Bordbuch: Horst-Dieter Ebert war für SAVOIR-VIVRE
auf der renovierten „Queen Mary 2”.
Die Nacht ist bereits hereingebrochen, als die „Queen Mary 2“ (QM2) zu unserer Kreuzfahrt zum Nordkap ausläuft, und doch stehen die Hamburger unverdrossen Spalier, zu tausenden, der Elbstrand vom Hafen bis Ovelgönne ist höchst belebt, und jeder scheint mit einer Kamera zu blitzen oder vielmehr mit seinem iPhone.
Das Schiff ist der Luxusliner schlechthin, „die Königin der Meere“, „eine Legende der See“. Die Hamburger insbesondere vergöttern sie: Bei ihrer Premiere hier kam eine Million Bewunderer, und selbst nach über drei Dutzend Einläufen sind die Elbufer immer noch vollbesetzt. Es gibt Feuerwerk, und die Restaurants am Fluss lassen „Britannia Rule the Waves“ ertönen; das Louis C. Jacobs veranstaltet jedes Mal eine Party und feuert auf seiner berühmten Lindenterrasse eine Kanone ab.
Das Schiff legt Wert darauf, ein „Ocean Liner“ zu sein; so einer ist schnittiger und kostet rund 40 Prozent mehr als ein Kreuzfahrer, kann dafür mindestens doppelt so schnell fahren, denn er ist konstruiert, um über den Atlantik zu rauschen statt von einer Insel zur anderen zu bummeln. Obwohl die QM2 auch diesen Job macht: Ein knappes halbes Jahr fährt sie die Transatlantik-Tour von Southhampton (mitunter auch von Hamburg) nach New York, ein gutes halbes Jahr fährt sie gemütlich Kreuz, einmal auch um die Welt.
Nach alter Tradition bietet sie ihren Passagieren zwei Klassen (die dritte für den armen Zwischendeck-Auswanderer gibt es nicht mehr): die Britannia-Class ist so etwas wie die Business-Class in der Luft. Die First nennt man nicht First, sondern umschreibt sie dezent. So stoppt man immer wieder mal vor einem Schild, das sagt: „Reserved for Queens Grill and Princess Grill Guests!“ Das sind die Bewohner der teuren Suiten, die ihre eigenen exklusiven Restaurants, Lounges und achtern sogar ein eigenes Sonnendeck besitzen.
Und im letzten Jahr hat die Reederei noch mal 120 Millionen Euro in die Hand genommen, um das nunmehr dreizehn Jahre alte Schiff gründlich aufzupolieren und auf neuzeitlichen Luxus-Standard zu bringen. So wurden alle Kabinen neu designt und elektronisch aufgerüstet. Auf Deck 13 entstanden neue Balkonkabinen für 70 weitere Passagiere (jetzt 2592), es wurden insgesamt rund 45.000 Quadratmeter Teppich verlegt (würden für mehrere Fußballfelder reichen), es kamen über 6000 neue Möbelstücke und 4000 neue Bilder an Bord.
Und natürlich wurde eine Menge Geld in die Restaurants und Bars gesteckt, traditionell ein besonderer Stolz der QM2. Das Schiff bietet acht Restaurants an Bord (darunter „das größte auf See“), 14 Bars und Clubs, zum Teil auch mit Speisenangebot, ein Theater mit mehr als 1000 Plätzen, den größten Weinkeller, die größte Bibliothek auf See sowie ein Planetarium, das einzige auf See (in dem man freilich nur Filme sehen kann, nicht aber die Sterne).
Flambieren in der first class
Das Haupt-Restaurant „Britannia“ besitzt als einziges eine gute Portion Old-World-Pathos, etwas Art déco und auch einen kräftigen Hauch Las Vegas: riesig, mit Säulen und einem gewaltigen Schiffsbild an der Stirnwand. Es ist mit fast 1300 Plätzen jenes „größte auf See“und wirkt durchaus pompös und nostalgisch: eine große Essenskathedrale über zwei Etagen, darüber ein gewaltiges Glasdach; geschwungene Freitreppen verbinden die Ebenen, die ihrerseits noch einmal theatralisch terrassiert sind.
Hier werden allabendlich in zwei Sitzungen über 2000 Mahlzeiten serviert, und dabei – das ist der Stolz der Cunard-Küche – alles à la minute. Das kann in dieser Größenordnung kein aufregendes Gourmet-Erlebnis sein, ist jedoch höchst respektabel.
