Galt der Harz, Deutschlands nördlichstes Mittelgebirge, lange Zeit als kulinarische Diaspora, so ist in jüngerer Vergangenheit durchaus von einer Aufbruchsstimmung zu berichten. Vor allem im sachsen-anhaltinischen Teil des Harzes schicken sich Spitzenköche an, die Region dauerhaft als feine Genussadresse zu etablieren. Das mit fünf Sternen klassifizierte Hotel „Zu den Rothen Forellen“ im Luftkurort Ilsenburg am Fuße des Brockens zählt nicht nur für unser Magazin seit vielen Jahren zu den besten und verlässlichen kulinarischen Adressen Sachsen-Anhalts. Für mehrere Jahre war das Gourmet-Restaurant „Forellenstube“ lukullischer Vorreiter und mit dem begehrten Michelin-Stern dekoriert. Kochgrößen wie René Bobzin, Axel Kammerl und Thomas Barth hatten die Auszeichnung für das seit 2010 zur Kollektion der „Privathotels Dr. Lohbeck“ (16 Privathotels in Deutschland, Österreich und den USA) gehörende Ostharzer Luxushotel erkocht und verteidigt.
Nun startet seit Sommer 2017 ein neuer Küchenchef durch, es seinen hoch dekorierten Vorgängern im Landidyll am Forellensee gleichzutun: Arne Aurelius Linke. Der 32-jährige Hamburger bringt jede Menge Sterneerfahrung und vor allem eine enorme Leidenschaft und Talent mit, um das erklärte Ziel möglichst bald zu erreichen. Seine bisherigen Stationen führten ihn zu Sternekoch Christian Rach ins „Tafelhaus“ und zu Fritz Schilling in „Die Bank“ nach Hamburg. Er kochte an der Seite von Sternekoch Robert Stolz (heute Vier Jahreszeiten Hamburg) in Plön und gemeinsam mit Sternekoch Jens Rittmeyer (heute im Hotel Navigare in Buxtehude) im Restaurant „Sao Gabriel“ an der Algarve sowie als Chef Gardemanager mit Zweisternekoch Matthias Diether im „Töpferhaus“ und als Souschef im schweizerischen haubengekrönten „Lenkerhof“. Das noble Fünf-Sterne-Landhotel am Forellensee wird vom österreichischen Direktor Valentin Fillafer seit Jahren vorbildlich und mit ganz viel Charme und Charisma geführt. Hier logierten Stars wie George Clooney und Matt Damon und ließen sich von dem zauberhaft romantischen Flair begeistern. 76 feine Zimmer und Suiten, dazu ein erstklassiger „Forellen-Spa“ mit Indoorpool und großzügiger Saunalandschaft sind von ausgesuchter Qualität, auch was die Verwöhnofferten anbelangt.
Linkes fulminantes Stubenmenü
Die Leuchtturmfunktion für die Hotellerie im Bundesland Sachsen-Anhalt ist in Fachkreisen unumstritten und nun haben die Verantwortlichen mit der Verpflichtung von Arne Aurelius Linke einen echten Glücksgriff gelandet. Während sich der hochverdiente Küchendirektor Thomas Barth um die Gesamtbelange im schmucken Landhaus-Restaurant kümmert, widmet sich Linke in der nur mit vier Tischen ausgestatteten Forellenstube an vier Abenden in der Woche der „Grande Cuisine“. Die Genießer dürfen sich auf eine hoch aromatische Produktküche mit einem feinen Gespür für elegante und stimmige Geschmacksbilder freuen. Die Saucen und Fonds sind von einer hinreißend komplexen Aromenfülle. Linke zur Seite steht mit Maître Marcel Schmidt ein versierter Weinfachmann (zuvor u. a. bei Johann Lafer auf der Stromburg tätig), der profund aus der mit rund 180 Positionen bestückten Weinkarte berät.
Wir probierten das folgende Stubenmenü und sind sicher, dass Arne Aurelius Linke die kulinarische Landkarte im Harz nicht nur bereichern, sondern ganz maßgeblich prägen wird. Das von ihm selbst und der Direktion ausgegebene Nahziel ist die Rückeroberung des Michelin-Sterns im Jahr 2018/19. SAVOIR-VIVRE macht den Anfang und erlaubt sich, ob der souveränen lukullischen Exzellenz die Höchstbenotung der drei Sonnen in der Kategorie „Ländlich-fein“ auszusprechen.
Bereits mit dem Apéro, bestehend aus „Rote-Bete-Macaron mit Crème fraîche von Rote Bete und geräuchertem Heringskaviar und zweierlei Esspapier“ demonstrierte Linke sein großes Kochtalent. Die hernach gereichten Amuses-Bouches waren schlicht superb und von einer meisterhaften Aromatik. Zunächst brillierte Linke mit „Wachsei und Spinatcreme, Kartoffelschaum und Périgordtrüffel“ und anschließend mit „Krustentiergewürzschaumsüppchen, Salzzitrone, gepoppter Reis, blauer Hummer und Erbsenkresse“. Auch die dann aufgetragene gebeizte Bernsteinmakrele (Hamachi) mit den Komponenten Avocado, Gurke und Ponzu war herausragend und bot in Texturen und Techniken ein subtiles Zusammenspiel stimmiger Geschmacksnuancen. Zum Zungeschnalzen notierten wir das „Kalbsbries mit Champignon (Espuma), roh mariniertem Wirsing, Schnittlauch und piemontesischer Haselnuss“. Erstklassige Produktqualität und ein Höchstmaß an kreativer Zubereitung attestieren wir dem „Island-Kabeljau“, der von frittierten Calamaretti, Variationen vom Kürbis und einer feinst ausbalancierten Tom Kha Gai (thailändische Hühnersuppe mit Kokos) eskortiert war. Einen erfrischenden Zwischenhalt auf der fulminanten Genussreise bot das „Yuzu-Granité“ mit Sake, Passionsfrucht und Vanille. Perfekt zubereitet war der „Salzwiesenlammrücken“ mit schwarzem Knoblauch, Tabouleh und Spitzpaprika. Erstklassig war die Käseauswahl vom Wagen von Affineur Waldmann aus Erlangen. Die Patisserie unterstrich eindrucksvoll, dass Linke ein Großmeister der Desserts ist. Zunächst mit dem Pré-Dessert „Milcheis, gepuffter Milchreis, Johannisbeersud und Zitruskresse“ und zum Finale mit der aufwändigen Kostprobe aus Ananas, Mascarpone, Erdnuss und Grünem Tee, dargeboten in über zehn verschiedenen Komponenten. Wir ziehen den Hut und empfehlen allen Genießern, die „Forellenstube“ und Arne Aurelius Linke in ihrem Fahrtenbuch für das Jahr 2018 fest einzutragen.
Ingo Schmidt