Vinophiles Arezzo

17.12.2023
Torge Thies

Lesedauer: 4 Minuten

Sept. / Okt. 2017

Sommelier Torge Thies reist für gute Weine und für SAVOIR-VIVRE in der Weltge­schichte herum und hat für Sie den ein oder anderen Tipp zu atembe­rau­benden Weinen. In dieser Ausgabe berichtet er über einen Kurztrip in die Toskana, nach Arezzo.

Klar ist es inter­essant und bringt Spaß, Weine zu verkosten, zu beschreiben und zu bewerten. Aber wenn das dann zusätzlich noch mit einer kleinen Reise verbunden werden kann, ist es umso schöner und – wie ich finde – auch authen­ti­scher. So kam der Anruf eines Bekannten vom italie­ni­schen Somme­lier­verband auch zu einem mehr als angenehmen Zeitpunkt, denn in Hamburg hatten wir seit Wochen ein depri­mie­rendes Schmud­del­wetter. Das Ziel der Reise sollte Arezzo sein, die viert­größte Stadt in der Toskana, da dort eine kleine Weinmesse statt­findet mit Winzern von kleinen, privat geführten Weingütern.

Gemeinsam mit den Winzern haben wir im Hotel Minerva, in der Via Fiorentina 4, übernachtet. Wobei ich persönlich das Hotel Conti­nentale in der Piazza Guido Monaco 7 mit seiner schönen Dachter­rasse oder aber das im Zentrum gelegene Boutique Hotel Graziella Patio in der Via Camillo Benso Conte di Cavour 23, bezie­hungs­weise das etwas mondänere Relais Badia di Campo­leone in der Castel­luccio 38 bevorzuge. Wer es etwas ruhiger haben möchte, kann sich im Hotel Badia di Pomaio in der Nähe von Arezzo, in der Localita Pomaio 4, mit einem schönen Glas Chianti erholen.

Doch hat das Hotel Minerva den Vorteil, dass es praktisch schräg gegenüber meiner absoluten Lieblings­eis­diele, der Gelateria Creme Caramel, liegt. Für einen guten Wein würde ich wer weiß wohin fahren, aber für dieses Eis nehme ich auch so einiges auf mich. 

Arezzo hat aber noch so viel mehr zu bieten, wobei mich natürlich die Weine am meisten inter­es­sieren. Eigentlich ist dies immer und überall der Fall, doch sollte diese Stadt mit ihrer 2500 Jahre zurück­rei­chenden Geschichte unbedingt erkund­schaftet werden.

Für die Sammler antiker Gegen­stände ist zum Beispiel der älteste und größte Antik­markt Italiens verpflichtend, der am ersten Sonntag eines jeden Monats auf der Piazza Grande statt­findet. Ein unend­liches Eldorado! Hier findet man beinahe alles, was alt und nicht trinkbar ist. 

Gestärkt durch einen Espresso in einer der vielzäh­ligen kleinen Bars und Restau­rants, kann Arezzo weiterhin zu Fuss erkundet werden. Es geht ein paar Meter aufwärts zum höchsten Punkt, dem Dom von Arezzo. Wer denkt, die Elbphil­har­monie oder der Berliner Flughafen seien Langzeit­pro­jekte, der irrt. Denn es brauchte lockere 233 Jahre, bevor der Dom fertig­ge­stellt wurde (Baubeginn 1278). Seine heutige Fassade wurde sogar erst 1914 finali­siert. 

Die Entde­ckung zweier Weinperlen

Genug mit dem kultu­rellen Exkurs, hin, die italie­nische Weinluft in der La Casa del Vino in der Via Bettino Ricasoli 36 schnuppern. Hier kann man in aller Ruhe den ein oder anderen guten Wein probieren und sich einen Überblick über die Weinwelt um Arezzo herum verschaffen. So erfährt man auch, dass sich ganz in der Nähe das Weingut Fattoria La Vialla (Via di Meliciano 26, 52029 Castiglion Fibocchi) befindet. Mit seinen überschau­baren 1400 Hektar ist es das größte Demeter-zerti­fi­zierte Weingut seiner Art in Europa.

Zurück im Hotel ging es direkt in den Aufent­haltsraum, wo sich die Winzer bereits an einzelnen Tischen platziert hatten. Der eindeutige Vorteil einer solchen Präsen­tation – sowohl für uns Somme­liers und Händler als auch für die Winzer – ist, dass man genügend Zeit fürein­ander hat, keine unend­lichen Strecken vom einen zum anderen Stand zurück­legen muss und die Winzer sparen sich lange Anfahrtswege. Von den 22 Weingütern, deren Weine ich an den beiden Tagen probiert habe, beein­drucken mich insgesamt vier doch sehr. Zwei von den Weingütern möchte ich gerne kurz vorstellen.

