Ein Hummer, herausfordernd platziert auf dem nackten Bauch seiner geliebten Frau Gala war für den Surrealisten Dali die Inkarnation von kulinarischer Erotik. Wenn Köche sich in zärtlichen Flirt-Menüs versuchen, fällt ihnen außer Hummer und Languste nur die Dreierbande Kaviar, Trüffel und Auster ein; letztere gilt schon wegen ihrer schoßähnlichen Form seit zweitausend Jahren als besonders aphrodisierend. Dazu gibt es dann pastellfarbene Sößchen, nur: Von Leidenschaft ist bei solchen Arrangements nichts zu spüren. Was sich Dali und unsere Spitzenköche unter erotischer Küche vorstellen, ist Küchen-Nippes. Venus würde sich bei solchem Tandaradei langweilen. Wirklichen Küchensex haben hingegen große Braten, ob von der Gans und der Ente, von Rind, Lamm, Schwein oder Wild.
Und dazu bedarf es unbedingt eines passenden Weins. Schwer darf er sein, auch ein bißchen zu Kopf steigend. Wenn es draußen nach Kälte riecht und drinnen der Braten seiner Vollendung entgegen schmort, ist es Zeit für die kraftvollen, an Aromatik reichen Gewächse. Ob es ein ernsthafter Barolo ist, ein feuriger Syrah von der Rhone alias Shiraz aus Übersee, ein fruchtig-würziger Spanier, ein finessenreicher Burgunder, ein Châteauwein aus Bordeaux – einer, den man siezt – oder ein charmanter Italiener wie der Barbera aus dem Piemont, der wie ein Duzfreund zu Tisch gebeten wird:
Der Wein soll das Essen bereichern und uns durch seine fruchtige Herzlichkeit wärmen. Welchen Typ man wählt, hängt vom persönlichen Geschmack ebenso ab wie vom Preis und naturgemäß dem jeweiligen Gericht. Braten ist schließlich nicht gleich Braten.
Zum Kaninchen oder Zuchtfasan,
der so schmeckt wie er lebte, nämlich zahm, tut es auch ein starker Weißwein, beispielsweise ein Chardonnay von der Côte d’Or, ein Grauburgunder aus dem Badischen oder der Pfalz, ein fränkischer Weißburgunder, eine elegante Riesling-Spätlese aus dem Rheingau, ein kapitaler grüner Veltliner aus der Wachau oder Langenlois, ein geschmeidiger Zierfandler oder Rotgipfler aus Gumpoldskirchen.
Mit Gans, Huhn & Ente sowie Schwein und Kalb
harmonieren solche opulenten Weißweine ebenfalls bestens; in dieses Fach fallen auch der Neuburger, eine rare Sorte aus dem Burgenland (beste Adresse: Weingut Feiler in Rust), die Montrachets oder die Weißen von der Rhone mit geschmeidiger Fülle namens Condrieu, Hermitage blanc sowie Château Grillet. Und je nach Art der Zubereitung beziehungsweise der Wahl der Beilagen (beispielsweise eingelegte Zwetschgen, Rosinen, karamellisierte Zwiebeln oder Trauben, süßlich-pikante Chutneys etc.) wird ein Wein mit feiner Restsüße ein exzellenter Partner sein.
Bräunt jedoch ein Täubchen im Rohr oder schmurgelt ein Rehrücken in der Kasserolle, geht nichts über Rotweine von kräftiger, sinnenbetörender Statur, mächtig und feurig zugleich. Kurz und volkstümlich gesagt: Kreszenzen mit Schmackes sollen es sein.
Zu Braten von Reh, Hase und Hirsch
passen besonders gut mollige Burgunderweine oder die Gewächse aus St. Emilion mit deren würziger Wärme. Auch ein toskanischer Roter, ob Chianti (Castello die Ama) oder Brunello, wird ein angemessener Partner sein. Bei Wildgeflügel darf es schon ein bisschen wuchtiger sein, so in Richtung burgundische Grand Crus, trüffelige Pomerols, warmfruchtige Merlots aus anderen Regionen und toskanische Spitzenweine wie Sassicaia, Ornellaia, Solaia, Percarlo, Tignanello.
Wenn Hasenpfeffer und Wildragouts
annonciert sind, braucht man weinmäßig überhaupt keine Scheu vor vollen Aromen zu haben; dann gehören Barolos aus dem Piemont, kalifornische Cabernets, würzige Syrahs von der Rhone, suggestive Shiraz aus Übersee oder große Burgunder auf den Tisch (à la Chambertin, Corton, Musigny, Beaune und die Samtigen aus Vosne-Romanée). Harmonie zwischen Speise und Wein wird sich auch mit einem kapitalen Madiran (Château Bouscassé Vieilles Vigne) und einem schwarzen Cahors wie etwa dem “Expression” von Château Lamartine einstellen. Und man entkorke zu einem Pfeffersteak einen fein gereiften Jahrgangsportwein – ein Hochgenuß!
Ein Wort noch zum Umgang mit Rotweinen:
Leichtere Kreszenzen wie etwa vom Typ Beaujolais oder Trollinger lassen sich unkompliziert handhaben: entkorken, einschenken, schlabber schlabber weg damit. Bei kräftigen Gewächsen empfiehlt sich das Dekantieren. Darunter versteht man das vorsichtige Umgießen von der Flasche in eine Karaffe. Sinn der Übung ist zum einen, den Wein von eventuell vorhandenem Depot zu trennen (praktisch alle hochwertigen Roten, ob Bordeaux, Burgunder, Barolo und Rioja entwickeln ab cirka fünf Jahren einen mehr oder weniger starken Bodensatz aus abgestorbenen Farbpigmenten, Mineralien, Säuren). Zudem forciert der Luftkontakt die Entfaltung der Aromen. Die ideale Trinktemperatur liegt bei 16 Grad für leichte und um die 18 Grad für schwere Rotweine. Wärmer sollte nicht serviert werden, weil vor allem opulente Gewächse mit höherem Alkoholgehalt (ab etwa 13 Prozent) bei Temperaturen um die 20 Grad und mehr leicht einen ungustiösen, spritig-beißenden Unterton bekommen können.
Welchen Wein man auch wählt, in jedem Fall soll er uns bereits mit dem ersten Schluck in den Mittelpunkt des Weltalls versetzen und uns die Zeit träumend, Pläne schmiedend vergessen lassen. Der Winter ist wie keine andere Saison die Einladung zur Besinnung. Die menschliche Leib-Seele-Einheit bedarf im Rhythmus der Jahreszeiten der geistigen Reflexion.
Das sollte nicht vergessen werden, wenn wir den nächsten Morgen begrüßen und den Mittag oder Abend vielleicht wieder als kulinarische Oper mit einem feinen Wein zu einem großen Braten inszenieren. Schon beim Gedanken an solche Köstlichkeiten öffnet sich dem praktizierenden Feinschmecker eine Ahnung vom Paradies.