Käse ist das Biskuit des Weintrinkers – die unend­liche Geschichte der Feinschme­ckerei

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 5 Minuten

Sunt nobis mitia poma castanae molles – et pressi copia lactis, hat Vergil sich gegenüber Gästen gerühmt (Wir besitzen zarte Kastanien – und Käse im Überfluß).

Käse und Wein, das ist die unend­liche Geschichte der Feinschme­ckerei. Beide bilden als quasi natur­ge­borene Partner ein schönes Paar und sind fürein­ander geschaffen wie die biblische Uraltehe zwischen Brot und Wein. Das muß nicht langmächtig belegt werden, aber das heißt freilich noch lange nicht, dass jede x‑beliebige Kombi­nation zum Hochgenuß führt. Man muss schon viele Käsesorten und noch mehr Weine wechsel­weise mitein­ander auspro­biert haben, um heraus­zu­finden, was ideal zusam­men­passt. Pflegt man die große kulina­rische Oper, wird man bemüht sein, zu jeder Käsesorte den dazu ideal passenden Wein zu finden. Doch kann man die Sache auch leger nach dem Prinzip angehen, dass schön ist, was einem gefällt. Wenn also ein einsames Glas Wein der Gesell­schaft bedarf, so findet sich kein besserer Partner als ein Stück Käse.

Käse ist das Biskuit des Weintrinkers

Um Käse buhlen viele Weine und einige kommen als idealer Partner in Frage. Die heraus­zu­finden, das ist ein reizvolles Spiel für jeden prakti­zie­renden Feinschmecker. Dass die Extrakte von Kuh‑, Schaf- und Ziegen­milch auf geradezu geheim­nis­volle Weise mit Wein harmo­nieren, egal, ob der rot, weiß, rosafarben, still oder schäumend ist, lässt sich chemisch vielleicht damit erklären, dass beide Produkte einen Gärprozess durch­ge­macht haben, und schwarzer Tee wie speziell ein malziger Assam oder geschmei­diger chine­si­scher Keemun, die ja auch einer Fermen­tation unter­lagen, passt beispiels­weise sehr gut zu Hartkä­se­sorten wie hollän­di­schem Gouda.

Kulina­rische Traum­paare: Käse und die passenden Weine

Unschlagbar sind Kombi­na­tionen wie: Munster und Graubur­gunder (oder Traminer, Chardonnay, Neuburger, Riesling Auslese mit feiner Restsüße), Ziegen-Pyramide und Sauvignon blanc, Livarot und Traminer, Brie de Meaux und Spätbur­gunder (Pinot noir), Parmi­giano und Barolo (oder Barba­resco), Blauschim­melkäse und edelsüßer Wein (oder Cream-Sherry), Tilsiter und Silvaner, Tète de Moine und Chardonnay, der in Orange leuch­tende Mimolette mit Roten aus St. Emilion (auch Syrah-Weine passen, alter­nativ auch ein kräftiger trockener Riesling Smaragd aus der Wachau), Tallegio und Grüner Veltliner, Weinkäse und Gutedel, Butterkäse und Scheurebe, gereifter Bauern­gouda und roter Bordeaux, kräftiger Bergkäse à la Appen­zeller und Chateauneuf-du-Pâpe, Stilton und Portwein, Fourme d’Ambert mit Cream Sherry, Bleu de Bresse und Bavaria blu mit Tokajer, Chevrotin mit Vouvray demi sec. Das sind kulina­rische Pas-de-deux.

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Käse und Wein. Die heilige kulina­rische Dualität. Aus SAVOIR-VIVRE: Käseplatte für die Weinjury, wenn mehrere unter­schied­liche Weine gereicht werden.

Wein zum Käsegang: Schwelgen oder studieren?

Auf der einen Seite ist die Käse-Wein-Allianz höchst simpel. Man nehme einen Brie, Gouda, Reblochon, Gaperon, Chevre, Vacherin, Comté, Appen­zeller oder sonst einen Käse und entkorke dazu eine Flasche Wein, irgendein Gewächs achtbarer Herkunft. Beides zusammen wird – mal mehr, mal weniger gut – schmecken. Nicht viel anders ergeht es schließlich dem Gast im Restaurant, wenn ihm der Kellner fünf, sechs Sorten Käse unter­schied­licher Prove­nienz zu einem einzigen Wein vorlegt. Man isst, trinkt und schwelgt, ohne beckmes­se­risch jedem Bissen nachzu­sinnen, ob das nun die große Einheit ist, jene Mariage, von der uns die Geschmacks­lehrer so viel erzählen.

Weiß oder Rot? Grund­regeln für die Käsebe­gleitung


Eine Erkenntnis lautet, dass Weißweine oftmals besser mit Käse harmo­nieren als Rote. Als weiterer Erfah­rungswert gilt, dass jugend­liche Rotweine mit fruch­tiger Kraft besser mit Käse harmo­nieren als ausge­reifte ältere Gewächse, die bereits weich sind und den für große Kreszenzen typischen Hauch Süße haben. Das feine Gewebe solcher Weine würde in der dichten Aromatik des Käses hoffnungslos unter­gehen. Und Blauschim­melkäse (wie Roquefort, Stilton, Bleu de Bresse oder der ungemein würzige und raffi­nierte, freilich rare Bleu de Termignon aus Savoyen) kreuzigen unbarm­herzig jeden eleganten Wein, ob rot oder weiß; hierzu passen am besten Gewächse mit deutlicher Restsüße wie Beeren­aus­lesen, Tokajer, Portweine & Co. Ebenso ungewöhnlich wie großartig ist die Kombi­nation von Stilton und altem Cream Sherry – das Salzige des Käses und die diskrete Süße des Sherry ergänzen sich wunderbar.