Die Suitengesellschaft der ersten Klasse dinniert auf Deck 7 im „Princess Grill“ (an Backbord) oder, noch feiner, im „Queens Grill“ (an Steuerbord). Beide sind stilistisch das Gegenteil des „Britannia“: eher große Wohnzimmer, doch neuerdings in einem frischeren Design und helleren Farben. Es gibt mehr Zweiertische und größere Abstände zwischen den Tischen, sie haben nicht mehr als 200 Plätze, die Deckenhöhe einer Hamburger Altbauwohnung ist um einiges größer.
Das Understatement in der Einrichtung wird effektvoll kontrastiert durch feinstes Porzellan (Wedgwood) und Silber (Gainsborough) auf den sorgfältig gedeckten Tischen. Direkt beim Gast wird hier noch flambiert und filettiert, tranchiert und vorgelegt; so vier bis fünf Mitarbeiter betreuen den Gast auf das liebenswerteste bzw. mit weiblichem Charme.
Texmex am Königshof
Auf der Karte dominieren die Klassiker, zwischen Dover Sole und Surf ‘n‘ Turf, aller in sehr präziser Zubereitung, hier kommt ein Filet (übrigens aus einer organischen englischen Spezialzüchtung) noch wirklich medium-rare auf den Tisch; die Gemüse sind in großer Auswahl vorhanden (und bissfest). Der Wein„keller“, zusammengestellt von der britischen Autorität Michael Broadbent, enthält durchaus Raritäten – und zu überraschend vorteilhaften Preisen, so schwor mir jedenfalls der deutsche Master-Sommelier Hendrik Thoma.
Mein Lieblingsrestaurant an Bord trägt jetzt den Namen „The Verandah“ (ehemals „Todd English“) in Erinnerung an den historischen „Verandah-Grill“ auf der ersten „Queen Mary“ in den dreißiger Jahren. Das Restaurant prunkt in Rot- und Goldtönen sehr viel prächtiger als die aristokratischen First-Class-Lokale. Es verströmt erkennbar Gourmettempel-Stimmung und lässt eine traditionelle französische Feinschmecker-Küche servieren, fabelhaft abgeschmeckt und phantasievoll gewürzt – die „Ahs“ und „Ohs“ der Gäste nehmen kein Ende.
Dann gibt es noch das sonderbare Halbwegs-Buffetrestaurant „Kings Court“: Hier wurden die Buffetinseln offener designt und die Sitzbereiche neu strukturiert. Es ist erkennbar ein Upgrading: Getränke werden serviert und in einigen Bereichen auch die Speisen. Am Abend dann verwandelt sich des Königs Hof in mehrere kleine Spezialitätenrestaurants, italienisch, panasiatisch, indisch und Texmex und in eine Art Demonstrationsküche, in der einem vorgekocht wird, was man dann essen kann („Chef‘s Galley“).
Es gibt einen hübschen Italiener (der eigentlich ein freundlicher Philippinerist), einen Indonesier („Bamboo“), der in seiner Küche den gesamten Fernen Osten aufkocht, und auch was sehr Britisches: Für den klassischen englischen Geschmack sorgt dann „The Carvery“. Das war früher ein Ort, an dem „gekochtes Fleisch ausgestellt und in Front des Gastes aufgeschnitten wurde“. So geht es heute da nicht mehr zu. Doch die Gerichte klingen wie aus einem Roman von Charles Dickens: „Golden Fried Hen‘s Egg in Bread Crust with Sea Salt“ usw. Es schmeckt exotisch und interessant.
Was es indessen nicht gibt, was erfahrene Kreuzfahrer stets überrascht und auch enttäuscht, sind jene Open-Air-Restaurants, die ja für viele Schiffreisende zu einem richtigen Urlaub dazugehören. Hier gibt es nur das winzige „Boardwalk Café“ mit einem schmalen Fast-Food-Angebot. In der Tradition der Ocean Liner, noch dazu der britischen, hatte so etwas wie das beliebte „Dinner Under the Stars“ keinen Platz. Und doch lohnt es sich, die kulinarische Szene dieses einmaligen Schiffs einmal durchzukosten. Eine Woche reicht gerade aus.
Horst-Dieter Ebert
STECKBRIEF QUEEN MARY 2
Heimathafen: Bermuda
Indienststellung: 2004
Passagiere: 2592
Crew: 1250
Vermessung: 148.528
Länge: 345 m, Breite: 41 m, Tiefgang 9,9 m
Höchstgeschwindigkeit: 30 Knoten/55,6 Stundenkilometer
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Cunard Line
Am Sandtorkai 38, 20457 Hamburg
Tel. +49 (0) 40415330
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