Grün und hart, so wird sie gepflückt und liegt sie meist auch in den Regalen des Handels: die Avocado. Das ist kein Fehler, das ist ihre eigenwillige Natur. Die Steinfrüchte reifen nämlich nicht am Baum, sondern erst nach der Ernte und am besten bei Zimmertemperatur langsam für sich hin, idealerweise in Papier eingewickelt – und forciert, wenn daneben Äpfel liegen, deren Ethylengas den Reifeprozeß beschleunigt. Sobald die Frucht auf sanften Fingerdruck elastisch nachgibt, hat sie ihre Vollkommenheit erreicht. Weich, aber weder matschig gewordene noch innen schwärzlich angelaufene Avocados halten sich bei kühler Lagerung mehrere Tage (püriert und mit Zitronensaft beträufelt lassen sie sich auch gut einfrieren). Das Warten lohnt sich, denn unter der Schale steckt ein elfenbeinfarbenes Fleisch von milder, leicht nussig angetönter Cremigkeit, mit dem sich kulinarisch viel anstellen läßt.
Notorische Diätapostel meiden sie zwar wegen ihres hohen Fettgehalts so um die 25 bis 30 Prozent, was einem Kaloriengehalt von guten 160 pro 100 Gramm entspricht. Aber bitte, das Öl der Avocado ähnelt dem der Olive und darüber hinaus bietet die Exotin bei wenig Zucker viele Vitamine der B‑Gruppe sowie E, reichlich Kalium, einiges an Magnesium und Eisen sowie jede Menge einfach ungesättigte Fettsäuren. Das macht sie zu einer wahren Naturapotheke. Avocados senken den Blutdruck, stärken Herz und Kreislauf, helfen bei der Streßabwehr und kräftigen die Muskel. Solche Talente erfreuen den Feinschmecker, doch größere Bedeutung genießt bei ihm der Wert der Avocado bei Tisch.
Pur, nur gewürzt mit einigen Tropfen Zitrone, etwas Salz und vielleicht einem Hauch von Olivenöl, ist die Avocado im Handumdrehen eine köstliche Speise. Sobald der starke Kern entfernt ist, erhält man zwei ovale Hälften, die sich schüsselartig mit Salaten, jeder Art von Meeresfrüchten à la Krabben, Hummer und Muscheln, mit Gemüse, Eiern, Fleischragouts, Fisch und vielem mehr füllen lassen. Salate von Geflügel, Obst und Gemüse werden durch Avocadoschnitze köstlich angereichert. Püriertes Avocadofleisch verleiht kalten wie warmen Saucen und Suppen eine besondere Sämigkeit; zu beachten ist allerdings, dass die Frucht weder zu hoch noch über längere Zeit erhitzt werden darf, weil sie sonst bitter wird – 50 Grad gelten als oberes Limit.

Für den harten Kern gibt es das passende Werkzeug
Klein gehacktes oder zerstoßenes Fruchtfleisch ergibt mit Zitronensaft, Olivenöl, Salz, Pfeffer und nach Belieben auch mit gemahlenen Chilischoten sowie bestem Weinessig eine feine Salatsauce von cremiger Dichte – Zitrone sowie Essig verlangsamen zudem die Bräunung der Avocado. Asiatische Köche legen das Fleisch auch süßlich an, zusammen mit Milch und Zucker entsteht ein erfrischendes Getränk. Spaghetti mit Avocado: Man dünste klein gehackten Knoblauch und Schalotten in einer Mischung aus Butter und Olivenöl (sinnig wäre auch Avocadoöl!) an, füge etwas Petersilie hinzu, ziehe die Pfanne vom Feuer, gebe zwei würfelig geschnittene Avocados dazu, würze mit Salz, vermenge alles mit den al dente gekochten Nudeln und serviere mit frisch gemahlenem Parmesan sowie schwarzem Pfeffer.
Avocado als Vorspeise
Raffiniert schmeckt folgende Vorspeise: Die geschälten Avocado-Hälften in Scheiben von je einem halben Zentimeter schneiden und kreisförmig wie Schuppen auf den Teller legen. Darüber wird eine Vinaigrette geträufelt, gemixt aus einer Messerspitze Honig (aufgelöst in etwas heißem Wasser), einem Eßlöffel Sherryessig, zwei Eßlöffel feinstem Nußöl und einem Eßlöffel Rinds– oder Geflügelbouillon, gewürzt mit Salz, einer Spur frisch gemahlenem Koriander plus einer fein geschnittenen Frühlingszwiebel sowie etwas Schnittlauch. „Und wenn Sie Lust auf Meer haben“, empfahl Elfie Casty, die Schöpferin dieser Rezeptur, „sind Langustinen eine überaus harmonische Begleitung.“ Eine gute Liaison gehen auch Reis und Avocado ein, gipfelnd in einem Risotto: Frühlingszwiebel inklusive dem zarten Grün anschwitzen, Rundkornreis dazu geben, leicht anbraten lassen, danach Gemüsebrühe aufgießen, bis der Reis sich gesättigt hat – und nun erfolgt die Kür: im Mixer zerkleinerte, mit Crème fraiche und etwas Zitronensaft verfeinerte Avocado einrühren, mit Salz, Pfeffer und eventuell etwas geriebenem Parmesan abschmecken.
