Ein bisschen Luxus möcht schon sein

17.12.2023
Horst-Dieter Ebert

Lesedauer: 4 Minuten

Sept. / Okt. 2017

Horst-Dieter Ebert reiste für Savoir-Vivre zehn Tage lang auf der neuen „MS Mein Schiff 6“.

An Land würde man das „Hard Selling“ nennen: „Und wenn Sie das tägliche Wein-Abonnement erwerben“, so lächelt der nette Sommelier aus Bosnien, „dann können Sie im Atlantik-Restaurant jeden Abend einen Tisch reser­vieren!“

  Doch wir befinden uns auf hoher See, alle sind in den Ferien, und die so angespro­chene Gruppe auf dem „Gourmet-Rundgang“ (viele Probier­häppchen und ‑schlückchen) empfindet das erkennbar als einen inter­es­santen Vorschlag, denn die begehrten Tische im Atlantik-Restaurant sind sonst nicht im Voraus buchbar.

  Was heißt Tische: Natürlich sind das „Wohlfühl­tische“, denn ich bin ja mit der Tui Cruise unterwegs, die alle ihre Schiffe „Wohlfühls­chiffe“ nennt, die unter „Wohlfühl­flagge“ segeln, und aus den freund­lichen beiden Vorsilben so eine Art allge­meinen Adels­titel gemacht hat: Da gibt es den Wohlfühl­urlaub, den Wohlfühlduft, ‑genuss, ‑kurs, ‑raum, ‑pasta, ‑lächeln; man wundert sich, wie viele Begriffe sich auf diese Art veredeln lassen.

Nachts Fahrt im Kreis?

Unser Schiff ist das jüngste der TUI, „Mein Schiff 6“, Jahrgang 2017, mithin die Krönung der „Wohlfühl­flotte“. Und es scheint tatsächlich, dass hier die Erfah­rungen mit den Vorgänger­schiffen sich zu einer neuen Qualität vereinigt haben, ohne dass spekta­kuläre Änderungen erfor­derlich waren – die ja auch für die wichtige Gruppe der Stamm­gäste (kreuz­fah­re­risch: „Repeater“) immer eher abschre­ckend wirken.

Die wollen ja, so die Erfahrung der Kreuz­fahrt-Manager, am liebsten alles so wieder­finden, wie sie es auf der letzten Reise verlassen haben. Dennoch waren wieder Novitäten angekündigt worden.

  Unsere „Ostsee-Baltikum“-Reise startet in Kiel. Zwischen Kiel und Danzig haben die Routen­planer den beliebten ersten Seetag gelegt. So hat das Schiff für die kaum mehr als 360 Seemeilen 36 Stunden zur Verfügung, da wundert es nicht, dass es fast still­zu­stehen scheint: „Lassen Sie denn nachts zwischen­durch Kreise fahren?“, fragt ein vorwit­ziger Witzbold den öster­rei­chi­schen General Manager Thomas Eder, doch der erweist sich als durchaus ironie­begabt: „Nein, wir ziehen Achten vor, damit sich nicht eine Seite des Schiffes zu sehr abnutzt!“

  Die „Mein Schiff 6“ ist total ausge­bucht, und dazu sind über 300 Kinder an Bord, von denen man freilich nur wenig sieht; sie amüsieren sich zumeist in ihren diversen Kinder­clubs. Im Übrigen sind die teuersten Kabinen am begehr­testen: „Die Suiten sind stets zuerst ausge­bucht“, sagt Eder, und das, obwohl die teuersten fast zweiein­halbmal so viel kosten wie ein „Normal­pas­sagier“ einbringt. Dafür genießen ihre Bewohner auch außerhalb ihrer opulenten Behau­sungen eine Reihe von kaum bekannten Vorteilen. 

Pommery in kurzen Hosen

Denn offiziell gibt es auf den „Mein Schiff“-Schiffen keine first class wie auf der „Queen Mary 2“ und ihren könig­lichen Schwestern, auch keine spezielle „Yacht Class“ wie auf den Schiffen der italie­ni­schen MSC. So entstanden Einrich­tungen einer verbor­genen quasi „Krypto-First-Class“. Sie sind so unauf­fällig und versteckt, dass der Nicht privi­le­gierte sie kaum je bemerkt, es sei denn, er stolperte über ein kleines Schild: „Zugang nur für Gäste der Suiten und Junior­suiten“. Das hängt zum Beispiel an der gut verbor­genen Eingangstür zur „X‑Lounge“ auf Deck 14, die sich nur mit dem Türschlüssel einer Suite öffnen lässt.

