Odessa, Marathon, Marfa, Fort Davis und vor allem – der Big-Ben-Nationalpark. Bei einer Reise durch Texas lohnt sich der Aufbruch gen Westen! Wer von der Küste rund um Corpus Christi oder den Trendstädten San Antonio oder Austin kommt, wird den Wandel der Vegetation schnell bemerken: Windräder, Kakteen und die Longhorns – jene hochsensiblen Überlebenskünstler Texas – leiten langsam in die ruppigere und struppigere, aber nicht minder schöne Gegend über.
„At Odessa we became Texans and proud of it“
Und wer wiederum direkt aus Deutschland den flächenmäßig üppigen und ewig weiten Westen erkunden will, reist über Dallas nach Midland-Odessa. Hier lohnt sich ein Stopp, denn gerade Odessa bietet tiefe Einblicke in die amerikanische Geschichte. Nennenswert ist jenes Haus, in dem George W. Bush einst seine Kindheit verbrachte. Unprätentiös wirkt das türkise kleine Gebäude, in dem die dreiköpfige Familie – George H. W. Bush mit seiner Frau Barbara und deren 2‑jähriger Sohn – lebte. Und doch atmet es den Geist des stolzen, republikanischen Texaners, wie das Schild vor dem Häuschen unverkennbar verdeutlicht. Direkt daneben befindet sich passenderweise das Presidential Museum & Leadership Library. Hier können Besucher allerlei liebevoll zusammengestellte Relikte aus den Regierungsjahren vergangener Präsidenten betrachten.
Das Tor zum Big-Bend-Nationalpark
Die Reise westwärts geht weiter nach Marathon – dem Tor zum Big-Bend-Nationalpark. Mittelpunkt des 500-Seelen-Ortes ist das liebevoll renovierte Gage Hotel, das einen Eindruck davon gibt, wie Hotels im Jahre 1927 hier ausgesehen haben müssen. Das Restaurant „12 Gage Hotel“ bietet authentisch texanische – sehr fleischlastige – Küche. Herausragend ist das Beef Tenderloin, das so zart und rosa ist, dass man es mit der Gabel zerteilen kann. Dazu eine Jalapeño-Margarita namens „Spicy Cowgirl“. Spätestens jetzt ist man in Texas angekommen. Zu viele Spicy Cowgirls sollte man sich am Abend aber nicht gönnen. Denn die Tage in Texas beginnen früh, wenn man viel erleben will. Die Wege sind nämlich lang, der Westen weit.
Unentdeckte Schönheit
Wenn es ein Aschenputtel unter den US-amerikanischen Nationalparks gibt, dann ist es der Big-Bend-Nationalpark an der großen Biegung des Rio Grande – vollkommen zu Unrecht. Er ist ein echter Geheimtipp und herrlich untouristisch. Der gigantische, rund 3200 Quadratkilometer große Landschaftsbrocken vereint drei unterschiedliche Parks: Das grüne Zentralmassiv der Chisos Mountains, die karge Chihuahua-Wüste im Süden und den 190 Kilometer langen Rio Grande mit seiner oasenhaften Vegetation. Eine Dreiviertelstunde nach dem Verlassen von Marathon, verschafft sich der Big-Bend-Nationalpark erst einmal Respekt. Spektakulär sind die Eindrücke von den bizarren Kakteen und den Felsmassiven der Sierra del Carmen oberhalb des Boquilla Canyon im Osten.
Direkt am Morgen lohnt sich ein Ausflug zu den Hot Springs. Jawohl, im Big-Bend-Nationalpark kann man baden gehen. Die 41 Grad heißen Quellen liegen direkt am Rio Grande und dienten um 1909 herum als Health Spa. Das ehemalige Motel oder das Post Office sind noch heute als Ruinen zu besichtigen.
Ein idealer Weg, um die reiche Pflanzen- und Tiervielfalt der Chisos Mountains kennenzulernen, ist der einfache Lost Mine Trail. Der Weg startet auf einer Höhe von rund 1700 Metern und steigt kontinuierlich an bis zur Spitze auf 2100 Metern, von wo aus man Pine und Juniper Canyon bewundern und dem Wind lauschen kann.
