Sunt nobis mitia poma castanae molles – et pressi copia lactis, hat Vergil sich gegenüber Gästen gerühmt (Wir besitzen zarte Kastanien – und Käse im Überfluß).
Käse und Wein, das ist die unendliche Geschichte der Feinschmeckerei. Beide bilden als quasi naturgeborene Partner ein schönes Paar und sind füreinander geschaffen wie die biblische Uraltehe zwischen Brot und Wein. Das muß nicht langmächtig belegt werden, aber das heißt freilich noch lange nicht, dass jede x‑beliebige Kombination zum Hochgenuß führt. Man muss schon viele Käsesorten und noch mehr Weine wechselweise miteinander ausprobiert haben, um herauszufinden, was ideal zusammenpasst. Pflegt man die große kulinarische Oper, wird man bemüht sein, zu jeder Käsesorte den dazu ideal passenden Wein zu finden. Doch kann man die Sache auch leger nach dem Prinzip angehen, dass schön ist, was einem gefällt. Wenn also ein einsames Glas Wein der Gesellschaft bedarf, so findet sich kein besserer Partner als ein Stück Käse.
Käse ist das Biskuit des Weintrinkers
Um Käse buhlen viele Weine und einige kommen als idealer Partner in Frage. Die herauszufinden, das ist ein reizvolles Spiel für jeden praktizierenden Feinschmecker. Dass die Extrakte von Kuh‑, Schaf- und Ziegenmilch auf geradezu geheimnisvolle Weise mit Wein harmonieren, egal, ob der rot, weiß, rosafarben, still oder schäumend ist, lässt sich chemisch vielleicht damit erklären, dass beide Produkte einen Gärprozess durchgemacht haben, und schwarzer Tee wie speziell ein malziger Assam oder geschmeidiger chinesischer Keemun, die ja auch einer Fermentation unterlagen, passt beispielsweise sehr gut zu Hartkäsesorten wie holländischem Gouda.
Kulinarische Traumpaare: Käse und die passenden Weine
Unschlagbar sind Kombinationen wie: Munster und Grauburgunder (oder Traminer, Chardonnay, Neuburger, Riesling Auslese mit feiner Restsüße), Ziegen-Pyramide und Sauvignon blanc, Livarot und Traminer, Brie de Meaux und Spätburgunder (Pinot noir), Parmigiano und Barolo (oder Barbaresco), Blauschimmelkäse und edelsüßer Wein (oder Cream-Sherry), Tilsiter und Silvaner, Tète de Moine und Chardonnay, der in Orange leuchtende Mimolette mit Roten aus St. Emilion (auch Syrah-Weine passen, alternativ auch ein kräftiger trockener Riesling Smaragd aus der Wachau), Tallegio und Grüner Veltliner, Weinkäse und Gutedel, Butterkäse und Scheurebe, gereifter Bauerngouda und roter Bordeaux, kräftiger Bergkäse à la Appenzeller und Chateauneuf-du-Pâpe, Stilton und Portwein, Fourme d’Ambert mit Cream Sherry, Bleu de Bresse und Bavaria blu mit Tokajer, Chevrotin mit Vouvray demi sec. Das sind kulinarische Pas-de-deux.
Wein zum Käsegang: Schwelgen oder studieren?
Auf der einen Seite ist die Käse-Wein-Allianz höchst simpel. Man nehme einen Brie, Gouda, Reblochon, Gaperon, Chevre, Vacherin, Comté, Appenzeller oder sonst einen Käse und entkorke dazu eine Flasche Wein, irgendein Gewächs achtbarer Herkunft. Beides zusammen wird – mal mehr, mal weniger gut – schmecken. Nicht viel anders ergeht es schließlich dem Gast im Restaurant, wenn ihm der Kellner fünf, sechs Sorten Käse unterschiedlicher Provenienz zu einem einzigen Wein vorlegt. Man isst, trinkt und schwelgt, ohne beckmesserisch jedem Bissen nachzusinnen, ob das nun die große Einheit ist, jene Mariage, von der uns die Geschmackslehrer so viel erzählen.
Weiß oder Rot? Grundregeln für die Käsebegleitung
Eine Erkenntnis lautet, dass Weißweine oftmals besser mit Käse harmonieren als Rote. Als weiterer Erfahrungswert gilt, dass jugendliche Rotweine mit fruchtiger Kraft besser mit Käse harmonieren als ausgereifte ältere Gewächse, die bereits weich sind und den für große Kreszenzen typischen Hauch Süße haben. Das feine Gewebe solcher Weine würde in der dichten Aromatik des Käses hoffnungslos untergehen. Und Blauschimmelkäse (wie Roquefort, Stilton, Bleu de Bresse oder der ungemein würzige und raffinierte, freilich rare Bleu de Termignon aus Savoyen) kreuzigen unbarmherzig jeden eleganten Wein, ob rot oder weiß; hierzu passen am besten Gewächse mit deutlicher Restsüße wie Beerenauslesen, Tokajer, Portweine & Co. Ebenso ungewöhnlich wie großartig ist die Kombination von Stilton und altem Cream Sherry – das Salzige des Käses und die diskrete Süße des Sherry ergänzen sich wunderbar.
