Schwelgen trotz der »Salatlüge« in Farben und Formen

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 8 Minuten

»Ich weiß nicht, warum das so ist, aber fast alle Sänger halten sich für gottbe­gnadete Salat­mixer.« (Luisa Forbes)

„Es gibt drei Dinge, die eine Frau aus dem Nichts hervor­zaubern kann: einen Hut, einen Salat und einen Ehekrach.“ (Mark Twain)

»Ich habe nie etwas so Exqui­sites gegessen wie einen Salat aus satin­weißen Endivien, der mit behutsam einge­streuten Parma­veilchen parfü­miert war.« (Mary Frances Kennedy Fisher)

Im Sommer, wenn sich die Natur lüstern räkelt, es überall blüht und auch der Mensch eine seelische Häutung durchlebt, gibt es nichts Besseres für Auge, Gaumen und Magen als frisch gepflückten Salat. Es rüschelt und kräuselt der Lollo Rosso. Skurill spreizt sich der Löwenzahn, während der Batavia die weiche Linie vertritt und der Radicchio sich in Rottönen gefällt bis hin zum plaka­tiven Kardi­nals­purpur. Vereint man alle diese Stars zu einem Ensemble, eventuell ergänzt durch etwas bitter­wür­zigen Rukola, in Frank­reich als Rougettes bekannt und Rauke auf deutsch, so reicht das schon zu einem Salat­bukett von delikater Raffi­nesse, aber natürlich kann man es in dieser Küchen­dis­ziplin noch viel toller treiben. Die Zeiten sind längst vorbei, in denen der brave Kopfsalat die Szene dominierte. Das monochrome Grün von ehedem ist längst von einer bunten Vielfalt abgelöst worden.

Aber Salate sind nicht nur schön anzuschauen. Auch wenn Ernäh­rungs­wis­sen­schaftler wenig von grünen Salaten halten, sogar von einer Salatlüge sprechen – von Udo Pollmer, dem namhaften Lebens­mit­tel­che­miker, ist die Aussage überliefert, Salat sei so nahrhaft wie nasses Papier – . so enthalten frische Blätter, wie übrigens alle Pflanzen, außer viel Wasser, Amino­säuren, Mineral­stoffen, Vitaminen und Spuren­ele­menten auch Tausende sogenannter Sekun­där­ver­bin­dungen wie beispiels­weise Farb- und Bitter­stoffe, die durchaus funktionale Wirkung haben und dem Organismus gut tun. Zudem bietet Salat vernach­läs­si­genswert wenige Kalorien. Konträr zu indus­triell in Plastik­folie abgepackten und länger gelagerten Salaten aus dem Gewächshaus gilt vor allem für frische Garten- und Wildsalate, daß sie sogar das antioxi­dative Potential des Blutes stärken können. Insofern ist Salat auch Medizin, denn er erfrischt und „putzt den Magen aus“, wie es Rabelais, der große Dichter und mindestens so große Gourmand, ausdrückte, womit er meinte, dass Salat verdau­ungs­freundlich die sogenannte Reise der Gerichte fördert, was umso gründ­licher durch die kennt­nis­reiche Beimi­schung von Kräutern geschieht.

Ein guter Salat ist also niemals deplat­ziert – und gut ist er, ja vollkommen, wenn er die Zunge kitzelt, ohne zu brennen, den Gaumen erfrischt, ohne zu kratzen, den Magen anregt, ohne zu überreizen. So haben es jeden­falls um die Jahrhun­dert­wende die Autoren des berühmten Appetit­le­xikons definiert. Wörtlich genommen heißt Salat übrigens »Gesal­zenes«, es leitet sich vom latei­ni­schen »salare« her für salzen. Ohnedies darf das Thema nicht auf grüne Blätter beschränkt werden. Unter Salat läßt sich alles ordnen, was mit einer Vinai­grette oder auf der Basis einer Mayon­naise angemacht wird. Das gilt für Gemüse ebenso wie für Nudeln, Kartoffeln, Wurst, Käse, Eier sowie den unergründ­lichen Kosmos der Meeres­früchte von Austern und Muscheln über Heringe und Tinten­fische bis zum Hummer.