Eine gute Partnerschaft ergibt sich zwischen Avocado und Grapefruit, beispielsweise als Salat mit Endivie und einer Vinaigrette aus Sherryessig, Schalotten, Orangen- und Zitronensaft sowie Olivenöl. Eine prachtvolle Sauce zu Fleisch, ob Rind oder Geflügel, Fisch und Meeresfrüchten vom Grill ist die Mischung aus Joghurt mit ein wenig Mayonnaise, Zitronensaft, gehacktem Dill, Salz, schwarzem Pfeffer und – als Krönung – grob geschnittenen Avocadofilets. Ergänzen läßt sich diese an sich schon delikate Mixtur respektvoll mit etwas Knoblauch sowie einem Schuß Weißwein und, falls mehr Schärfe gewünscht wird, durch gemahlenen Chili und eine klein gehackte rote Zwiebel. Dazu paßt Baguette.
Längst zum globalen Klassiker avanciert ist die Guacamole, die je nach persönlichem Geschmack pikant bis scharf gewürzte Creme der Avocado. Zutaten: 2 reife Avocados, eine Zitrone oder Limette, 1 kleine Zwiebel, 1 Knoblauchzehe, 1 Tomate, 1 kleine entkernte Chilischote, frischer Koriander und Petersilie, Meersalz, schwarzer Pfeffer. Das Fruchtfleisch wird mit dem Zitronensaft musig zerdrückt, mit den übrigen, klein gehackten Zutaten innig vermengt und mit Salz sowie dem frisch gemahlenem Pfeffer abgeschmeckt. Es gibt auch Rezepte mit Salatgurke Joghurt und weiteren Zutaten. Die Guacamole schmeckt vorzüglich zu gebratenen Garnelen, ist aber auch ein leckerer Dip für Kräcker, Gemüse, kalten Braten und Fisch, ob gebraten, gedünstet oder gegrillt.

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Im Hochland von Mexiko ist die Avocado Grundnahrungsmittel
Das Ursprungsland der Avocado ist das Hochland von Mexiko, wo sie bis heute – wie Mais und rote Bohnen – als Grundnahrungsmittel bei keiner Mahlzeit fehlt. Laut Waverly Roots „Enzyklopädie alles Eßbaren“ hat der Spanier Martin Fernàndez de Enciso 1519 in seiner „Suma de geografia“ als erster Europäer die „Butter des Waldes“ erwähnt. Die Spanier brachten die Frucht in die Karibik und nach Europa. Heute wird die Avocado praktisch weltweit überall dort angebaut, wo sie von der Sonne ähnlich verwöhnt wird wie im Reich der Azteken. Mexiko produziert nach wie vor die meisten Früchte, gefolgt von Kalifornien, Südspanien, Israel und Südafrika.
Von den rund 400 Arten erreichen den deutschen Markt in der Regel bloß drei bis vier Sorten. Kenner bevorzugen die „Hass“. Die ist schwarzgrün bis dunkelviolett gefärbt, eierförmig gebaut mit runzeliger, lederartig genoppter Haut und bietet trotz ihres unschönen Namens das feinste Nuß-Aroma; den Namen hat sie von Rudolph Hass, der den Baum in den 1930ern in seinem kalifornischen Garten entdeckt hatte. Sie schmeckt intensiver als die weit besser bekannte, glatte, birnenförmige „Fuerte“ mit der dünnen Schale in kräftigem Grün. Neue Züchtungen heißen „Lamb Hass“ und „Gwen“. Seltener sind Sorten wie die längliche „Pinkerton“, die große, neutral schmeckende „Esther“, die an Anis erinnernde „Whitsell“, die kugelförmige „Reed“ und die ertragsstarke „Bacon“; die werden wie die „Fuerte“ pauschal als „Greenskins“ bezeichnet. In Deutschland gewinnt die Avocado-zunehmend Liebhaber, doch während hierzulande die „Fuerte“ klar dominiert, bevorzugen die leckermäuligen Franzosen die „Hass“.