Queen Mary 2: Viel Nostalgie mit etwas Las Vegas

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 4 Minuten

Bordbuch: Horst-Dieter Ebert war für SAVOIR-VIVRE auf der renovierten „Queen Mary 2”.

Die Nacht ist bereits herein­ge­brochen, als die „Queen Mary 2“ (QM2) zu unserer Kreuz­fahrt zum Nordkap ausläuft, und doch stehen die Hamburger unver­drossen Spalier, zu tausenden, der Elbstrand vom Hafen bis Ovelgönne ist höchst belebt, und jeder scheint mit einer Kamera zu blitzen oder vielmehr mit seinem iPhone.

Das Schiff ist der Luxus­liner schlechthin, „die Königin der Meere“, „eine Legende der See“. Die Hamburger insbe­sondere vergöttern sie: Bei ihrer Premiere hier kam eine Million Bewun­derer, und selbst nach über drei Dutzend Einläufen sind die Elbufer immer noch vollbe­setzt. Es gibt Feuerwerk, und die Restau­rants am Fluss lassen „Britannia Rule the Waves“ ertönen; das Louis C. Jacobs veran­staltet jedes Mal eine Party und feuert auf seiner berühmten Linden­ter­rasse eine Kanone ab.

Das Schiff legt Wert darauf, ein „Ocean Liner“ zu sein; so einer ist schnit­tiger und kostet rund 40 Prozent mehr als ein Kreuz­fahrer, kann dafür mindestens doppelt so schnell fahren, denn er ist konstruiert, um über den Atlantik zu rauschen statt von einer Insel zur anderen zu bummeln. Obwohl die QM2 auch diesen Job macht: Ein knappes halbes Jahr fährt sie die Trans­at­lantik-Tour von South­hampton (mitunter auch von Hamburg) nach New York, ein gutes halbes Jahr fährt sie gemütlich Kreuz, einmal auch um die Welt.

Nach alter Tradition bietet sie ihren Passa­gieren zwei Klassen (die dritte für den armen Zwischendeck-Auswan­derer gibt es nicht mehr): die Britannia-Class ist so etwas wie die Business-Class in der Luft. Die First nennt man nicht First, sondern umschreibt sie dezent. So stoppt man immer wieder mal vor einem Schild, das sagt: „Reserved for Queens Grill and Princess Grill Guests!“ Das sind die Bewohner der teuren Suiten, die ihre eigenen exklu­siven Restau­rants, Lounges und achtern sogar ein eigenes Sonnendeck besitzen.

Und im letzten Jahr hat die Reederei noch mal 120 Millionen Euro in die Hand genommen, um das nunmehr dreizehn Jahre alte Schiff gründlich aufzu­po­lieren und auf neuzeit­lichen Luxus-Standard zu bringen. So wurden alle Kabinen neu designt und elektro­nisch aufge­rüstet. Auf Deck 13 entstanden neue Balkon­ka­binen für 70 weitere Passa­giere (jetzt 2592), es wurden insgesamt rund 45.000 Quadrat­meter Teppich verlegt (würden für mehrere Fußball­felder reichen), es kamen über 6000 neue Möbel­stücke und 4000 neue Bilder an Bord.

Und natürlich wurde eine Menge Geld in die Restau­rants und Bars gesteckt, tradi­tionell ein beson­derer Stolz der QM2. Das Schiff bietet acht Restau­rants an Bord (darunter „das größte auf See“), 14 Bars und Clubs, zum Teil auch mit Speisen­an­gebot, ein Theater mit mehr als 1000 Plätzen, den größten Weinkeller, die größte Bibliothek auf See sowie ein Plane­tarium, das einzige auf See (in dem man freilich nur Filme sehen kann, nicht aber die Sterne).

Flambieren in der first class
Das Haupt-Restaurant „Britannia“ besitzt als einziges eine gute Portion Old-World-Pathos, etwas Art déco und auch einen kräftigen Hauch Las Vegas: riesig, mit Säulen und einem gewal­tigen Schiffsbild an der Stirnwand. Es ist mit fast 1300 Plätzen jenes „größte auf See“und wirkt durchaus pompös und nostal­gisch: eine große Essens­ka­the­drale über zwei Etagen, darüber ein gewal­tiges Glasdach; geschwungene Freitreppen verbinden die Ebenen, die ihrer­seits noch einmal theatra­lisch terras­siert sind.

Hier werden allabendlich in zwei Sitzungen über 2000 Mahlzeiten serviert, und dabei – das ist der Stolz der Cunard-Küche – alles à la minute. Das kann in dieser Größen­ordnung kein aufre­gendes Gourmet-Erlebnis sein, ist jedoch höchst respek­tabel.

