Ernte­pro­gnose Italien: Fülle, die schmerzt: Italiens Winzer zwischen Rekord­ernte und Preis­druck

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 2 Minuten

Wenn Wein zum Überfluss wird

Rom, ein spätsom­mer­licher Morgen, und im ehrwür­digen Agrar­mi­nis­terium riecht es nach Aufbruch – und leiser Beklemmung. Am 10. September verkündete Italien seine Ernte­pro­gnose: 47,4 Millionen Hekto­liter. Ein Plus von acht Prozent gegenüber 2024, über den Fünfjah­res­mit­telwert nur um zwei Prozent hinaus – und doch ein Pauken­schlag. Italien bleibt Europas mengen­stärkstes Weinland, der Abstand zu Frank­reich (37,4 Mio. hl) und Spanien (36,8 Mio. hl) wächst merklich.

Die Zahlen wirken wie ein Triumph, wären da nicht die Gesetze des Marktes. „Wir stoßen auf einen quali­tativ hervor­ra­genden Jahrgang an, aber nicht auf die Mengen“, mahnt Lamberto Fresco­baldi, Präsident der Unione Italiana Vini. Hinter der poeti­schen Metapher vom „Akkor­de­on­system“, das sich je nach Bedarf weiten und schließen könne, steht nackte Sorge: Über 37 Millionen Hekto­liter lagern noch in den Kellern, das Preis­niveau wankt. Zu viel Wein entwertet selbst den Besten.

Vom Wetter verwöhnt, vom Markt gezähmt

Dabei glänzt der Jahrgang. Gesunde Trauben, aroma­tische Frische, stabile Wasser­re­serven aus einem feuchten Winter – der Norden darf sich auf elegante, langlebige Weine freuen, Mittel­italien auf ausge­wogene Profile, der Süden auf kraft­volle Rotweine. Die Lese begann mancherorts früh, zieht sich jedoch im Süden in die Länge.

Quanti­tativ treibt Süditalien das Land an die Spitze: plus 19 Prozent, Apulien allein meldet 17 Prozent Zuwachs auf neun Millionen Hekto­liter. Im Norden erholt sich die Lombardei (+15 %), das Friaul wächst um zehn, Trentino-Südtirol um neun Prozent. Mittel­italien dagegen schwä­chelt, vor allem die Toskana mit minus 13 Prozent nach einem üppigen Vorjahr. Unange­fochten führt Venetien das Ranking an – fast zwölf Millionen Hekto­liter, ein Viertel der Gesamt­pro­duktion.

Märkte unter Spannung

Der Weinmarkt indes zeigt Risse. Der ISMEA-Erzeu­ger­preis­index stieg 2024/25 um nur ein Prozent. Weiße Basis­weine legten leicht zu, DOC- und DOCG-Weine verloren, vor allem die Roten. Der Handel im eigenen Land lebt vom prickelnden Sekt, während die Still­weine an Nachfrage verlieren. Im Export stagnieren die Erlöse, die Mengen sinken um vier Prozent.

So ruht über der Rekordzahl ein Schatten. Im März 2026 wird die endgültige Bilanz vorliegen – vielleicht wieder nach oben korri­giert, wie schon 2024. Doch selbst wenn der Himmel Italiens Winzern hold bleibt, stellt sich die Frage: Was nützt der beste Jahrgang, wenn der Markt nicht mittrinkt?

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