AVOCADO: beliebte und delikate Frucht vom Baum

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 5 Minuten

Grün und hart, so wird sie gepflückt und liegt sie meist auch in den Regalen des Handels: die Avocado. Das ist kein Fehler, das ist ihre eigen­willige Natur. Die Stein­früchte reifen nämlich nicht am Baum, sondern erst nach der Ernte und am besten bei Zimmer­tem­pe­ratur langsam für sich hin, idealer­weise in Papier einge­wi­ckelt – und forciert, wenn daneben Äpfel liegen, deren Ethylengas den Reife­prozeß beschleunigt. Sobald die Frucht auf sanften Finger­druck elastisch nachgibt, hat sie ihre Vollkom­menheit erreicht. Weich, aber weder matschig gewordene noch innen schwärzlich angelaufene Avocados halten sich bei kühler Lagerung mehrere Tage (püriert und mit Zitro­nensaft beträufelt lassen sie sich auch gut einfrieren). Das Warten lohnt sich, denn unter der Schale steckt ein elfen­bein­far­benes Fleisch von milder, leicht nussig angetönter Cremigkeit, mit dem sich kulina­risch viel anstellen läßt.

Notorische Diätapostel meiden sie zwar wegen ihres hohen Fettge­halts so um die 25 bis 30 Prozent, was einem Kalorien­gehalt von guten 160 pro 100 Gramm entspricht. Aber bitte, das Öl der Avocado ähnelt dem der Olive und darüber hinaus bietet die Exotin bei wenig Zucker viele Vitamine der B‑Gruppe sowie E, reichlich Kalium, einiges an Magnesium und Eisen sowie jede Menge einfach ungesät­tigte Fettsäuren. Das macht sie zu einer wahren Natur­apo­theke. Avocados senken den Blutdruck, stärken Herz und Kreislauf, helfen bei der Streß­abwehr und kräftigen die Muskel. Solche Talente erfreuen den Feinschmecker, doch größere Bedeutung genießt bei ihm der Wert der Avocado bei Tisch.

Pur, nur gewürzt mit einigen Tropfen Zitrone, etwas Salz und vielleicht einem Hauch von Olivenöl, ist die Avocado im Handum­drehen eine köstliche Speise. Sobald der starke Kern entfernt ist, erhält man zwei ovale Hälften, die sich schüs­sel­artig mit Salaten, jeder Art von Meeres­früchten à la Krabben, Hummer und Muscheln, mit Gemüse, Eiern, Fleisch­ra­gouts, Fisch und vielem mehr füllen lassen. Salate von Geflügel, Obst und Gemüse werden durch Avoca­do­schnitze köstlich angerei­chert. Püriertes Avoca­do­f­leisch verleiht kalten wie warmen Saucen und Suppen eine besondere Sämigkeit; zu beachten ist aller­dings, dass die Frucht weder zu hoch noch über längere Zeit erhitzt werden darf, weil sie sonst bitter wird – 50 Grad gelten als oberes Limit.

Für den harten Kern gibt es das passende Werkzeug

 

Klein gehacktes oder zersto­ßenes Frucht­fleisch ergibt mit Zitro­nensaft, Olivenöl, Salz, Pfeffer und nach Belieben auch mit gemah­lenen Chili­schoten sowie bestem Weinessig eine feine Salat­sauce von cremiger Dichte – Zitrone sowie Essig verlang­samen zudem die Bräunung der Avocado. Asiatische Köche legen das Fleisch auch süßlich an, zusammen mit Milch und Zucker entsteht ein erfri­schendes Getränk. Spaghetti mit Avocado: Man dünste klein gehackten Knoblauch und Schalotten in einer Mischung aus Butter und Olivenöl (sinnig wäre auch Avocadoöl!) an, füge etwas Peter­silie hinzu, ziehe die Pfanne vom Feuer, gebe zwei würfelig geschnittene Avocados dazu, würze mit Salz, vermenge alles mit den al dente gekochten Nudeln und serviere mit frisch gemah­lenem Parmesan sowie schwarzem Pfeffer.

Avocado als Vorspeise

Raffi­niert schmeckt folgende Vorspeise: Die geschälten Avocado-Hälften in Scheiben von je einem halben Zenti­meter schneiden und kreis­förmig wie Schuppen auf den Teller legen. Darüber wird eine Vinai­grette geträufelt, gemixt aus einer Messer­spitze Honig (aufgelöst in etwas heißem Wasser), einem Eßlöffel Sherry­essig, zwei Eßlöffel feinstem Nußöl und einem Eßlöffel Rinds– oder Geflü­gel­bouillon, gewürzt mit Salz, einer Spur frisch gemah­lenem Koriander plus einer fein geschnit­tenen Frühlings­zwiebel sowie etwas Schnitt­lauch. „Und wenn Sie Lust auf Meer haben“, empfahl Elfie Casty, die Schöp­ferin dieser Rezeptur, „sind Langus­tinen eine überaus harmo­nische Begleitung.“ Eine gute Liaison gehen auch Reis und Avocado ein, gipfelnd in einem Risotto: Frühlings­zwiebel inklusive dem zarten Grün anschwitzen, Rundkornreis dazu geben, leicht anbraten lassen, danach Gemüse­brühe aufgießen, bis der Reis sich gesättigt hat – und nun erfolgt die Kür: im Mixer zerklei­nerte, mit Crème fraiche und etwas Zitro­nensaft verfei­nerte Avocado einrühren, mit Salz, Pfeffer und eventuell etwas gerie­benem Parmesan abschmecken.