Die Varia­ti­ons­mög­lich­keiten sind praktisch unendlich. Zahlreich sind zudem die inter­na­tio­nalen Klassiker wie beispiels­weise: Brüsseler Salat (mit Chicoree, Kartoffeln), Chefsalat (Kraut, Tomaten, Eier, Kräuter); Griechi­scher Salat (bunte Mixtur aus Papri­ka­schoten, Tomaten, Gurken, Schafskäse); Caesar’s Salad (Eier, Römer­salat, Parmesan, Oliven, Croutons); Nizza­salat (Prinzeß­böhnchen, entkernte Tomaten­viertel, Kartoffeln, entsteinte Oliven, Sardellen, Kapern), Russi­scher Salat (gewür­felte Rüben, grüne Bohnen, Champi­gnons, Schinken, Hummer, Pökel­zunge, Sardellen, Trüffeln, Eier, Kaviar, gebunden mit Mayon­naise); Waldorf­salat (säuer­liche Äpfel, roher Knollen­sel­lerie, angemacht mit Mayon­naise und drapiert mit gehobelten Walnüssen); Sanssouci-Salat (Würfel von gebra­tener Fasanen­brust und Artischo­cken­böden mit Mayon­naise, die mit etwas Johan­nis­beer­gelee verrührt wurde, binden, mit kugel­förmig ausge­sto­chener Zucker­melone garnieren); Florida-Salat (Fein gehackte Ananas, Äpfel, Bananen und Sellerie werden mit einer Vinai­grette angemacht und auf einige der Länge nach aufge­schnittene Bananen­hälften gestrichen; Chrysan­themum-Salat (die Blumen werden fünf bis sechs Minuten gekocht und dann in eiskaltem Wasser abgekühlt. Nun die Blüten in einer Salat­schüssel mit einer Vinai­grette durch­mi­schen und mit etwas Curry­pulver bestreuen); Jane Cromwell’s‑Salat (Krevetten werden mit gekochten und würfelig geschnit­tenen Weißrüben, Mandeln, Kapern, weißen Trauben und einge­machten Perlzwiebeln vermischt, mit ein wenig Zucker bestreut und mit einer Vinai­grette angemacht).

Ungemein delikat schmeckt ein proven­ca­li­scher, speziell in Nizza gepflegter Klassiker namens „Mesclun“: ein Ensemble aus jungen Blatt­sa­laten, Kräutern, Blüten & Co (und bitte nicht zu verwechseln mit den schlicht klein gehäck­selten Salat­blättern, die unter diesem Titel in Super­märkten abgepackt angeboten werden).

Originell ist der „Japanische Salat“: Drei Dutzend Muscheln werden gekocht, den Schalen entnommen, mit einigen Perlzwiebeln vermengt, in einer kleinen Kasse­rolle mit Weißwein übergossen – gerade so viel, daß die Meeres­früchte bedeckt sind – und bei milder Hitze fertig gedämpft, ohne daß es kocht. Während­dessen gart man Salat­kar­toffeln – ungefähr halb so viele wie das Muschel-Zwiebel-Gemenge (beste Wahl: La Ratte oder deutsche Kipfler) – und schneidet die in Scheiben. Die werden in einer Salat­schüssel mit dem von den Muscheln abgegos­senen Wein beträufelt und reichlich mit gehackter Peter­silie vermischt. Schließlich werden die Muscheln hinzu­gefügt, des Weiteren zwei Eßlöffel Mayon­naise und etwas Vinai­grette nach persön­lichem Geschmack. Das Ganze soll ausgiebig mitein­ander vermengt werden; garniert wird zum Schluß mit ein wenig fein gehackter Pimper­nelle.

Und Anti-Salatisten sollten lesen, wie schwel­ge­risch Giacchino Antonio Rossini, der Meister der italie­ni­schen Oper und des Crescendo, in einem Brief an seine Geliebte – und spätere Ehefrau – Isabelle Colbran eine von ihm kompo­nierte Salat­sauce beschrieb: „Nehmen Sie Olivenöl aus der Provence, engli­schen Senf, franzö­si­schen Essig, ein wenig Zitro­nensaft, Pfeffer und Salz. Das alles tüchtig verrühren und gut vermi­schen. Einige Trüffel dazugeben, die Sie sorgfältig in dünne Scheiben geschnitten haben. Die Trüffel verleihen der Würze so etwas wie einen Heili­gen­schein, um ein Leckermaul in Ekstase zu versetzen.“