Das Weingut Villa San Carlo konnte mit dem ausdrucks­starken Valpo­li­cella von 2016 punkten, der mit einer schönen konzen­trierten dunklen Waldbee­ren­aro­matik, gepaart mit einer dezenten Nussnote daher­kommt und für den Endkon­su­menten für 14 € zu haben ist. Eine Einstiegs­va­riante, denn Valpo­li­cellas sind in der Regel leichter und bekömm­licher vinifi­ziert und können gut auch mal zum Mittags­essen getrunken werden. Das privat geführte Weingut Villa San Carlo steht für hervor­ra­gende Qualität und gibt sich mit gewöhn­lichen „Schlab­ber­weinen“ erst gar nicht ab. Mir soll es recht sein, denn so ist der Wein, der es mir angetan hat, vom selbigen Weingut: Der Amarone 2012, mit 16 % Alkohol und 8,8 g/l Restzucker. Die Trauben wurden vorab für 120 Tage auf Stroh­matten gelagert und danach bei 16 bis 20 C° fermen­tiert. Vollmundig, besitz­ergreifend und prägnant kommt er daher und umschmei­chelt am Ende mit einer leichten Karamellnote. Mitschwingend und auch für einen guten Amarone typisch, die leichte bittere Note (amaro heißt übersetzt bitter), hier mit einer dezenten Süße gepaart. Das diese Art der Produktion und Qualität ihren Preis hat – nämlich um die 34 € – ist selbst­redend und sollte auch von der in Deutschland leider doch noch so stark verbrei­teten „Geiz ist geil“-Gruppierung akzep­tiert werden. 

Das zweite Weingut, das ich Ihnen nicht vorent­halten möchte, ist Fattoria Fazzuoli. Als ich dort am Tisch saß, kam ich mir wie beim Paten vor: Vier Männer um mich herum und der Don saß schweigend rechts, etwas weiter hinten. Und der Önologe hat mit seinem breiten Wissen die Weine erklärt. Zu allererst: alles biolo­gi­scher Anbau. Was in der heutigen Zeit der hochge­schätzten Bio-Eier doch sehr relativ ist. Aber die Erläu­te­rungen und die Einladung, sich das Weingut – welches eine gute Stunde von Arezzo entfernt ist – einmal anzuschauen, schienen seine Aussagen zu unter­streichen. Am Start war der Fazzuolo Chianti superiore DOCG 2013, der schon mit einer beein­dru­ckenden Kirsch­aro­matik, etwas Kräuter- und einer feinen Veilchennote daherkam. Zum Preis von 12,90 € musste ich mir das Lachen zwar nicht verkneifen, aber so etwas im Weinladen zu finden, würde mich als Konsument erfreuen. Er kommt zwar nicht ganz an meinen 

Liebling vom Weingut Monte Bernardi heran, was generell auch schwer ist, aber sehr er ist angenehm trinkbar. Das Flagg­schiff des Weinguts ist der Pugnitello. Eine Trauben­sorte, die, anders als früher gedacht, eigen­ständig und kein Klon vom Monte­pul­ciano ist. Ihren Namen hat sie übrigens von ihrer Traubenform, die einer Faust (pugno) ähnelt. Und diese Faust hat mich mittig getroffen. Schön vollmundig, gut einge­bundene Tannine, alles in allem noch etwas frisch und er könnte noch ein, zwei Jahre warten, bevor er geöffnet wird. Er war mehr oder weniger gerade frisch abgefüllt und noch nicht etiket­tiert. Ein Wein, von dem einiges erwartet werden darf – mit 70 € aber auch zu Recht. 

Restau­rant­tipps: 

Torre Santa Flora, www.torresantaflora.it
La Wineria, Via Alessandro dal Borro 74, 52100 Arezzo.

Ähnliche Beiträge

Gourmet-Herbst Naturns 2 Videos Teil 1 – Teil 2
Gourmet-Herbst Naturns 2 Videos Teil 1 – Teil 2
In 60 Gläsern um die Welt Oder zumindest durch Südtirol. Genauer gesagt, ...
Nicolas Artl: Grenzenlos kochen – der Geschmack des Dreilän­derecks
Nicolas Artl: Grenzenlos kochen – der Geschmack des Dreilän­derecks
Nicolas Artl ist neuer Küchenchef im Hotel Karnerhof (Faaker See, Kärnten)
Besuch beim Winzer – Reise­tipps
Besuch beim Winzer – Reise­tipps
Spaziergänge oder Fahrradtouren in der Natur. Malerische Landschaften ...
EUROPAS BESTE
EUROPAS BESTE
Ein jährliches Event für Geniesser im Hamburger Hafen auf der Ms Europa