  Dahinter liegt eine Art Club Lounge, wie sie auch in manchem 5‑Sterne-Hotel geboten wird, doch eher noch feiner. Der halbrunde Raum im Heck des Schiffes ist luxuriös möbliert, der große Balkon mit opulenten Lümmel­sofas. Luxuriöses Fingerfood steht allzeit bereit. Frühauf­steher sitzen schon morgens um acht in kurzen Hosen bei einem Glas Pommery und lesen eine der tages­ak­tuell faksi­mi­lierten Tages­zei­tungen oder naschen von drei Sorten Kaviar: „Naja, ein bisschen Luxus möcht schon sein“, lächelt einer – hier ist das Leben wahrhaft first class.

Gleich über der X‑Lounge findet sich das X‑Sonnendeck, ein exklu­sives Areal mit eigenem Whirlpool, mit Liege­stühlen und Holly­wood­-Betten; aus den zweige­schos­sigen „Himmel & Meer-Suiten „können die Bewohner hier direkt eintreten. Da wundert man sich nicht zu hören, dass immer häufiger auch Ex-„Europa“-Passagiere an Bord sind; sie seien auf der Suche nach mehr Abwechslung, heißt es, und genössen auch die günstigen Preise (für eine Woche „Europa“ kann man ja hier zwei Wochen fahren).

Einmal auch ein Krimi-Dinner

„Und vergessen Sie nicht unsere kulina­rische Szene“, sagt Jörg Lindner, der oberste Küchenchef an Bord. Der humor­volle Franke hat die Entwicklung über die letzten Jahre mitge­staltet und ist überzeugt, dass man auf seinem Schiff heute besser und abwechs­lungs­reicher essen kann als je zuvor: „Das Hanami etwa war noch nie so gut!“

  Das panasia­tische Restaurant hat vor einem Jahr der Berliner Ausnahme-Koch Tim Raue unter seine Fittiche genommen. Es wurde verschönert und vergrößert, liegt hoch verglast im Heck, mit wunder­barem Sonnen­un­tergang auf ent sprechendem Kurs. Die philip­pi­ni­schen Kellner servieren mit weißen Handschuhen Raues berühmte Signature Dishes wie die Hanami-Ente oder die Wasabi-Garnele. Hier liegt, auf Deck 4, der kulina­rische Höhepunkt des Schiffes.

  Die anderen Spezi­al­re­stau­rants (also: zum Zuzahlen) finden sich drumherum: „Surf & Turf“ heißt das hoch beliebte Steak­re­staurant, in dem vom Fläminger Kleeschwein bis zum japani­schen Wagyu-Rind so ziemlich alle fleisch­lichen Genüsse aufge­tischt werden, mit vier Sorten Salz und fünf pathe­ti­schen Steak­messern zur Auswahl. Und gegenüber das „Schmankerl“, öster­rei­chische Folklore („Griaß di“) mit holzge­scheu­erter Gemüt­lichkeit. Einmal pro Törn findet ein kreischend fideles Krimi-Dinner mit den Stars des Musical-Ensembles statt.

  Ohne Zuzahlung essen jeden Tag über tausend Passa­giere in den beiden Teilen des „Atlantik“-Hauptrestaurants mittags und abends ein ansehn­liches 5‑Gänge-Menü, sie können wahlweise in der „Osteria“ Pizza und Pasta verzehren, Fisch­ge­richte bei „Gosch Sylt“, Burger bei „Tag & Nacht“ oder Tapas in der „Außen­alster“ auf dem Achterdeck, und schließlich gibt es auch noch das Buffet­re­staurant „Anckel­manns­platz“ mit 700 Plätzen. Dazu überall Wein, Bier und bunte Cocktails – alles nach TUIs „premium inklusive“-Konzept.

Ja, und Kritik gibt’s gar keine? Doch, was die Neuheiten betrifft: Die „Schaubar“ sollte zu einer Jazz-Bar aufge­rüstet werden, doch außer einem Saxophon in der Ecke und ein paar Schwarz-Weiß-Fotos histo­ri­scher Jazz-Größen gibt es nichts, man hört keinerlei Jazz, schon gar nicht live. Und der „Escape Room“, als neuer Freizeit-Trend aus Quiz, Denksport, Schnit­zeljagd und Nerven­kitzel gerühmt (hier zu „Spiel gegen die Zeit“ verdeutscht), wird viel zu selten geöffnet. So kamen in diesen zehn Tagen nur 24 Neugierige in den Genuss einer Escape-Tour: Die freilich haben sich auf spannende Art köstlich amüsiert, das hätte ich gern mehr Passa­gieren gegönnt!

Horst-Dieter Ebert

 

 

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