Maiwonnen mit Bock, Scholle, Bachfo­relle, Bowle und Rübchen

30.04.2025
Karl-F. Lietz

Lesedauer: 4 Minuten

Von zeitge­nös­si­schen Dichtern ist schon seit langem kein Hymnus auf den Mai zu hören. Moderne Poeten beweinen lieber sich selbst und die Schlech­tigkeit der Welt. Dabei verdient gerade der Mai eine litera­rische Würdigung, denn er ist nicht nur für Roman­tiker und Verliebte, sondern auch für den Gourmet ein wahrer Wonne­monat. Im Mai gibt es, neben Spargel, Erdbeeren, Morchel, Rhabarber, Kräutern (wie Bärlauch und Kresse) sowie Wildsa­laten (wie Löwenzahn, Brennessel, Kresse) spezielle Delika­tessen, die uns kulina­risch erfreuen und Kraft spenden für den Rest des Jahres.

Der Maibock:

Das Reh gilt als Feinschmecker unter den Tieren, es zupft am liebsten Kräuter, junge Blätter, Knospen und Beeren. Und der ab Monats­mitte bejagbare Maibock hat, weil er sich von diesem frisch sprie­ßenden Grün ernährt, das zarteste Fleisch­aroma. Der Rücken gebraten oder die Keule im Rohr geschmort gehören zum Feinsten, was die Wildküche bietet. Ein Klassiker ist der im Salz- oder Brotteig gegarte Rehrücken: dichter, unver­fälschter Wildge­schmack, ein erzku­li­na­ri­sches Erlebnis. Der Teig schützt das Fleisch und bewirkt ein absolut natür­liches Aroma. Voraus­setzung ist freilich erstklassige Wildqua­lität, was auch heißt: kein tiefge­fro­renes Fleisch.

Wer den Maibock auf dem Markt kauft, sollte dies nur bei einem Wildhändler seines Vertrauens oder einem befreun­deten Jäger tun, um die Garantie für Frische zu haben. Leider wird oft Fleisch als Maibock angeboten, das bereits tiefge­froren war.

Das Mairübchen:

Diese anmutig kugelig geformten, weiß bis zartrosa nebst einem Hauch von Lila gefärbten Knöllchen aus der Kohlfa­milie mit dem feinen Geschmack von Radieschen und Kohlrabi, von den Franzosen Navettes genannt, lassen sich roh wie Rettich verna­schen oder angemacht als Salat. In den Genuß des feinen Geschmacks kommt freilich nur, wer sie nicht faustgroß auswachsen läßt, sondern sie bereits im Mai, spätestens im Juni als „Navets nouveau“ aus der Erde holt. Dicke Knollen mögen im Eintopf landen, die kleinen, jungen, zarten Navets sind zu höheren kulina­ri­schen Ehren berufen, nämlich grati­niert oder, raffi­nierter noch, glasiert als Begleitung zu geschmortem Lamm, Rinder­filet, Bauernente aus dem Ofen oder sautierter Gänse­leber. Dazu werden die Navets ganz und mitsamt ihren grünen Blättchen langsam in Butter mit Salz, einer großzügig bemes­senen Prise Zucker, etwas Pfeffer und ein wenig Wasser zugedeckt etwa 20 Minuten weich geschmort. Das Karamell bildet einen spannenden Kontrast zum leicht herben Geschmack des Rübchens.

Für einen Salat werden die Mairübchen mit etwas Meersalz in eine Alufolie gewickelt und bei 160 Grad gute 20 bis 25 Minuten im Backofen gegart – mit einem spitzen Messer oder einem Zahnstocher läßt sich testen, ob die Rübchen gar sind. Im Alu-Mantel lauwarm abkühlen lassen, danach achteln oder in feine Scheiben schneiden, mit einer Vinai­grette aus Olivenöl, etwas Zitro­nensaft, Salz, Pfeffer und Schnitt­lauch marinieren und an kühlem Ort etwas durch­ziehen lassen.

