was ich auch entdeckt habe, ist das „Beavertown Bloody ‘Ell Blood Orange IPA“. Was für ein Geschmack – Citrus-Hopfen-Noten versehen mit Blutorangensaft und -zesten. Definitiv nicht nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut, aber mit seiner gold-orangen, leicht trüben Farbe, der zart süßlichen, aber dennoch klaren Orangen-Note und mit 7,2 % Vol. ein nicht zu unterschätzendes Bier.
Lese-Tipps
Wer mehr über das Heimbrauen und die unterschiedlichen Bier-Styles erfahren möchte, sollte sich einmal die Bücher der „Brewers Publications“ (in englischer Sprache) anschauen: www.brewerspublications.com
Besonders hervorheben möchte ich das Buch „IPA: Brewing Techniques, Recipes and the Evolution of India Pale Ale“ von Mitch Steele, aber auch die Bücher aus der Reihe „Water“, „Malt“, „Yeast“ und „Hops“ sind absolut empfehlenswert.
Den gesamten Artikel hier zum Download.
Daniel Olsberg ist Kanadier mit schottischen Wurzeln und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Er betrachtet sich selbst als „Lebensmittelveredler“, da er leidenschaftlich gerne kocht.
Doch vor allem ist er Bierliebhaber und braut seit 1987 sein eigenes Bier.