Von Walo von Mühlenen, Käseweltmeister und Affineur
Auf den großen italienischen Fachmessen springt es regelrecht ins Auge: Immer mehr Anbieter setzen auf Käseimitate. Die Verpackungen glänzen, die Präsentationen beeindrucken – aber was aussieht wie echter Käse, ist oft nur ein industrielles Ersatzprodukt. Ich beobachte diese Entwicklung mit wachsender Sorge. Denn während die Gastronomie spart, verliert der Gast an Qualität – und das oft, ohne es zu merken.
Was steckt hinter dem Kunstkäse?
Analogkäse – auch Kunstkäse, Käseimitat oder „Pizza-Mix“ genannt – besteht nicht aus Milch, sondern aus Milchproteinen und pflanzlichen Fetten (meist Palmöl), Stärke, Wasser und künstlichen Aromen. Hersteller produzieren ihn blitzschnell. Die Gastronomie greift zu, weil er günstig ist, zuverlässig schmilzt und sich leicht lagern lässt. Besonders in touristischen Gegenden oder in Tiefkühlspeisen landet das Imitat auf Pizzen, Lasagnen oder Sandwiches – häufig ohne jede Kennzeichnung.
Ein Fallbeispiel aus dem Urlaub
Eine Bekannte erzählte mir kürzlich von einem Erlebnis in Rom: „Wir saßen in einem hübschen Restaurant direkt an der Piazza. Die Pizza sah großartig aus – aber sie schmeckte seifig nach Kerzewachs, fettig, irgendwie leer. Erst später fiel mir auf, dass auf der Karte nur ‚Pizzabelag‘ stand. Kein Mozzarella, kein Käse. Ich fühlte mich regelrecht betrogen.“
Solche Erfahrungen häufen sich. Wer glaubt, in Italien automatisch echten Käse zu bekommen, irrt leider – besonders in touristisch stark frequentierten Vierteln.
Warum ist Analogkäse problematisch?
Kunstkäse liefert kaum Nährstoffe, dafür viele Zusatzstoffe und gesättigte Fette. Vor allem Palmöl steht in der Kritik: Für seinen Anbau roden Konzerne Regenwald, zerstören Lebensräume und setzen große Mengen CO₂ frei. Vor allem aber täuscht das Imitat den Geschmackssinn – und das Vertrauen der Gäste. Wer echten Käse erwartet, bekommt eine Mogelpackung.
So erkennen Sie den Käse-Schwindel
Zum Glück lässt sich der Unterschied erkennen – wenn man weiß, worauf man achten muss:
🔸 Speisekarten entschlüsseln
Begriffe wie „überbacken“, „Käsemix“ oder „Belag mit pflanzlichem Fett“ verraten oft den Einsatz von Imitaten. Fehlen der Begriff Käse oder Sortennamen wie Mozzarella di Bufala, Parmigiano Reggiano oder Grana Padano, lohnt es sich, nachzuhaken.
🔸 Einfach nachfragen
Eine kurze Frage bringt oft schon Klarheit:
„È formaggio vero o un preparato a base di grassi vegetali?“
(„Ist das echter Käse oder ein Produkt auf pflanzlicher Fettbasis?“)
🔸 Gütesiegel erkennen
DOP-Labels und (Denominazione d’Origine Protetta) garantieren Herkunft und Handwerk – und stehen für echte Qualität. Wenn steht Käse, wie Pizza mit Käse, darf in Europa kein Imitat verwendet werden.
🔸 Allergenhinweise prüfen
Fehlt der Hinweis auf Milch, handelt es sich wahrscheinlich nicht um echten Käse.
🔸 Bewusst bestellen
Wer ganz sicher gehen will, wählt Antipasti, Pasta mit Öl oder Fischgerichte – und verzichtet auf geschmolzenen Käse, wenn die Herkunft unklar bleibt.
Käse ist Kultur – kein Convenience-Produkt
Echter Käse braucht Zeit, Geduld und Erfahrung. Er reift, entwickelt Aromen, erzählt Geschichten. Er verbindet Landschaft, Handwerk und Tradition. In meiner Familie veredeln wir Käse seit Generationen. Wenn ich sehe, wie Kunstkäse echte Produkte verdrängt, geht es nicht nur um Geschmack – sondern um den Verlust eines Kulturguts.
Genuss braucht Haltung
Urlaub ist die perfekte Gelegenheit, Qualität zu erleben – nicht, um sich mit Industrieersatz zufriedenzugeben. Wer bewusst genießt, schützt nicht nur seine Gesundheit, sondern auch Produzenten, die für echtes Lebensmittelhandwerk einstehen.
Mein Appell: Schauen Sie hin, fragen Sie nach, wählen Sie bewusst. Denn echter Käse verdient mehr als eine Randnotiz – er verdient Respekt.
Zur Person
Walo von Mühlenen ist Käseweltmeister, Affineur in fünfter Generation und Verfechter echter Käsekultur. Er kämpft für Qualität, Transparenz und Genuss – und gegen Etikettenschwindel und Massenware.