Die Makaken nähern sich vorsichtig der GartenÂanlage des Hotel-Areals. Obwohl sie intuitiv spüren, dass ihnen jederzeit die Vertreibung aus dem Paradies seitens des Personals droht, ist die VersuÂchung der verboÂtenen Früchte im prächÂtigen Garten der Hotel-Suite größer als die Angst vor EntdeÂckung. Heute haben die Affen Glück: Ungestört können sie sich den Bauch vollschlagen und anschließend zufrieden von dannen ziehen.
„Man darf nicht vergessen“, sagt HotelÂdiÂrektor Nikhil Kapur, „dass wir Menschen uns im TerriÂtorium der Affen eingeÂnistet haben, daher sollten wir uns ihnen gegenüber respektvoll verhalten.“ Ich beobachte das SchauÂspiel vom Balkon meines Zimmers im 5. Stock des GästeÂhauses. Der Blick schweift weiter ins Tal, in dem sich die kleine Stadt Rishikesh um den heiligen Ganges schmiegt. Das „Ananda in the Himalayas“ liegt 260 Kilometer nördlich von Neu-Delhi im VorgeÂbirge des Himalaja. EingeÂbettet in das Anwesen eines MaharaÂdscha-Palastes, bietet es 70 Zimmer, fünf Suiten und drei Villen zur Auswahl.
Während meines einwöÂchigen AufentÂhalts möchte ich herausÂfinden, was dieses im Jahr 2000 eröffnete Hotel so besonders macht. Es muss schließlich einen Grund geben, dass interÂnaÂtionale Prominenz wie Oprah Winfrey, Bill Gates, Nicole Kidman oder Prinz Charles sich hier so wohlgeÂfühlt hat.
Atmosphäre fernab von Hektik und Stress
Für die meisten interÂnaÂtioÂnalen Gäste ist die Anreise lang. Mindestens ein Flugsegment nach Neu-Delhi, ein weiterer Kurzflug nach Dehradun im BundesÂstaat Uttarakhand. Ein Fahrer des Hotels in blendend weißer Uniform erwartet mich am Flughafen und chaufÂfiert mich innerhalb einer Stunde in den auf etwa 1200 Metern Höhe gelegenen Ort Narenda Nagar, in dem sich das Ananda befindet. Vorbei geht‘s an kleineren Orten, über den Ganges und hinauf in das prallÂgrüne, bewaldete Gebirge. Das Gefühl der inneren Ruhe beginnt, sobald man die herrschaftÂliche Einfahrt zum Palast durchÂquert hat. Front-Office-Managerin Soumya begrüßt mich herzlich und macht mich sogleich mit den EinrichÂtungen des Hotels vertraut.
Der Dosha-Typ bestimmt den Menüplan
Erster ProgrammÂpunkt ist der Besuch beim Ayurveda-praktiÂzieÂrenden Arzt. Dieser stellt dem Gast allerlei Fragen zu GesundÂheitsÂzuÂstand, Ernährung und ArbeitsÂumfeld. Als allzeit gestresster MedienÂmensch suche er Ruhe und Erholung, vielleicht auch ein wenig sich selbst, erwidert der Gast. Als norddeutÂscher Realist und PragmaÂtiker habe er mit Yoga und holisÂtiÂschen GesundÂheitsÂprakÂtiken wenig am Hut. Meditation und SpiriÂtuaÂlität stehe er skeptisch gegenüber.
Diese Einstellung hätten viele Gäste, die zum ersten Mal das Ananda besuchen, entgegnet der Arzt. Unbekümmert diagnosÂtiÂziert er nach dem AyurvedÂaÂprinzip meinen vorherrÂschenden Dosha-Typ, der für die kommende Woche meinen Menüplan bestimmen wird. Als „Pitta“-Typ gelte es, scharfe, saure und salzige Nahrung zu vermeiden. Süße, bittere und herbe Zutaten seien hingegen vorteilhaft.
Bevor man die Reise ins Ananda antritt, entscheidet man sich für eines der angeboÂtenen Wellness-Pakete. Die Auswahl reicht von Detox, GewichtsÂabÂnahme und Verjüngung bis hin zu meditaÂtiven und Anti-Stress-Programmen. Ich habe mich für das Aktiv-Paket entschieden, das neben allerlei SportÂakÂtiÂviÂtäten auch Yoga und Spa-AnwenÂdungen beinhaltet. Jeden Tag stehen 3 bis 4 persönÂliche ProgrammÂpunkte an, so dass es auch für den AlleinÂreiÂsenden nie langweilig wird. Mein Yoga-Trainer Akshai führt mich in die sogenannten „Asanas“ ein, den physiÂschen Teil der Yogalehre. Anschließend praktiÂzieren wir „Pranayam“, Atemübungen zur Entspannung. Nach kurzer Pause übernimmt Lakhan, mein persönÂlicher Fitness-Trainer. Mit gezielten Ãœbungen an Geräten, im Freien sowie im Swimmingpool bringt er mich körperlich in Form.
