Beeren: einge­fangene Sonne und bestes Fast food

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 3 Minuten

Sorgfältig gebettet in Körbchen locken sie im Super­markt: kauf mich! Pflücke mich, scheinen sie, rot, grün, gelb und schwarz blinkend, im Wald, an Feldrainen und aus dem Unterholz zu schmei­cheln.

Beeren: einge­fangene Sonne voll natür­lichem Wohlge­schmack und erzgesund, weil reich an Vitaminen, Mineralien und Ballast­stoffen. Allein die schwarze Johan­nis­beere enthält viermal so viel Vitamin C wie Orangen. Jede Beere ist eine kleine Apotheke, ob klassisch heimisch à la Him‑, Erd‑, Stachel‑, Brom‑, Preisel‑, Heidel‑, Vogel‑, Holunder‑, Els- und Maulbeere, Sanddorn oder exotisch wie die nordische Molte­beere, die Anden­beere, asiatische Goj, nordame­ri­ka­nische, mit der Preisel­beere eng verwandte Cranberry, die Acai aus Brasilien, die impor­tierte Aronia, inzwi­schen auch als „sächsische Gesund­heits­beere« bekannt. Komplet­tiert wird der beerige Kosmos durch Züchtungen wie die Logan­beere oder die Taybeere (beide eine Liaison aus Him- und Brombeere) oder die aus schwarzer Johan­nis­beere und Stachel­beere hervor­ge­gan­gener Josta­beere – aus Logan‑, Him- und Brombeere ist bereits 1925 die sehr süße Boysen­beere entwi­ckelt worden. 

Die inten­siven Farben signa­li­sieren, dass Beeren­früchte reich an Flavo­noiden sind, also an natür­lichen Farbstoffen, die im Körper antioxi­dative Wirkungen ausüben und vor Schäden durch Sauer­stoff­ra­dikale schützen. Die in der freien Natur oder im heimi­schen Garten geern­teten Früchte schmecken inten­siver und enthalten in der Regel mehr gesunde Wirkstoffe als die in Plantagen gezüch­teten, oft überna­türlich groß geratenen Beeren.

Einkauf

Beim Einkauf sollte man auf Frische­zeichen achten: prall und glänzend müssen sie sein. Eine schrum­pelige Oberfläche oder gar Schim­mel­ansatz deuten auf überal­terte Ware hin. Beeren sind sehr druck­emp­findlich und wollen vorsichtig trans­por­tiert werden. Zu Hause werden sie am besten kühl gestellt oder – noch besser – gleich gewaschen und verzehrt bezie­hungs­weise zu Marmelade, Gelee, Kompott und Chutney verar­beitet oder sauer eingelegt. Sie reichern Bowlen an, geben Müslis, Kaltschalen, Obstsalat und vor allem Saucen das raffi­niert süßsäu­er­liche Aroma, sind unent­behrlich im Rumtopf, für rote sowie grüne Grütze und bei vielen Desserts vom gefüllten Pfann­kuchen und Soufflés über Strudel und ein Beeren-Gazpacho bis hin zu einem leckeren Himbeer­schaum­törtchen.

Zubereitung

Zwar sind Beeren keineswegs auf prächtige Insze­nie­rungen angewiesen; schon ein wenig Zucker und ein paar Tropfen Zitro­nensaft oder echter Balsam­essig – je nach Beeren­sorte vielleicht ergänzt um einige Körnchen frisch gemah­lenem Pfeffer – genügen, um deren feines natür­liches Aroma zu unter­stützen und zu heben. „Beeren­früchte sind echte Alles­könner«, rühmt denn auch Ronny Emborg, der kreative Sternekoch vom „AOC« in Kopen­hagen (www.restaurantaoc.dk), der bevorzugt mit heimi­schen Produkten arbeitet, wozu „neben Pilzen, Kräutern, Fisch und Wild natürlich auch Beeren« zählen. Den Koch, der beim moleku­laren Großmeister Ferran Adria gewerkelt hat, begeistert an Beeren deren natür­liche, ganz eigen­ständige und unver­wech­selbare Säurenote, die „vielen Gerichten eine enorm spannende und feine Würze verleiht«. Er liebt die Verbindung von grünen Erdbeeren mit Meeres­früchten und kombi­niert gerne schwarze Johan­nis­beeren mit Fleisch und Peter­silie – das fördere „wirklich sensa­tio­nelle Aromen zutage«.