Die Suiten­ge­sell­schaft der ersten Klasse dinniert auf Deck 7 im „Princess Grill“ (an Backbord) oder, noch feiner, im „Queens Grill“ (an Steuerbord). Beide sind stilis­tisch das Gegenteil des „Britannia“: eher große Wohnzimmer, doch neuer­dings in einem frischeren Design und helleren Farben. Es gibt mehr Zweier­tische und größere Abstände zwischen den Tischen, sie haben nicht mehr als 200 Plätze, die Deckenhöhe einer Hamburger Altbau­wohnung ist um einiges größer.

Das Under­statement in der Einrichtung wird effektvoll kontras­tiert durch feinstes Porzellan (Wedgwood) und Silber (Gains­bo­rough) auf den sorgfältig gedeckten Tischen. Direkt beim Gast wird hier noch flambiert und filet­tiert, tranchiert und vorgelegt; so vier bis fünf Mitar­beiter betreuen den Gast auf das liebens­wer­teste bzw. mit weiblichem Charme.

Texmex am Königshof


Auf der Karte dominieren die Klassiker, zwischen Dover Sole und Surf ‘n‘ Turf, aller in sehr präziser Zubereitung, hier kommt ein Filet (übrigens aus einer organi­schen engli­schen Spezi­al­züchtung) noch wirklich medium-rare auf den Tisch; die Gemüse sind in großer Auswahl vorhanden (und bissfest). Der Wein„keller“, zusam­men­ge­stellt von der briti­schen Autorität Michael Broadbent, enthält durchaus Raritäten – und zu überra­schend vorteil­haften Preisen, so schwor mir jeden­falls der deutsche Master-Sommelier Hendrik Thoma.

Mein Lieblings­re­staurant an Bord trägt jetzt den Namen „The Verandah“ (ehemals „Todd English“) in Erinnerung an den histo­ri­schen „Verandah-Grill“ auf der ersten „Queen Mary“ in den dreißiger Jahren. Das Restaurant prunkt in Rot- und Goldtönen sehr viel präch­tiger als die aristo­kra­ti­schen First-Class-Lokale. Es verströmt erkennbar Gourmet­tempel-Stimmung und lässt eine tradi­tio­nelle franzö­sische Feinschmecker-Küche servieren, fabelhaft abgeschmeckt und phanta­sievoll gewürzt – die „Ahs“ und „Ohs“ der Gäste nehmen kein Ende.

Dann gibt es noch das sonderbare Halbwegs-Buffet­re­staurant „Kings Court“: Hier wurden die Buffetinseln offener designt und die Sitzbe­reiche neu struk­tu­riert. Es ist erkennbar ein Upgrading: Getränke werden serviert und in einigen Bereichen auch die Speisen. Am Abend dann verwandelt sich des Königs Hof in mehrere kleine Spezia­li­tä­ten­re­stau­rants, italie­nisch, panasia­tisch, indisch und Texmex und in eine Art Demons­tra­ti­ons­küche, in der einem vorge­kocht wird, was man dann essen kann („Chef‘s Galley“).

Es gibt einen hübschen Italiener (der eigentlich ein freund­licher Philip­pi­nerist), einen Indonesier („Bamboo“), der in seiner Küche den gesamten Fernen Osten aufkocht, und auch was sehr Briti­sches: Für den klassi­schen engli­schen Geschmack sorgt dann „The Carvery“. Das war früher ein Ort, an dem „gekochtes Fleisch ausge­stellt und in Front des Gastes aufge­schnitten wurde“. So geht es heute da nicht mehr zu. Doch die Gerichte klingen wie aus einem Roman von Charles Dickens: „Golden Fried Hen‘s Egg in Bread Crust with Sea Salt“ usw. Es schmeckt exotisch und inter­essant.

Was es indessen nicht gibt, was erfahrene Kreuz­fahrer stets überrascht und auch enttäuscht, sind jene Open-Air-Restau­rants, die ja für viele Schif­frei­sende zu einem richtigen Urlaub dazuge­hören. Hier gibt es nur das winzige „Boardwalk Café“ mit einem schmalen Fast-Food-Angebot. In der Tradition der Ocean Liner, noch dazu der briti­schen, hatte so etwas wie das beliebte „Dinner Under the Stars“ keinen Platz. Und doch lohnt es sich, die kulina­rische Szene dieses einma­ligen Schiffs einmal durch­zu­kosten. Eine Woche reicht gerade aus.

STECK­BRIEF QUEEN MARY 2

Heimat­hafen: Bermuda
Indienst­stellung: 2004
Passa­giere: 2592
Crew: 1250
Vermessung: 148.528
Länge: 345 m, Breite: 41 m, Tiefgang 9,9 m
Höchst­ge­schwin­digkeit: 30 Knoten/55,6 Stunden­ki­lo­meter

KONTAKT

Cunard Line
Am Sandtorkai 38, 20457 Hamburg
Tel. +49 (0) 40415330
www.cunard.de

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