Ganesh, mein Trekking-Guide, er-klimmt mit mir die 500 HöhenÂmeter hinauf zum heiligen Kunjapuri-Tempel, von dem aus man an klaren Tagen einen traumÂhaften Blick auf die schneeÂbeÂdeckten Gipfel des Himalaja genießt. Darüber hinaus stehen jedem Ananda-Gast die täglichen GruppenÂakÂtiÂviÂtäten zur Verfügung: Yoga, Vendanta und Meditation mit erfahÂrenen und gedulÂdigen Lehrern. Ein kleiner 6‑Loch-Golfplatz, eingeÂbettet in die waldige und hügelige Landschaft, bietet eine willkommene Abwechslung und weitere AussichtsÂpunkte auf Berge und Tal.
Ein Spa zum Verlieben
Ein wichtiger Bestandteil der Wellness-Pakete sind natürlich die Spa-AnwenÂdungen. Das Personal an der Spa-Rezeption ist vermutlich das meistÂbeÂschäfÂtigte im ganzen Resort und versucht mit großer Sorgfalt und Mühe, jedem Gast die gewünschte Behandlung zur gewünschten Zeit zu ermögÂlichen. Die TheraÂpeuten müssen zahlreiche Tests und FortbilÂdungen durchÂlaufen, um hier arbeiten zu dürfen. Das spürt man bei jeder Behandlung. Eine der Signature-AnwenÂdungen ist „Abhyanga“, eine synchroÂniÂsierte, vierhändige GanzkörÂperÂmassage mit edlen Ölen und ein unverÂgessÂliches Erlebnis.
Für das leibliche Wohl sorgt Küchenchef Sandeep Biswas. Er setzt auf kalorienarme, vegetaÂrische Kost aus Zutaten nahe gelegener organiÂscher Farmen, die vom Ananda aktiv unterÂstützt werden. Sandeep stellt für jeden Gast einen eigenen ErnähÂrungsplan zusammen, abhängig von Dosha-Typ und persönÂlichen PräfeÂrenzen. Als regelÂmäÂßiger FleischÂesser fällt mir die Umstellung auf vegetaÂrische Kost zunächst nicht leicht, doch Sandeep versteht es, jedes einzelne Gericht optisch und geschmacklich perfekt zu inszeÂnieren. Tamarinden, PapriÂkaÂschoten, AuberÂginen, Salate und Spinat werden mit Kardamom, Kurkuma oder Curry verfeinert. Sehr beliebt in dieser Region ist auch „Yakiha“, ein Senf-ähnliches Gewürz. Alle Gerichte werden nurgeÂdünstet, pochiert oder angebraten, um ihren natürÂlichen Geschmack zu bewahren. Dazu werden frische Frucht- und GemüseÂsäfte gereicht. Für Gäste, die sich nicht nach dem Ayurveda-Prinzip ernähren möchten, gibt es eine umfangÂreiche Karte mit interÂnaÂtioÂnalen und indischen Gerichten – von Bauern-Rösti über MeeresÂfrüchte-Pasta bis zum unverÂzichtÂbaren Chicken Tikka.
Äußerst beliebt und Teil jeder Mahlzeit in dieser Region Indiens ist das sogenannte „Neem“, ein Pulver aus Blättern des heimiÂschen Niembaums. Es wird zur Mundpflege benutzt und soll sogar heilend bei Diabetes und Krebs wirken.
Mystische Stimmung beim heiligen „Ganga Arti“
Ein Erlebnis voller Magie und Mystik ist die heilige Zeremonie „Ganga arti“ in Rishikesh am Ufer des heiligen Ganges. Nachdem man sich einen Weg durch ein Wirrwarr von Menschen gebahnt hat, die sich zum allabendÂlichen „Prayer“ bei SonnenÂunÂtegang einfinden, durch freilauÂfende Kühe, hupende MotorÂroller und bettelnde Kinder, gelangt man zur riesigen Shiva-Statue aus weißem Marmor im Ganges. Davor hocken am Ufer ein paar Hundert Menschen, farbenÂprächtig gewandet um eine lodernde FeuerÂstelle. Sie beten, klatschen, singen „Shanti, Shanti“. Es sind vornehmlich indische Mönche, Yogaschüler, aber auch Pilger aus aller Welt. Blüten und Lichter werden als OpferÂgaben in die starke Srömung des Ganges gesetzt.
Nach einer Woche körperÂlicher und geistiger ErtüchÂtigung geht es zum abschlieÂßenden Check bei Doc und FitnessÂtrainer. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Deutlich verbesÂserte Werte beim Body-Mass-Index und Fettwerten sind Ansporn, Ernährung und SportÂproÂgramm auch weiterhin so wohltuend zu gestalten. Dies sei auch der Anspruch des Ananda, dem Gast einen Teil seiner PhiloÂsophie mit auf den Weg zu geben, sagt Nikhil Kapur. JedenÂfalls bis man zum nächsten Mal in diesen traumÂhaften Garten Eden Indiens reist.
Philipp Moeller
Kostproben
Jedes Gericht besteht aus regioÂnalen, organiÂschen Zutaten, die höchst anspruchsvoll InszeÂniert werden.