Die Hohe Schule der Käse-Wein-Paarung
Komplizierter wird die Sache, wenn man versucht, zu jedem Käse den idealen Weintyp zu finden. Das ist die Hohe Schule der Gourmandise, denn immerhin werden einem allein in Deutschland viele Hunderte von Käsesorten und etliche tausend Weine angeboten. Das summiert sich zu einer Geschmacksvielfalt, die einem Irrgarten gleicht, in dem sich selbst gewiefte Gourmets nicht immer zurechtfinden. Entsprechend pauschal sind denn auch die meisten Empfehlungen von Weinen zu Käse gehalten, etwa, wenn es heißt, zu ausdrucksvollem Käse passe am besten ein vollmundiger Weißwein oder kerniger Rotwein. Das ist Kokolores, wer wird schon auf die Idee kommen, zu einem kräftigen Käse einen zarten Wein zu wählen?
Käsevielfalt: Ein kulinarischer Streifzug durch Europa
Jedes Land, in dem Milch fließt, bietet Käse. Frankreich gilt als Käse-Paradies schlechthin. Spanien ist berühmt für den Manchego. Die Niederlande für den Gouda, der freilich nur als rarer Bauerngouda wirklich Spitze ist. Der edelschimmelige Stilton und der gelb bis rötlich glänzende Cheddar sind typisch für England. Appenzeller, Gruyère, Sbrinz und Emmentaler künden von der Schweiz, der Heimat zweier weiterer Köstlichkeiten wie dem zylindrisch geformten Tête de Moine, von dem mit einem speziellen Schaber, der Girolle, zarte Rosetten abgehobelt werden. Nur im Winter gibt es in der Schweiz wie in Frankreich, getrennt durch die Grenze, den goldgelben, herrlich cremigen Vacherin Mont d’Or. Aus dem Allgäu stammt ein hocharomatischer, zugleich feinwürzig schmeckender “Senner Hoch-Alp-Bergkäse“
Auch Österreich hat sich in punkto Käse in den letzten Jahren deutlich verbessert. Es ist ohnehin verwunderlich, dass in diesem mit Almen und Naturweiden gesegneten Land bislang keine vergleichbar niveauvolle Käsekultur wie etwa in der ähnlich bergigen Schweiz geschaffen worden ist. Mit Tiroler Graukäse und dem klassischen Steirerkas war international gegen Brie, Gorgonzola und Stilton nicht anzukommen. Inzwischen gibt es eine Reihe von Käsereien, die vom würzigen Bergkäse über pikanten Edelschimmel, cremigen Weichkäse und delikaten Ziegen- sowie Schafskäse eine breite Palette hochwertiger Käsesorten anbieten und auch international vermarkten.
Italien trumpft mit einer reichen Käsepalette auf, vom Mozzarella, dem mit Tomaten und Basilikum angereicherten, gleichwohl ziemlich harmlosen Single-Snack, über den geschmeidigen Gorgonzola – auch hier gilt: handgeschöpfte Bauernqualität ist dramatisch besser als fertig abgepackte Fabrikware – bis hin zum König, dem echten Parmigiano mit dem wichtigen Herkunftszusatz Reggiano. Leider wird unter „ Parmesan“ viel geschmacklich belangloses Plagiat angeboten. Erstklassige Ware ist nicht stückerlweise portioniert und schon gar nicht vorgerieben, sondern muss als Trumm vom Händler frisch aus dem wagenradgroßen Laib gestochen werden.
So ein wahrer Parmigiano Reggiano, kräftig in der Farbe, kristallen in der Struktur und duftend nach den Almen oberhalb von Parma, ist schon pur eine Wonne, doch gewinnt er an kulinarischer Finesse, wenn er mit feinstem Olivenöl beträufelt wird.
Frischer Ziegenkäse wie beispielsweise der stangenförmige Saint-Maure, die bekannten Pyramiden, der nussige Tomme de L’Ardeche, der talerartige Le Rocamadour oder Picandou ergänzen sich mit Brot (sehr delikat: Nuss‑, Früchte- oder Rosinenbrot) sowie einem Gelee von Quitten oder Johannisbeere zu einem kulinarischen Weltereignis. Köstlich ist auch Gorgonzola, teigig gerührt und mit klein geschnittenem Staudensellerie sowie Olivenöl plus einer zarten Prise weißem Pfeffer vermischt.
Käse schmeckt häufig so wie er riecht
Fast jeder Käse schmeckt so, wie er riecht. Guter Rohmilchkäse – und der Kenner wird jederzeit einen Rohmilchkäse der pasteurisierten oder thermisierten Standardware vorziehen – kann fein nach Steinpilzen duften, nach Malz und Nüssen. Perfekt gereifter Weichkäse muss von cremiger Geschmeidigkeit sein und auf Fingerdruck sanft nachgeben. Wenn er zu schnell „läuft“, wurde er unsachgemäß gelagert und kann beißend in Richtung Ammoniak schmecken. Bei Edelpilzkäse soll der Schimmel gleichmäßig verteilt sein und bis an den Rand reichen. Im Hartkäse dürfen die Löcher nicht oval sein, sondern möglichst rund und nur haselnussgroß; sie entstehen übrigens durch Kohlensäuregase, die sich beim Reifeprozess bilden, nicht entweichen können und in dem dann noch weichen Käse zu Blasen führen.