Ein Garten Eden im Norden Indiens

21.12.2023
Philipp Moeller

Lesedauer: 4 Minuten

Jan. / Feb. 2018

Die Makaken nähern sich vorsichtig der Garten­anlage des Hotel-Areals. Obwohl sie intuitiv spüren, dass ihnen jederzeit die Vertreibung aus dem Paradies seitens des Personals droht, ist die Versu­chung der verbo­tenen Früchte im präch­tigen Garten der Hotel-Suite größer als die Angst vor Entde­ckung. Heute haben die Affen Glück: Ungestört können sie sich den Bauch vollschlagen und anschließend zufrieden von dannen ziehen. 

„Man darf nicht vergessen“, sagt Hotel­di­rektor Nikhil Kapur, „dass wir Menschen uns im Terri­torium der Affen einge­nistet haben, daher sollten wir uns ihnen gegenüber respektvoll verhalten.“ Ich beobachte das Schau­spiel vom Balkon meines Zimmers im 5. Stock des Gäste­hauses. Der Blick schweift weiter ins Tal, in dem sich die kleine Stadt Rishikesh um den heiligen Ganges schmiegt. Das „Ananda in the Himalayas“ liegt 260 Kilometer nördlich von Neu-Delhi im Vorge­birge des Himalaja. Einge­bettet in das Anwesen eines Mahara­dscha-Palastes, bietet es 70 Zimmer, fünf Suiten und drei Villen zur Auswahl. 

Während meines einwö­chigen Aufent­halts möchte ich heraus­finden, was dieses im Jahr 2000 eröffnete Hotel so besonders macht. Es muss schließlich einen Grund geben, dass inter­na­tionale Prominenz wie Oprah Winfrey, Bill Gates, Nicole Kidman oder Prinz Charles sich hier so wohlge­fühlt hat. 

Atmosphäre fernab von Hektik und Stress

Für die meisten inter­na­tio­nalen Gäste ist die Anreise lang. Mindestens ein Flugsegment nach Neu-Delhi, ein weiterer Kurzflug nach Dehradun im Bundes­staat Uttarakhand. Ein Fahrer des Hotels in blendend weißer Uniform erwartet mich am Flughafen und chauf­fiert mich innerhalb einer Stunde in den auf etwa 1200 Metern Höhe gelegenen Ort Narenda Nagar, in dem sich das Ananda befindet. Vorbei geht‘s an kleineren Orten, über den Ganges und hinauf in das prall­grüne, bewaldete Gebirge. Das Gefühl der inneren Ruhe beginnt, sobald man die herrschaft­liche Einfahrt zum Palast durch­quert hat. Front-Office-Managerin Soumya begrüßt mich herzlich und macht mich sogleich mit den Einrich­tungen des Hotels vertraut.

Der Dosha-Typ bestimmt den Menüplan

Erster Programm­punkt ist der Besuch beim Ayurveda-prakti­zie­renden Arzt. Dieser stellt dem Gast allerlei Fragen zu Gesund­heits­zu­stand, Ernährung und Arbeits­umfeld. Als allzeit gestresster Medien­mensch suche er Ruhe und Erholung, vielleicht auch ein wenig sich selbst, erwidert der Gast. Als norddeut­scher Realist und Pragma­tiker habe er mit Yoga und holis­ti­schen Gesund­heits­prak­tiken wenig am Hut. Meditation und Spiri­tua­lität stehe er skeptisch gegenüber. 

Diese Einstellung hätten viele Gäste, die zum ersten Mal das Ananda besuchen, entgegnet der Arzt. Unbekümmert diagnos­ti­ziert er nach dem Ayurved­a­prinzip meinen vorherr­schenden Dosha-Typ, der für die kommende Woche meinen Menüplan bestimmen wird. Als „Pitta“-Typ gelte es, scharfe, saure und salzige Nahrung zu vermeiden. Süße, bittere und herbe Zutaten seien hingegen vorteilhaft. 

Bevor man die Reise ins Ananda antritt, entscheidet man sich für eines der angebo­tenen Wellness-Pakete. Die Auswahl reicht von Detox, Gewichts­ab­nahme und Verjüngung bis hin zu medita­tiven und Anti-Stress-Programmen. Ich habe mich für das Aktiv-Paket entschieden, das neben allerlei Sport­ak­ti­vi­täten auch Yoga und Spa-Anwen­dungen beinhaltet. Jeden Tag stehen 3 bis 4 persön­liche Programm­punkte an, so dass es auch für den Allein­rei­senden nie langweilig wird. Mein Yoga-Trainer Akshai führt mich in die sogenannten „Asanas“ ein, den physi­schen Teil der Yogalehre. Anschließend prakti­zieren wir „Pranayam“, Atemübungen zur Entspannung. Nach kurzer Pause übernimmt Lakhan, mein persön­licher Fitness-Trainer. Mit gezielten Übungen an Geräten, im Freien sowie im Swimmingpool bringt er mich körperlich in Form. 

