ERNTEDANK: Eine Ode an den Herbst, den kulina­ri­schen Tausend­sassa und ein Herbst­rezept von Stefano Cecco.

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 3 Minuten

Die Sonne kann im Herbst schon etwas müde sein, aber deswegen schläft sie noch lange nicht ein. In ihrer moderaten, behag­lichen Wärme glüht der Sommer noch ein letztes Mal auf, ehe er sich fröstelnd zurück­zieht. Von zeitge­nös­si­schen Dichtern ist schon seit langem nicht mehr zu erwarten, das sie eine Jahreszeit besingen oder gar – wie Thomas Mann, Heine, Dumas und sogar Grass – der Kochkunst eine Ode widmen. Heinrich Böll hatte beklagt, dass in der deutschen Literatur zu wenig gegessen und getrunken werde. Dabei würde gerade der Herbst eine künst­le­rische Lobpreisung verdienen, denn er ist nicht nur der „große Maler­meister“, als den die Poeten der Romantik ihn ergriffen porträ­tiert haben. Er ist auch ein kulina­ri­scher Tausend­sassa, der uns aufs Üppigste den Tisch deckt. Man braucht nur hinein­zu­greifen in dieses Stilleben der Natur. Motto: Erntedank!

Gestern war die Hitze noch um uns herum, jetzt glüht sie in den Farben des Herbstes. In dieser Pracht steckt zwar Melan­cholie, sozusagen bunt getünchte Wehmut darüber, dass wieder einmal ein Sommer zerronnen ist. Aber in seiner Zeit reift vieles, was dem Feinschmecker lieb ist: Austern und Muscheln jeder Art; Nüsse, Maronen, Feigen, Trauben; Karotten, Lauch, Kohl, Schwarz­wurzel; weiße Trüffel, Stein­pilze und Dutzende anderer Sorten wie etwa der großbe­schirmte Parasol oder die Krause Glucke, ferner Kürbis sowie Wild in sämtlichen Spiel­arten vom Hasen über das Reh und den Hirsch bis hin zu Rebhuhn, Fasan, Wildente, Taube und der göttlichen, leider selten gewor­denen Schnepfe.

Asketen und jene Hohepriester des Mager­seins, die jedes Körndl einzeln zählen und die Menschheit durch Verzicht in eine vermeintlich bessere Zukunft führen möchten, wissen freilich nichts von der Lebens­freude, die schon darin besteht, sich morgens in aller Heiterkeit das Essen für den Abend auszu­denken.

Herbstmenü

Ein klassi­sches Herbstmenü mit einem Hauch von Luxus könnte so aussehen: Austern pur vorneweg, danach ein Stein­pilz­ri­sotto, gefolgt von einem im Ganzen gegarten Steinbutt mit Sauce Béarnaise und neuen Herbst­kartöf­felchen (ideal: Kipfler, auch Bamberger oder Pfälzer Hörnchen genannt, La Ratte in Frank­reich), des Weiteren der Hauptgang als getrüf­feltes Rebhuhn nebst Weinkraut und karamel­li­sierten Trauben und schließlich vollendet durch ein Walnuss­soufflé.

Rusti­kaler ist folgende Variante: Muscheln im Weinsud, Schwarz­wurzel in heißer Butter, Wildragout mit Rotwein­scha­lotten, Kohl und Maronen­püree – Bratapfel aus dem Rohr. Und zwischendrin schmeckt die schlichte, doch delikate Liaison aus einem Glas keck säuselndem Feder­weißen mit frisch geschälten Walnüssen.

Herr, es ist Zeit, befiel den letzten Früchten voll zu sein, dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein, heißt es im Herbst­ge­dicht von Rainer Maria Rilke, der schließt: „Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr, wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.«

HERBST­REZEPT FÜR HOBBY­KÖCHE VON PROFIS

Speck-Pfifferling-Salat mit Wachtel­brust und Wachtel­eiern

Ausge­dacht hat es sich der Chefkoch des Bistros der THERME MERAN, Stefano Cecco, extra für den Herbst und SAVOIR-VIVRE

Speck-Pfifferling-Salat mit Wachtel­brust und Wachtel­eiern

Zutaten für 4 Personen: g. 600 Pfiffer­linge; g. 30 Olivenöl; g. 50 Speck; g. 15 Himbeer­essig; 4 Wachtel­brüste; Salz, Pfeffer, Thymian 4 Wachteleier Filo-Teig.

Zubereitung: Die Pfiffer­linge sorgfältig säubern, von Hand filetieren und in Olivenöl kurz anbraten und warm halten.In der gleichen Pfanne den in sehr feine Julienne geschnit­tenen Speck anbraten und in Himbeer­essig einlegen.Champignons und Speck mischen, mit Salz und Pfeffer würzen. Die gewürzten Wachtel­brüste getrennt braten und die hartge­kochten Wachteleier zubereiten. Für das Nest: Den Philo-Teig in Streifen schneiden, zu einem Nest formen und im Ofen goldbraun backen.

Chef Stefano Cecco

Schöner läßt sich die Stimmung nicht beschreiben, in die der Herbst uns versetzt: Er macht uns glücklich durch seine Üppigkeit, und die Magen­säfte des Feinschme­ckers beginnen begehrlich zu schnurren, denn er weiß, dass jetzt das Paradies geöffnet ist und das Leben rund und bunt ist wie ein Apfel. Wer den Herbst versäumt, lebt an sich selbst vorbei.

kfl

HINWEIS: Im Magazin SAVOIR-VIVRE veröf­fent­lichen wir regel­mäßig unter der Rubrik REZEPTE VON PROFI­KÖCHEN spannende Rezept­ideen. Alle Rezepte sind für Hobby-Köche leicht nachkochbar, denn es werden nur wenige Zutaten verwendet. Alle Rezepte sind für 2 oder 4 Personen.

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