Eindrucksvoll ist auch inmitten der Chihuahua-Wüste der Balanced Rock – eine Steinformation, die nach einem halbstündigen Weg durch die Wüste erreicht wird. Von hier aus richtet sich der Blick über den orange-glühenden Teil des Big-Bend-Nationalparks. An einem Tag ist all das kaum zu schaffen. Zwei Tage sollte man mindestens für die Tour durch den Nationalpark einrechnen. Das kleine Örtchen Study Butte eignet sich perfekt für eine Übernachtung. Elegant geht es beispielsweise im Lajitas Golf Resort & Spa zu. Hier lebt der Traum vom Old West als Luxus-Oase – zwischen „Cowboy chic“ und „Victorian charm“.
Freiheitsliebende Aussteiger
In Study Butte wohnt das authentische West-Texas. An der großen Straße werden in kleinen mexikanischen Schuppen Spezialitäten des Nachbarlands serviert. Man sitzt auf Holzbänken und wird von schüchternen Angestellten bedient. Ebenso wunderbar und kurios zugleich ist das nur wenige Meilen entfernte Terlingua: Die einzigartige und fast schon heilige Atmosphäre der wiederbelebten Geisterstadt ist unverwechselbar. Hier lebten einst Hippies, heute sind es Aussteiger und Teilzeit-Jobber, die einem höheren Lebensstandard bewusst ausweichen – und ihr Leben, ganz unrepublikanisch, so leben, wie es ihnen passt.
Doch gerade im November ist Terlingua alles andere als ausgestorben: Zum internationalen Chili Championship, genannt „Chili Cook-off“, treten Liebhaber des herzhaften Gerichts unglaublich weite Wege an, um ihr Können am Kochtopf unter Beweis zu stellen. An zwei Tagen geht es dann in Terlingua rough & tough zu – mit der Beschaulichkeit hat es ein Ende. Und doch: Wer die Chance hat, seinen Löffel in einen der brodelnden Töpfe zu tunken, wird eine kulinarische Offenbarung erleben: In Texas kocht man Chili ohne Bohnen („no beans, just meat“). Und mit dem hiesigen, eher laschen Chili Con Carne hat das sagenhaft aromatische Gericht dort drüben im Westen nichts zu tun!
Kostproben
Auf nach Marfa!
Dem Ruf der Berge folgt nun der Ruf der Kultur: West-Texas ist nämlich eine Gegend der Kontraste. Marfa ist das erklärte Ziel. Wer kann, sollte vorab noch einen Abstecher nach Fort Davis unternehmen. Hier findet man ein eindrucksvolles Stück amerikanischer Geschichte: Das historische Festungswerk, das umgeben von stolzen Bergformationen ist, wurde 1854 zum Schutz des Ortes und der nach Westen ziehenden Siedler und Goldsucher errichtet. Heute können Touristen Fort Davis und das dazugehörige Städtchen besuchen und ins texanische 19. Jahrhundert eintauchen. Eine hübsche Unterkunft ist das Hotel Limpia, das mit Veranda, Schaukelstühlen und einem ausgezeichneten Steak-Haus aufwartet. Ebenfalls ein Highlight, etwas westlich von Fort Davis, ist das McDonald Observatory: Bei sternenklarer Nacht bewundern Besucher unsere Gestirne von der anderen Seite der Welt aus.
Nun aber geht es nach Marfa. Der Luftkurort liegt auf 1500 Metern Höhe, bietet also ein milderes Klima und ist die Kunst-Oase in West-Texas. Der 1994 verstorbene Maler und Bildhauer Donald Judd rief hier, in der gottverlassenen Wildnis, die Chinati Foundation ins Leben. Fernab vom oftmals blasierten Kunstbetrieb gibt es hier zeitgenössische Werke zu sehen – und zwar in einer bizarren Kulisse: Die ehemaligen Gefängnisse deutscher Kriegsgefangener aus dem Zweiten Weltkrieg dienen vornehmlich als Ausstellungsräumen. Elegant wohnt es sich wiederum im Hotel Paisano: Als 1955 der Film „Die Giganten“ in der Nähe von Marfa gedreht wurde, wohnte hier die Filmcrew rund um James Dean und Liz Taylor. Es mag kaum verwundern, dass Marfa mit seiner hippen Art-Szene mittlerweile Zentrum für Kunstbegeisterte aus aller Welt ist. Und so bricht West-Texas in vielerlei Hinsichten mit seinen vorherrschenden Klischees.
Friederike Hintze
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