Eine gute Partner­schaft ergibt sich zwischen Avocado und Grape­fruit, beispiels­weise als Salat mit Endivie und einer Vinai­grette aus Sherry­essig, Schalotten, Orangen- und Zitro­nensaft sowie Olivenöl. Eine pracht­volle Sauce zu Fleisch, ob Rind oder Geflügel, Fisch und Meeres­früchten vom Grill ist die Mischung aus Joghurt mit ein wenig Mayon­naise, Zitro­nensaft, gehacktem Dill, Salz, schwarzem Pfeffer und – als Krönung – grob geschnit­tenen Avoca­do­filets. Ergänzen läßt sich diese an sich schon delikate Mixtur respektvoll mit etwas Knoblauch sowie einem Schuß Weißwein und, falls mehr Schärfe gewünscht wird, durch gemah­lenen Chili und eine klein gehackte rote Zwiebel. Dazu paßt Baguette.

Längst zum globalen Klassiker avanciert ist die Guacamole, die je nach persön­lichem Geschmack pikant bis scharf gewürzte Creme der Avocado. Zutaten: 2 reife Avocados, eine Zitrone oder Limette, 1 kleine Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 1 Tomate, 1 kleine entkernte Chili­schote, frischer Koriander und Peter­silie, Meersalz, schwarzer Pfeffer. Das Frucht­fleisch wird mit dem Zitro­nensaft musig zerdrückt, mit den übrigen, klein gehackten Zutaten innig vermengt und mit Salz sowie dem frisch gemah­lenem Pfeffer abgeschmeckt. Es gibt auch Rezepte mit Salat­gurke Joghurt und weiteren Zutaten. Die Guacamole schmeckt vorzüglich zu gebra­tenen Garnelen, ist aber auch ein leckerer Dip für Kräcker, Gemüse, kalten Braten und Fisch, ob gebraten, gedünstet oder gegrillt.

Das nieder­län­dische Start up SABOR VERDE revolu­tio­niert den Konsum der Wunder­frucht mit verzehr­fer­tigen Frische-Packs, die pures, gereiftes Frucht­fleisch enthalten.

Im Hochland von Mexiko ist die Avocado Grund­nah­rungs­mittel

Das Ursprungsland der Avocado ist das Hochland von Mexiko, wo sie bis heute – wie Mais und rote Bohnen – als Grund­nah­rungs­mittel bei keiner Mahlzeit fehlt. Laut Waverly Roots „Enzyklo­pädie alles Eßbaren“ hat der Spanier Martin Fernàndez de Enciso 1519 in seiner „Suma de geografia“ als erster Europäer die „Butter des Waldes“ erwähnt. Die Spanier brachten die Frucht in die Karibik und nach Europa. Heute wird die Avocado praktisch weltweit überall dort angebaut, wo sie von der Sonne ähnlich verwöhnt wird wie im Reich der Azteken. Mexiko produ­ziert nach wie vor die meisten Früchte, gefolgt von Kalifornien, Südspanien, Israel und Südafrika.

Von den rund 400 Arten erreichen den deutschen Markt in der Regel bloß drei bis vier Sorten. Kenner bevor­zugen die „Hass“. Die ist schwarzgrün bis dunkel­violett gefärbt, eierförmig gebaut mit runze­liger, leder­artig genoppter Haut und bietet trotz ihres unschönen Namens das feinste Nuß-Aroma; den Namen hat sie von Rudolph Hass, der den Baum in den 1930ern in seinem kalifor­ni­schen Garten entdeckt hatte. Sie schmeckt inten­siver als die weit besser bekannte, glatte, birnen­förmige „Fuerte“ mit der dünnen Schale in kräftigem Grün. Neue Züchtungen heißen „Lamb Hass“ und „Gwen“. Seltener sind Sorten wie die längliche „Pinkerton“, die große, neutral schme­ckende „Esther“, die an Anis erinnernde „Whitsell“, die kugel­förmige „Reed“ und die ertrags­starke „Bacon“; die werden wie die „Fuerte“ pauschal als „Greenskins“ bezeichnet. In Deutschland gewinnt die Avocado-zunehmend Liebhaber, doch während hierzu­lande die „Fuerte“ klar dominiert, bevor­zugen die lecker­mäu­ligen Franzosen die „Hass“.

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