Die Hohe Schule der Käse-Wein-Paarung

Kompli­zierter wird die Sache, wenn man versucht, zu jedem Käse den idealen Weintyp zu finden. Das ist die Hohe Schule der Gourmandise, denn immerhin werden einem allein in Deutschland viele Hunderte von Käsesorten und etliche tausend Weine angeboten. Das summiert sich zu einer Geschmacks­vielfalt, die einem Irrgarten gleicht, in dem sich selbst gewiefte Gourmets nicht immer zurecht­finden. Entspre­chend pauschal sind denn auch die meisten Empfeh­lungen von Weinen zu Käse gehalten, etwa, wenn es heißt, zu ausdrucks­vollem Käse passe am besten ein vollmun­diger Weißwein oder kerniger Rotwein. Das ist Kokolores, wer wird schon auf die Idee kommen, zu einem kräftigen Käse einen zarten Wein zu wählen?

Käsevielfalt: Ein kulina­ri­scher Streifzug durch Europa

Jedes Land, in dem Milch fließt, bietet Käse. Frank­reich gilt als Käse-Paradies schlechthin. Spanien ist berühmt für den Manchego. Die Nieder­lande für den Gouda, der freilich nur als rarer Bauern­gouda wirklich Spitze ist. Der edelschim­melige Stilton und der gelb bis rötlich glänzende Cheddar sind typisch für England. Appen­zeller, Gruyère, Sbrinz und Emmen­taler künden von der Schweiz, der Heimat zweier weiterer Köstlich­keiten wie dem zylin­drisch geformten Tête de Moine, von dem mit einem spezi­ellen Schaber, der Girolle, zarte Rosetten abgehobelt werden. Nur im Winter gibt es in der Schweiz wie in Frank­reich, getrennt durch die Grenze, den goldgelben, herrlich cremigen Vacherin Mont d’Or. Aus dem Allgäu stammt ein hocharo­ma­ti­scher, zugleich feinwürzig schme­ckender “Senner Hoch-Alp-Bergkäse“

Käsemeister

Der Schweizer Käsemeister bei der Arbeit

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Reife­keller

Auch Öster­reich hat sich in punkto Käse in den letzten Jahren deutlich verbessert. Es ist ohnehin verwun­derlich, dass in diesem mit Almen und Natur­weiden geseg­neten Land bislang keine vergleichbar niveau­volle Käsekultur wie etwa in der ähnlich bergigen Schweiz geschaffen worden ist. Mit Tiroler Graukäse und dem klassi­schen Steirerkas war inter­na­tional gegen Brie, Gorgonzola und Stilton nicht anzukommen. Inzwi­schen gibt es eine Reihe von Käsereien, die vom würzigen Bergkäse über pikanten Edelschimmel, cremigen Weichkäse und delikaten Ziegen- sowie Schafskäse eine breite Palette hochwer­tiger Käsesorten anbieten und auch inter­na­tional vermarkten.
Italien trumpft mit einer reichen Käsepa­lette auf, vom Mozza­rella, dem mit Tomaten und Basilikum angerei­cherten, gleichwohl ziemlich harmlosen Single-Snack, über den geschmei­digen Gorgonzola – auch hier gilt: handge­schöpfte Bauern­qua­lität ist drama­tisch besser als fertig abgepackte Fabrikware – bis hin zum König, dem echten Parmi­giano mit dem wichtigen Herkunfts­zusatz Reggiano. Leider wird unter „ Parmesan“ viel geschmacklich belang­loses Plagiat angeboten. Erstklassige Ware ist nicht stückerl­weise portio­niert und schon gar nicht vorge­rieben, sondern muss als Trumm vom Händler frisch aus dem wagen­rad­großen Laib gestochen werden.

So ein wahrer Parmi­giano Reggiano, kräftig in der Farbe, kristallen in der Struktur und duftend nach den Almen oberhalb von Parma, ist schon pur eine Wonne, doch gewinnt er an kulina­ri­scher Finesse, wenn er mit feinstem Olivenöl beträufelt wird.

Frischer Ziegenkäse wie beispiels­weise der stangen­förmige Saint-Maure, die bekannten Pyramiden, der nussige Tomme de L’Ardeche, der taler­artige Le Rocamadour oder Picandou ergänzen sich mit Brot (sehr delikat: Nuss‑, Früchte- oder Rosinenbrot) sowie einem Gelee von Quitten oder Johan­nis­beere zu einem kulina­ri­schen Weltereignis. Köstlich ist auch Gorgonzola, teigig gerührt und mit klein geschnit­tenem Stauden­sel­lerie sowie Olivenöl plus einer zarten Prise weißem Pfeffer vermischt.

Käse schmeckt häufig so wie er riecht

Fast jeder Käse schmeckt so, wie er riecht. Guter Rohmilchkäse – und der Kenner wird jederzeit einen Rohmilchkäse der pasteu­ri­sierten oder thermi­sierten Standardware vorziehen – kann fein nach Stein­pilzen duften, nach Malz und Nüssen. Perfekt gereifter Weichkäse muss von cremiger Geschmei­digkeit sein und auf Finger­druck sanft nachgeben. Wenn er zu schnell „läuft“, wurde er unsach­gemäß gelagert und kann beißend in Richtung Ammoniak schmecken. Bei Edelpilzkäse soll der Schimmel gleich­mäßig verteilt sein und bis an den Rand reichen. Im Hartkäse dürfen die Löcher nicht oval sein, sondern möglichst rund und nur hasel­nussgroß; sie entstehen übrigens durch Kohlen­säu­regase, die sich beim Reife­prozess bilden, nicht entweichen können und in dem dann noch weichen Käse zu Blasen führen.

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