Die Maischolle:

Voraus­ge­setzt, die im Fisch­laden oder Restaurant angebo­tenen „Maischollen“ sind frisch gefangen und entstammen nicht der Tiefkühl­in­dustrie, ist dieser Platt­fisch mit den charak­te­ris­ti­schen rotgelben Pünktchen auf der dunklen Haut ein Lecker­bissen der beson­deren Art. Im Mai ist die Scholle deshalb so delikat, weil sie sich nach der Winterdiät mit Muscheln, Krebsen und kleinen Grund­fi­schen ein Fleisch angefuttert hat, das so zart, saftig und aroma­tisch ist wie sonst das restliche Jahr nicht. Der Kenner wird vor allem Maischollen goutieren, die nicht über den Tellerrand hinaus­ragen (um die 22 Zenti­meter ist das rechte Maß) und wie eine Seezunge goldbraun in Butter oder knusprig mit Speck à la Finken­werder gebraten sind.

Die Maifo­relle:

Für die wilde Bachfo­relle gilt ähnliches wie für die Scholle: Im Mai geangelt schmeckt sie wegen der nach der kargen Winterzeit reichlich erbeu­teten Insekten besonders köstlich. Die angemessene Zubereitung ist „blau“: Wasser, Weißwein, Essig, Salz, Pfeffer­körner, Zwiebeln, Karotten und Peter­si­li­en­wurzeln eine halbe Stunde köcheln, dann den Sud wallen lassen, die – ausge­nommene – Forelle hinein­legen (ideal ist ein Gewicht um die 300 bis 500 Gramm), den Topf vom Feuer nehmen und den Fisch fünf, sechs Minuten nachziehen lassen. Mit zerlas­sener Butter, Kartoffeln und flankiert von einem eleganten Wein à la trockene Riesling-Spätlese von Mosel, Rhein oder der Wachau ergibt das eine Mahlzeit, bei der man das schöne Gefühl hat, das rings um einen nur maiwon­nig­liche Bejahung ist.

Die Maibowle:

Sie hat die Unsterb­lichkeit eines Klassikers. Noch vor zehn Jahren galt sie als Fossil, aber weil die wirklich guten Dinge alle Moden überdauern, erleben wir die gloriose Wiederkehr der mit Waldmeister parfü­mierten und nach Belieben mit Erdbeeren oder Orangen­scheiben angerei­cherten Maibowle, einer Königin unter den Getränken, die bestri­ckend altmo­di­schen Charme mit der ewigen Jugend des Frühlings aufs Innigste mitein­ander verbindet.

Eine Maibowle ist von Haus eine klare Sache und doch eine Angele­genheit, die Charakter erfordert. Wer sie spritzig mag, wird feinherbe Rieslinge von der Mosel verwenden. Will man die Bowle kraft­voller, sind Riesling­weine vom Rheingau, aus Rhein­hessen, von der Nahe, der Pfalz, der Wachau oder dem Elsaß zu empfehlen.

Wie lange man den grünen Waldmeister, der noch nicht geblüht haben soll, im Wein ziehen läßt, ist Geschmack­sache. Zehn Minuten reichen in der Regel für ein kleines, etliche Stunden vorge­welktes Sträußchen und einen Liter Wein. Frisch gepflücktes Kraut sondert übrigens weniger Aroma­stoffe ab als leicht angewelktes; schlägt das Parfum zu stark durch, so gießt man einfach Wein nach. Zu beachten ist, dass die unteren Stiele möglichst nicht mit dem Wein in Berührung kommen.

Zucker muß nicht sein; wer’s ein bisschen lieblich haben will, kann als Grundwein eine Auslese mit zarter Fruchtsüße nehmen oder trockenen Wein mit edelsüßem mischen. Cognac, wie in manchen Rezep­turen vorge­sehen, macht die Bowle unnötig schwer. Schaumwein kann, muß nicht sein. Mineral­wasser ist eine Sünde: Wasser zum Wein ist vernünftig, Wasser im Wein überflüssig. Was den Reiz der Maibowle ausmacht, ist schließlich die Aroma­ti­sierung des Weins durch die leicht süßliche und zugleich zartbittere Würze des Waldmeisters, von dem der Mediziner Th. Taber­naementani 1664 in seinem Kräuterbuch schwärmte: „Im Mayen, wenn das Kräutleyn noch frisch ist und blühet, pflegen es viele Leite in den Wein zu legen und darüber zu trincken; soll auch das Herz stärken und erfreuen.“

Daß die Klasse der Bowle mit der Qualität des Weins steht und fällt, wusste schon Theodor Fontane, der seine „Maibowle a la Schaum­burger Hof“ mit einer Flasche Champagner aufgießt. Damals konnte man von den Dichtern noch was lernen.

 

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