Daß Rossini leichthin “einige Trüffel“ vorschreibt, war vor 150 Jahren kein Ausflug in den Luxus, denn damals waren die schwarzen Knollen weniger rar und nicht so sündteuer wie heute. Ein mitschmau­sender Kardinal hat den Kompo­nisten für dessen Sauce übrigens gesegnet. Natürlich bedürfen Salate nicht der trüffe­ligen Extra­vaganz. Es gibt tausen­derlei Varianten zur Insze­nierung ebenso leckerer wie schicker Tafel­freuden. Ob man beispiels­weise Knoblauch pur dazu tut, nur die Schüssel mit diesem herrlichen Duftlackel ausreibt, völlig auf ihn verzichtet oder den Salat parfü­miert, indem man den mit knofel­ge­schwän­gertem Atem lediglich zart anhaucht, ist ebenso Anlaß für lange Diskus­sionen unter prakti­zie­renden Gourmets wie die Wahl des Essigs sowie des Öls. Feldsalat, eventuell angerei­chert mit lauwarmen Kartof­fel­scheiben oder knusprig gebra­tenen Weißbrot­stücken, wird mit einem echten schwarzgrün schim­mernden, nussig schme­ckenden Bauern­kür­bis­kernöl zur Beson­derheit. Mohnöl plus einige Spritzer Limonensaft eignet sich zur Parfü­mierung roher, fein geschnit­tener Möhren. Kerniger Löwen­zahn­salat bedarf wiederum eines kraft­vollen Bio-Rapsöles, je nach Gusto auch flankiert von gebra­tenen Speck­streifen oder mariniert mit Blauschim­melkäse. Zu Blatt­sa­laten paßt jederzeit feinstes Olivenöl. Und ein Tipp nebenbei: Einige Tropfen Sherry – je nach Art des Salats als Fino, Manza­nilla oder Amontillado – verleihen jeder Vinai­grette eine raffi­nierte Note.

Harry Schraemli über Salate und die Sauce des Apicius: „Eigentlich ist über den Salat schon längst alles geschrieben worden, was schrei­ben­swert ist.«

Vor genau dreihun­dert­zwanzig Jahren machte sich ein gelehrter Mann namens Salvatore Massonio dahinter, dem Salat, diesem ewig verkannten Wohltäter, ein litera­ri­sches Denkmal zu setzen, das nicht weniger als achtund­siebzig Kapitel und vierhun­dert­sechs­und­zwanzig Seiten zählt. Er nannte das Werk Archi­dipno oder vom Salat und seinem Gebrauch. (Das Wort Archi­dipno stammt vom griechi­schen Deipnon, der Haupt­mahlzeit der klassi­schen Zeit, die gewöhnlich vor Sonnen­un­tergang einge­nommen wurde.) Nachdem sich Massonio zuerst einmal fuchs­teu­felswild über einen Homer-Übersetzer herge­macht hat, dem es einfiel, ein Salat-Gericht in ein homeri­sches Essen einzu­schmuggeln, schlägt er sanftere Töne an und bemüht sich in der Folge, aus allem, was der liebe Gott wachsen läßt‚ Salat“ zu machen…

Nun muß ich erst noch betonen, daß Massiono’s Werk hochin­ter­essant ist, zitiert er doch alle Stimmen des Altertums über die ihn bewegende Materie…In der antiken Küche nahm der Salat den einzig vernünf­tigen Platz ein; er wurde zu Beginn des Essens aufge­stellt und blieb während der ganzen Mahlzeit in Reich­weite. Apicius geht sogar so weit, seinen Lesern eine fertige Salat­sauce vorzu­setzen, die aus Ingwer, grüner Raute, Datteln, Pfeffer­körnern, Honig, Kümmel­samen, einge­kochtem Fleischsaft und Essig besteht. Der Clou dieser ameri­ka­nisch anmutenden Mischung aber ist, daß Apicius empfahl, nach jeder Mahlzeit einen kleinen Schluck davon zu trinken. Prost!“

Heinrich Chira „Harry“ Schraemli (1904–1995), altem Schweizer Gastro-Adel entstammend, hat sich als Mixologe einen Namen gemacht (er schrieb u.a. „Das große Lehrbuch der Bar“). Der gelernte Koch und Kellner war aber zunehmend auch als gastro­so­phi­scher Schrift­steller tätig. Seine Salat-Etüde steht in dem 1949 im Zürcher Inter­verlag heraus­ge­ge­benem Buch „Von Lukullus zu Escoffier – ein Schlem­merbuch für kluge Frauen und gescheite Männer“.

