Frühstück – ein Plädoyer gegen das Ritual des Ewiggleichen

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 3 Minuten

Das berühm­teste Frühstück gab es bei Tiffany, das teuerste ist impres­sio­nis­tisch, gemalt von Edouard Manet. Marlene Dietrich startete gerne mit frisch aufge­ba­ckenen Laugen­brezeln, Wurst, Schinken und Käse in den Morgen, begleitet von Champagner. In der Antike gab es in der Regel ein Glas Wasser im Stehen, so recht zum Speisen legte man sich erst abends zu Tisch. Das genüß­lichste Frühstück läßt sich privat zu Hause arran­gieren – an Sonntagen mit mehr Muße als sonst, also üppiger, länger und mit Mozart, kurzum: kulina­ri­scher. 

In der Regel wird das Frühstück konser­vativ insze­niert. Der Morgen ist für viele ein Ritual des Vertrauten, des Ewiggleichen. Nur keine Experi­mente, scheint das Motto zu lauten. Der Teetrinker wird niemals zum Kaffee greifen – und umgekehrt. Wer morgens schon Gulasch verträgt oder die kalt gewordene Hähnchen­keule vom Vorabend mit Genuss verspeist, gilt dem Müslifan als Ungeheuer. Der Franzose, der sich mit einem Croissant begnügt, das er in seinen „café au lait“ stippt, schaut verständ­nislos dem Engländer zu, wie der sich an Bohnen und gebra­tenem Hering ergötzt. Weil jedoch nichts spannender und zugleich reizvoller ist als das elegante Durch­brechen von Normen, bietet sich das Frühstück an, um verkrus­teten Struk­turen in heiterer Genüß­lichkeit zu entrinnen.

Das beginnt bei der Wahl des Getränks, ob Tee, Kaffee, Milch, Säfte. Heiße Schokolade wäre eine delikate Ergänzung. Und anstelle des kernigen Vollkorn­brotes sollte man auch mal duftiges Weißbrot nehmen, flankiert von Brioche und Crois­sants. Zum klassi­schen Reper­toire gehören Butter, Marme­laden, Schinken, Würste, Eier. Letztere weich gekocht im Glas, schaumig als Rührei oder, der Gipfel der Wonnen, in Form eines Spiegeleies auf Rahms­pinat mit großzügig darüber gehobeltem weißen Trüffel.

Köstlich schmeckt Kalbs­le­ber­wurst, dick auf Brioche oder eine Scheibe süßlichem Rosinen­stollen gestrichen. Das ist der Moment, wo man – im Rahmen beispiels­weise eines Schlem­mer­früh­stücks – die Flasche Portwein, edelsüßen Tokajer oder eine Riesling-Auslese von Rhein oder Mosel öffnen sollte. Es wäre auch Zeit für Champagner, der zum Lachs passt, zum Krabben­salat, zum Tatar mit Wachtel­eiern, zum Ziegen­frischkäse, den man sich je nach Tempe­rament entweder mit Quitten­gelee verfeinert oder mit einigen Tropfen Balsa­mi­coessig plus bestem Olivenöl.

Kraft und Mut für den Tag geben Fleisch­pas­teten, kalter Geflü­gel­braten und Gemüse­sülze mit Vinai­grette.

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Jedes Land hat seine Frühstücks­sitten. Während in vielen Mittel­meer­ländern dem Frühstück wenig Aufmerk­samkeit gewidmet wird, startet man in der Türkei opulent in den Tag. Restau­rants servieren das Frühstück auf keinen Fall nur auf einem Teller. Der Gast erhält immer mindestens 10 kleine Teller und Schalen mit den verschie­denen Zutaten.

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Hunger und Durst sind auch am Morgen getreue Begleiter des Menschen. Das Duo überlebt jede Sättigung, weshalb ihm immer wieder aufs Neue geopfert werden muß. Ob man es freudlos tut, nur weil die Natur es vorschreibt, oder vergnügt bis zum sinnlichen Behagen: essen und trinken muß der Mensch, also weshalb dann nicht aus der Pflicht eine Kür machen? Kulina­rische Kultur hat mit Luxus nichts gemein. Nicht das Geld macht den Gourmet, sondern die innere Einstellung sowie die Bereit­schaft, dafür etwas Zeit zu opfern und Liebe zu investieren.Wie bei Menschen, wo der erste Blick oft entscheidet, ob man sich mag oder nicht, werden beim Frühstück die Weichen für das Kommende gestellt. Die erste Mahlzeit des Tages spielt eine wesent­liche Rolle auf der Bühne des Lebens.

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