Konven­tio­neller angelegt ist eine mit Portwein und grob zersto­ßenem Pfeffer angemachte Himbeer­ma­rinade zu einem Schwei­ne­filet, gebraten in einer Pfanne, in der zuvor Zucker in Butter karamel­li­siert worden ist. Delikat schmecken in Balsam­essig, Orangensaft und Honig marinierte Beeren zu einem grati­nierten Ziegenkäse.

Originell ist ein Beerenbrot: Him‑, Brom‑,Johannis- und Heidel­beeren mit Olivenöl, Zitro­nensaft und Holun­der­sirup marinieren, auf würzige Brotscheiben verteilen, die zuvor kräftig in Butter angeröstet und üppig mit Ziegenkäse bestrichen worden sind. Alles leicht salzen, mit gehackter Minze bestreuen und mit Pfeffer würzen. 

Für raffi­nierten Genuß sorgen Essig­beeren zu einem Roastbeef: Die Beeren – Mischung je nach Saison (sehr fein sind Himbeeren, Brombeeren und Walderd­beeren) – einige Tage lang in einem halben Liter bestem Rotwein­essig nebst je einem Zweig Salbei sowie Lavendel, einer Chili­schote und 3 Gewürz­nelken in einem fest verschließ­baren Gefäß und bedeckt mit 125 ml feinem Olivenöl an dunklem Ort ziehen lassen.

Beeren lassen sich in Teig einwi­ckeln und in heißem Fett knusprig backen. Wonnen vermittelt ein Huhn, gefüllt mit halbierten Brombeeren und Stachel­beeren, mit Rosmarin, Zitro­nen­schale und Knödelbrot, gewürzt mit Salz und Pfeffer, außen einge­rieben mit rotem Papri­ka­pulver, Butter, Salz und Pfeffer, dann in einer feuer­festen Form im Rohr etwa eine Stunde lang gebraten und schließlich aufge­tragen in einer Sauce, zubereitet aus fein gehackten Schalotten und Knoblauch, in Olivenöl mit Honig und Rosmarin weich geschmort, mit Weißwein abgelöscht und mit Hühnerfond eine Viertel­stunde lang einge­kö­chelt, danach mit weiteren Brombeeren und Stachel­beeren, diesmal ganz gelassen, noch fünf Minuten fertig gegart. Das Huhn mit dieser Beeren­sauce servieren, mit Zitro­nensaft, Salz und Pfeffer abschmecken. Eine ideale Beilage dazu ist Reis, würzig gekocht mit einer Zwiebel, gespickt mit Nelke und Lorbeer.

Außerhalb der Saison lassen sich Beeren jeglicher Art nutzen, die unmit­telbar nach der Ernte getrocknet oder einge­froren worden sind – bei letzteren empfiehlt es sich, die Beeren auf einem Brett auszu­breiten, einzeln vorzu­ge­frieren und anschließend in Beutel zu verpacken. So halten sie sich bis zum nächsten Sommer und können den Winter versüßen.

Ronny Emborg schätzt sie für die Zubereitung von Pürees. Beeren zählten von früh an zu den ersten und liebsten Nahrungs­mitteln des Menschen, sie versorgten die Jäger wie den Bauern mit Energie und dienten in getrock­neter Form, später auch sauer oder in Alkohol eingelegt und solcherart konser­viert, als hochwertige winter­liche Zutat. Das schönste Kompliment stammt von René Redzepi, einem anderen berühmten  Koch aus Kopen­hagen – sein „Noma« schmückten Sterne vom Michelin  , der bekannte: „Getrocknete Beeren sind das beste Fast food der Welt

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