Seit selbst der biederste Wochen­markt ein buntes Salat­pro­gramm anbietet, vom kalifor­ni­schen Eisberg­salat, den Zuckerhut und die intensiv würzige Rauke (vulgo Rukola) sowie die pikante Brunnen­kresse bis zum wieder­ent­deckten Lollo Rosso nebst dessen grünem Vetter, dem geschmacklich nahezu identi­schen Lollo Bianco, kann man den Salat farblich auf das Kleid seiner Lieblingsfrau abstimmen oder sonstwie nach modischen und auch emotio­nalen Aspekten kompo­nieren. Die früher übliche Norm des schlichten Grüns ist durch­brochen. Heute schwelgt der Salat-Affici­onado je nach Anlass und Stimmung in Rosa-Lila oder barock in Gelb-Grün-Rot. Rot allein kann apart sein und ein Gelb in vielen Schat­tie­rungen, wie man es sich mit Frisée und dem milden weißen Löwenzahn auf den Teller zaubert, ist ein eleganter optischer Effekt, der sich, ästhe­tisch wie geschmacklich, noch steigern läßt. wenn man den Salat mit Blüten à la Gänse­blümchen, Rosen, Ringel­blume, Stief­müt­terchen, Dahlien, Kapuzi­ner­kresse & Co drapiert.

Selbst­ver­ständlich ist auch die Endivie, die gute Alte, nicht zu verachten. Im Verein mit ziemlich weich gekochten, unbedingt lauwarm angerich­teten Kartoffeln von speckiger Art und einem reich­lichen Hauch Knoblauch ergibt sie einen Salat, der an rusti­kaler Delika­tesse noch gewinnt, läßt man lässig ein weich gekochtes Ei darüber fließen. Und der Rapunzel, der auf manchen Bergwiesen zwergen­klein bis in den Mai hinein wächst, lässt sich an nussigem Aroma von keinem neumo­di­schen Blatt überbieten. Das sind Klassiker, auf die ein Gourmet nie verzichten wird. Doch ist er ebenso dankbar für die vielen neuen Salat­zierden wie beispiels­weise den wieder entdeckten fleischigen Portulak, den postmodern verspielten Eichblatt­salat oder den einem kräftigen grünen Wuschelkopf ähnelten „Frillice“, auch „krauses Eis“ genannt, eine Kreuzung aus Frisée und knackigem Eisberg­salat mit zartbit­terem Aroma.

Ein Kapitel für sich ist der bescheiden auftre­tende Römer­salat aus der Familie der Lattiche. Der darf in keinem »Caesar’s Salad« fehlen und war, der Name drückt es aus, schon im alten Rom beliebt. Im ältesten Dokument, in dem Salat erwähnt wird, dem Werk „De re rustica“ des Schrift­stellers Lucius Junius Columella (1. Jahrhundert n. Chr.), wird über Anbau und Zuberei­tungs­arten für verschiedene Lattichs­orten berichtet. So beschreibt der Chronist, daß die Römer den Salat frisch mit Essig, Öl und Gewürzen verzehrten oder ihn, zusammen mit Bohnen, Fenchel, Dill, Lauch und übergossen mit einer Salzlake, in Fässern eingelegt haben – „insalata“ genannt. Plautus, der römische Lustspiel­dichter, hat den Salat zu den „könig­lichen Speisen“ gezählt, und Kaiser Augustus wurde angeblich von seinem Leibarzt durch eine Lattichkur vom Leber­leiden befreit.

Salat und Wein:

Selbst in Gourmet-Magazinen war lange zu lesen, dass Wein zu Salaten verpönt sei – zu viel Säure, und gehörten obendrein süßsäu­er­liche Tomaten oder Artischocken mit ihren Bitter­stoffen zum Programm, habe der Wein überhaupt keine Chance. Es ist schon richtig, dass sich zwei Säuren beim Aufein­an­der­treffen addieren, also besonders aggressiv wirken. Doch abgesehen davon, dass es Weine von geschmei­diger Fülle, solche mit starkem Körper bei geringer Säure (wie beispiels­weise burgun­dische Chardonnays, badische Graubur­gunder, fränkische Silvaner-Spätlesen, Grüne Veltliner), reibungslos mit jedem Salat aufnehmen, legen edle Köchinnen und gütige Köche salatige Kompo­si­tionen heute derart fein an, nämlich behutsam dosiert mit hochwer­tigem Essig und besten Ölen, dass dazu auch Gewächse herben Charakters passen, etwa reife Rieslinge, Sancerre bezie­hungs­weise Pouilly Fumé von der Loire, klassisch ausge­bauter Chablis.