Ganesh, mein Trekking-Guide, er-klimmt mit mir die 500 Höhen­meter hinauf zum heiligen Kunjapuri-Tempel, von dem aus man an klaren Tagen einen traum­haften Blick auf die schnee­be­deckten Gipfel des Himalaja genießt. Darüber hinaus stehen jedem Ananda-Gast die täglichen Gruppen­ak­ti­vi­täten zur Verfügung: Yoga, Vendanta und Meditation mit erfah­renen und gedul­digen Lehrern. Ein kleiner 6‑Loch-Golfplatz, einge­bettet in die waldige und hügelige Landschaft, bietet eine willkommene Abwechslung und weitere Aussichts­punkte auf Berge und Tal. 

Ein Spa zum Verlieben 

Ein wichtiger Bestandteil der Wellness-Pakete sind natürlich die Spa-Anwen­dungen. Das Personal an der Spa-Rezeption ist vermutlich das meist­be­schäf­tigte im ganzen Resort und versucht mit großer Sorgfalt und Mühe, jedem Gast die gewünschte Behandlung zur gewünschten Zeit zu ermög­lichen. Die Thera­peuten müssen zahlreiche Tests und Fortbil­dungen durch­laufen, um hier arbeiten zu dürfen. Das spürt man bei jeder Behandlung. Eine der Signature-Anwen­dungen ist „Abhyanga“, eine synchro­ni­sierte, vierhändige Ganzkör­per­massage mit edlen Ölen und ein unver­gess­liches Erlebnis. 

Für das leibliche Wohl sorgt Küchenchef Sandeep Biswas. Er setzt auf kalorienarme, vegeta­rische Kost aus Zutaten nahe gelegener organi­scher Farmen, die vom Ananda aktiv unter­stützt werden. Sandeep stellt für jeden Gast einen eigenen Ernäh­rungsplan zusammen, abhängig von Dosha-Typ und persön­lichen Präfe­renzen. Als regel­mä­ßiger Fleisch­esser fällt mir die Umstellung auf vegeta­rische Kost zunächst nicht leicht, doch Sandeep versteht es, jedes einzelne Gericht optisch und geschmacklich perfekt zu insze­nieren. Tamarinden, Papri­ka­schoten, Auber­ginen, Salate und Spinat werden mit Kardamom, Kurkuma oder Curry verfeinert. Sehr beliebt in dieser Region ist auch „Yakiha“, ein Senf-ähnliches Gewürz. Alle Gerichte werden nurge­dünstet, pochiert oder angebraten, um ihren natür­lichen Geschmack zu bewahren. Dazu werden frische Frucht- und Gemüse­säfte gereicht. Für Gäste, die sich nicht nach dem Ayurveda-Prinzip ernähren möchten, gibt es eine umfang­reiche Karte mit inter­na­tio­nalen und indischen Gerichten – von Bauern-Rösti über Meeres­früchte-Pasta bis zum unver­zicht­baren Chicken Tikka. 

Äußerst beliebt und Teil jeder Mahlzeit in dieser Region Indiens ist das sogenannte „Neem“, ein Pulver aus Blättern des heimi­schen Niembaums. Es wird zur Mundpflege benutzt und soll sogar heilend bei Diabetes und Krebs wirken. 

Mystische Stimmung beim heiligen „Ganga Arti“ 

Ein Erlebnis voller Magie und Mystik ist die heilige Zeremonie „Ganga arti“ in Rishikesh am Ufer des heiligen Ganges. Nachdem man sich einen Weg durch ein Wirrwarr von Menschen gebahnt hat, die sich zum allabend­lichen „Prayer“ bei Sonnen­un­tegang einfinden, durch freilau­fende Kühe, hupende Motor­roller und bettelnde Kinder, gelangt man zur riesigen Shiva-Statue aus weißem Marmor im Ganges. Davor hocken am Ufer ein paar Hundert Menschen, farben­prächtig gewandet um eine lodernde Feuer­stelle. Sie beten, klatschen, singen „Shanti, Shanti“. Es sind vornehmlich indische Mönche, Yogaschüler, aber auch Pilger aus aller Welt. Blüten und Lichter werden als Opfer­gaben in die starke Srömung des Ganges gesetzt.

Nach einer Woche körper­licher und geistiger Ertüch­tigung geht es zum abschlie­ßenden Check bei Doc und Fitness­trainer. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Deutlich verbes­serte Werte beim Body-Mass-Index und Fettwerten sind Ansporn, Ernährung und Sport­pro­gramm auch weiterhin so wohltuend zu gestalten. Dies sei auch der Anspruch des Ananda, dem Gast einen Teil seiner Philo­sophie mit auf den Weg zu geben, sagt Nikhil Kapur. Jeden­falls bis man zum nächsten Mal in diesen traum­haften Garten Eden Indiens reist.

Philipp Moeller

 

Kostproben

Jedes Gericht besteht aus regio­nalen, organi­schen Zutaten, die höchst anspruchsvoll Insze­niert werden.

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