Bier und Poesie – für unseren Autoren Daniel Olsberg gehören sie untrennbar zusammen. An Sommerabenden bei kühlem Hopfensaft kommen ihm die besten Ideen zu seinen Kolumnen. Das Ergebnis lesen Sie hier.
Der Sommer ist endlich da und zieht mich magisch ins Freie! Lange, warme Abende locken mit „BBQ, Beer and Beef“, wie wir Kanadier sagen. Das letzte B dieser göttlichen Alliteration können wir problemlos durch Bratling ersetzen, um unsere veganen Freunde nicht auszuschließen.
So oder so lassen B, B und B ein paar wundervolle Saiten in mir klingen. Für mich gibt es einfach nichts Schöneres, als mit guten Freunden unterm Himmelszelt zu philosophieren und dabei das ein oder andere „Gebräu“ aus der Enge seiner Flasche zu befreien bis eine rote Sonne den Sternen Platz macht.
Bis dahin vergehen in diesen Tagen viele schöne Stunden, so dass ich Biere aus der ganzen Vielfalt unterschiedlichster Stile wähle, die aber alle eines gemeinsam haben: Sie sind ERFRISCHEND! Das heißt, dass die durchschnittlichen Machine IPAs für eine Weile in den Hintergrund rücken (zumindest bis zu späterer Stunde) und Platz machen für knackige Pilsener, Pale Ales, Saure und Weißbiere. Was ich will, sind AROMEN von Malz, prickelndem Hopfen und fruchtigen Hefen.
Erfrischungen
Ich liebe dieses Gefühl beim ersten Schluck eines kühlen Bieres. Ein zischendes Bouquet in meiner Nase, wohltuende Kühle und eine dezente Bitterkeit. Wozu brauche ich Eisbecher, Eiskaffee oder Eiswasser? Ich setze einfach den Öffner an eine kalte Flasche und lasse mir von der befreit aufzischenden Kohlensäure ein vielversprechendes „Erfrischung“ zuflüstern. Unvergleichlich. Sommer halt.
Ein ausgezeichnetes Bier für den frühen Nachmittag ist die BRLO Weiße. Zartgolden in der Farbe, mit einer erfrischenden Prise Kohlensäure und sorgfältig ausbalanciert zwischen Süße und Säure. Ein wahrhaft belebendes Bier – idealer Auftakt, während die Kohlen anglühen. Leicht saure Nase, kaum spürbar gehopft, klarer und erfrischender Weiße-Geschmack. Chapeau nach Berlin!
Danach passt ein erstklassiges Lager wie das Kehrwieder Prototyp. Was für ein kühl-erfrischendes Geschenk an den Durst! Schön malzig, ohne ins süßliche abzugleiten, mit einer appetitanregenden Dosis Hopfen. Aus Tschechien kommt der hier verwendete Saazer Hopfen (bekannt aus Pilsener Urquell), dessen vollmundiges Bouquet mit dem eher zitrus- oder pinienbetonten amerikanischen Simcoe-Hopfen ausbalanciert wurde.
Kühlung für den Körper
Ein weiteres, eher unbeschwertes Bier ist das Ratsherren Backyard Sommer Ale. Eine Allzweckwaffe, um nicht so Craft Beer überzeugte Freunde von ihrem Standardpils loszueisen. Ein pfiffiges, unkompliziertes Pale Ale, nicht zu wuchtig, nicht zu bitter, nicht zu überkandidelt, aber genau richtig, wenn das Quecksilber steigt und der Körper nach Kühlung lechzt.
Ein echter Kracher, der in seiner jetzigen Form nur schwierig zu bekommen ist, kommt aus dem im Februar insolvent gemeldeten Braukunstkeller Amarsi. Seine fruchtigen Noten von Amarillo und Simcoe-Hopfen, mit soliden 7,1 % Vol. sind ein Genuss, der in seiner heutigen Form nur noch kurze Zeit erhältlich ist. Allerdings wird uns Braumeister Alexander Himburg erhalten bleiben mit seiner Am-Si-Hopfenkombination, zunächst mit einem Double IPA (DIPA). Ich bin schon sehr gespannt auf eine erste Kostprobe (vielleicht aber bei etwas kühlerem Wetter).
Wenn die Sonne ihren letzten rot-goldenen Schimmer an den Horizont zaubert und die Luft allmählich kühler wird, ist die richtige Zeit für das neue Bio-Bockbier von Neumarkter Lammsbräu, das für 8 Wochen auf Eiche gelagert wird. Das „1628 Oak Aged Spezialität Naturtrübes Starkbier“ mit seinen 7,4 % Vol. ist eine echte Überraschung.
Ich hatte kurz zuvor ein belgisches Brown Ale aus eigenem Keller getrunken, das ich fast ein Jahr auf der Eiche hatte. Ein interessanter Vergleich: Während meine Belgische Eiche im Geschmack sehr kräftig war, mit sehr dominanten Röstnoten, war das Lammsbräu viel weicher, eher mit einer Idee von Eiche beseelt als mit dem Eichholzhammer. Das Aroma ist dennoch präsent; ein dezenter Hintergrund für volle Malzigkeit und – für ein Bock – eine anständige Menge Hopfen.
Goldene Wunder
IPA ist es nicht und sollte es auch gar nicht sein. Das Lammsbräu in seiner attraktiven Flasche ist ein gutes Begleitbier für manche Leckerei. Ich hab‘s zum Fisch probiert und zwar sowohl zu geräuchertem als auch zu Sashimi und es funktionierte sehr gut. Ich kann es mir auch perfekt zu einer Käseplatte vorstellen.
Alles in allem ein körperreiches, gut durchdachtes Bock mit Malzigkeit ohne Süße, mit Hopfen ohne Harz und mit einer Hefenote vor hintergründigem Eichenaroma. Geschmeidige Komplexität trifft hier solide Stärke.
Wenn sich dann der Abend seinem Ende zuneigt, wird es allmählich Zeit daran zu denken, dass auch morgen wieder ein Tag anbricht, der goldene Wunder bereithält. Möge es niemals enden.
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Daniel Olsberg ist Kanadier mit schottischen Wurzeln und lebt seit 20 Jahren in Deutschland. Er betrachtet sich selbst als „Lebensmittelveredler“, da er leidenschaftlich gerne kocht.
Doch vor allem ist er Bierliebhaber und braut seit 1987 sein eigenes Bier.