WEINTA­GEBUCH: Wein und Musik: edle Seelen­tröster des Menschen

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 2 Minuten

Tatatataaa! – der Schlag­zeuger hat bei Beethovens populärster Sinfonie viel zu tun. Man sitzt im Konzertsaal und hat sich vorge­nommen, diesmal nicht zu träumen oder banal­er­weise die Streicher in solche mit gut und schlecht geputzten Schuhen einzu­teilen. Hingeben will man sich und berau­schen lassen von der Musik. Aber hinterher verlangt die Seele nach einem Aufguss, und es darf als sicher angenommen werden, dass es “Mozart­weine“ ebenso gibt wie „Wagner­weine“. Und zur expres­siven, spannungs­ge­la­denen Kraft der Fünften von Beethoven müsste entweder ein kapitaler Hermitage von der Rhone passen oder ein pracht­voller Portwein wie der 1955er von Taylor‘s.

Die These hat etwas für sich, dass Wein zur Musik erzieht und, umgekehrt, dass man durch Musik zum Wein hinge­führt werden kann. Das Forel­len­quintett von Franz Schubert wird durch einen beschwingten Riesling von der Mosel ideal ergänzt. Auch Champagner lässt sich dazu genießen. Zur tiefgrün­digen Zauber­flöte kann man sich gut einen reifen roten Burgunder vorstellen, denn kein anderer Rotwein verfügt über eine solche reich nuancierte Finesse wie ein großer Pinot noir. Eine Sinfonie von Schost­a­ko­witsch kann uns wiederum eine Ahnung von der Dramatik eines kapitalen Gewürz­tra­miners aus dem Elsaß, aus Südtirol oder der Südstei­ermark geben.

Aber was passt zur Fünften von Beethoven? Vielleicht, animiert vom „London Symphony Orchestra“ unter Mstislav Rostro­po­witsch, ein großer Portwein à la 1948er Taylor‘s oder 1970er Fonseca. Den Port wie die Sinfonie verbinden klare Struk­turen und eine expressive, spannungs­ge­ladene Kraft. Rostro­po­witsch, der nach einem Konzert in Bonn beim anschlie­ßenden Festmahl im Restaurant „Le Marron“ von einem Bewun­derer einmal gefragt wurde, was er zu Mozart-Sinfonien bevorzuge, zögerte keinen Augen­blick. “Rotwein“, sagte er, „Rotwein“. Freilich, Rostro­po­witsch würde auch zur Fünften von Schost­a­ko­witsch, zu der ein kapitaler Weißwein perfekt paßt, einen Roten trinken, ebenso wie zur Frosch-Arie aus der Fledermaus. Rostro­po­witsch trank nämlich am liebsten Rotwein. So einfach kann man sich das Leben insze­nieren.

Freilich kann es passieren, dass man zu den ersten Takten von Brahms eine Rhein­gauer Riesling Spätlese einschenkt, trocken und erdig, doch in der Mitte spürt, es hätte besser ein Grand Cru aus Chablis sein sollen. Musik massiert das Gemüt, lässt es aber, wie Butter auf einer heißen Kartoffel, auch leicht hin- und herrut­schen zwischen Euphorie und Schwermut. Das passende Getränk wird die von der Musik erzeugte Stimmung noch vertiefen, ins Heitere wie ins Melan­cho­lische. Mit Intellekt ist Musik sowieso nicht zu erfühlen, wohl jedoch so, wie es Anton Bruckner geraten hat: “Trinkts beim Wiener Heurigen an einem stern­hellen Juniabend ein Viertel Grünen Veltliner, schauts auf die Glühwürmchen, horchts auf die Grillen – nachher wißt‘s, was ein Schubert-Adagio ist.“

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