Wann man den Salat serviert, ob als Vorspeise, ob anstelle des lange Jahre modisch gewesenen Sorbets inmitten eines Menüs zum Erfri­schen der Geschmacks­nerven, ob danach zum Käse oder ob man ihn überhaupt als Solonummer anlegt, begleitet – je nach Salattyp – von einem frisch­ge­ba­ckenen Baguette oder kernig-herzlichem Roggenbrot, ist eine Sache der persön­lichen Entscheidung, die man entweder spontan trifft oder gastro­no­misch wohlüberlegt.

Als Vorspeise öffnet Salat den Magen, in der antiken Küche wurde er als „grüne Ouvertüre“ zu Beginn des Essens auf den Tisch gestellt. Im 19. Jahrhundert, als große Kochkünstler wie Antonin Câreme und später Auguste Escoffier unter dem heute noch gültigen Begriff  »Haute Cuisine« eine moderne Küche begrün­deten, wurden Salate auch nach dem Hauptgang serviert, also vor dem Dessert oder gegebe­nen­falls einem Gang mit Käse. Diätbe­wußten Menschen und Models dient er als Haupt­ge­richt.

Es steht also außer Zweifel, dass Salat eine köstliche Leckerei ist, sofern die Zubereitung nicht in die Hände von Barbaren fällt. Regel Nummer eins: kreativ sein, auch neue Wege gehen und sich der Vielfalt an Ölen, Essigen und Gewürzen bedienen. Regel Nummer zwei: Die Blätter müssen trocken sein, es sollte kein Tröpfchen Wasser an ihnen haften. Regel Nummer drei: Salat bitte nie, wie es in öster­rei­chi­schen und auch süddeut­schen Haushalten und Gasthöfen leider allzu oft noch Brauch ist, in Essig­fluten versinken lassen; das ist kulina­rische Barbarei. Salat sollte nicht triefen, deshalb nur soviel Sauce oder Dressing verwenden, dass kein Tropfen davon in der Schüssel zurück bleibt. Regel Nummer vier: nicht kunterbunt kräutern und würzen, sondern sich mit Bedacht auf ein, maximal zwei Kräuter beschränken und auch bei den Gewürzen haushalten. Regel Nummer fünf ist uralt und stimmig wie vor hundert Jahren: Den Essig handhaben wie ein Geizkragen, das Öl hingegen wie ein Verschwender, würzen wie ein Philosoph und das Ganze minutenlang mischen wie ein Narr. Nicht besonders erwähnt zu werden braucht, dass die Klasse des Salats nicht nur vom Rohprodukt abhängt, sondern auch durch Art und Qualität von Essig & Öl bestimmt wird: Himbeer­essig wirkt anders als Balsamico, Olivenöl schmei­chelt den Blättern anders als etwa Distelöl oder Kürbis­kernöl.

Dass man die Kunst der Salat­zu­be­reitung zum einträg­lichen Beruf machen kann, hat der Marquis d›Albignac bewiesen, der während der Franzö­si­schen Revolution nach England emigrierte und reich wurde, indem er den Gourmets unter den engli­schen Lords den Salat anrichtete. Er reiste im eigenen Wagen und ein Diener trug ihm in einem Mahago­ni­kasten alle Zutaten nach, die er für seine Arbeit benötigte. Das Reper­toire umfasste mehrere Sorten Öl und Essig, ferner Gewürze, Salz, Pfeffer, Kaviar, Trüffel, Sardellen, Kapern, feine Kräuter, hartge­kochte Eier, Eigelb und dick einge­kochten Fleischsaft namens „glace de viande“. Der Marquis avancierte bald zu einem der gefrag­testen Männer der Londoner Gesell­schaft und kehrte nach einigen Jahren mit einem ansehn­lichen Vermögen in seine Heimat zurück.

 

Alles Salat, das kann auch bedeuten: alles paletti.

 

 

 

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