Sommer­salate: Farben­rausch trotz „Salatlüge“

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 3 Minuten

Von der grünen Ouvertüre bis zur aroma­ti­schen Kompo­sition

„Es gibt drei Dinge, die eine Frau aus dem Nichts hervor­zaubern kann: einen Hut, einen Salat und einen Ehekrach“, spottete Mark Twain – und rückt damit Salat in die Nähe des Theatra­li­schen, Unbere­chen­baren. Auch wenn Udo Pollmer einst konsta­tierte, Salat sei „so nahrhaft wie nasses Papier“, hält sich das frische Blattwerk seit Jahrtau­senden als feste Größe auf unseren Tellern – als Auftakt, Zwischengang oder erfri­schendes Haupt­ge­richt.

Wer ihn nur auf Kopfsalat und eine Handvoll Gurke reduziert, verpasst ein Universum aus Textur, Farbe, Duft und Geschmack.


Schönheit in Blättern: Die neue Salatlust

Im Sommer, wenn sich die Natur verschwen­de­risch zeigt, räkeln sich auch die Salate: Der Lollo Rosso kräuselt sich in burgund­roter Eleganz, Batavia schmei­chelt weich, Radicchio setzt drama­tische Farbak­zente. In einem einzigen Teller vereint, ergibt das ein Bouquet, das jedem Blumengruß Konkurrenz macht – besonders wenn Wildkräuter, essbare Blüten und raffi­nierte Dressings hinzu­kommen.

Früher galt Salat als grüne Pflicht­übung, heute ist er kreativer Spiel­platz für Gourmets. Die Zeiten der blassen Blätter sind passé. Wer jetzt seinen Salat farblich auf die Garderobe abstimmt, tut es nicht aus Eitelkeit, sondern aus Lebens­freude.


Gesundheit trifft Geschmack – und das ganz ohne Kalorien­ballast

Ja, Salat besteht größten­teils aus Wasser – aber eben nicht nur. Seine Bitter­stoffe, sekun­dären Pflan­zen­ver­bin­dungen, Mineralien und Vitamine wirken antioxi­dativ, stoff­wech­sel­an­regend und verdau­ungs­för­dernd. Rabelais brachte es auf den Punkt: Salat „putzt den Magen aus“. Aller­dings: Frisch muss er sein – und aus der Region. Plastik­ver­packte Massenware aus dem Gewächshaus hat mit dem aroma­ti­schen Garten- oder Wildsalat wenig zu tun.


Mehr als Grünzeug: Salat als kulina­ri­sches Konzept

Der Begriff „Salat“ leitet sich vom latei­ni­schen salare – salzen – ab. Damit ist das Feld weit geöffnet: Alles, was in Öl, Essig oder Mayon­naise gebettet wird, darf sich Salat nennen. Ob Pasta, Fisch, Fleisch oder Obst – erlaubt ist, was schmeckt.

Einige Klassiker:

  • Caesar’s Salad mit Römer­salat, Parmesan und Croutons,

  • Nizza­salat mit Bohnen, Tomaten, Oliven und Sardellen,

  • Russi­scher Salat – ein opulenter Reigen aus Wurzeln, Schinken, Meeres­früchten und Trüffeln,

  • Waldorf­salat mit Apfel, Sellerie, Walnüssen.

Und dann ist da noch die hohe Kunst des „Mesclun“: junges Blattgrün, Kräuter und Blüten aus der Provence – fein kompo­niert, keines­falls aus der Plastiktüte.


Von Rossini bis Dumas: Salat als Bühne der Extra­vaganz

Der Komponist Rossini würzte seine Salate mit Trüffel – „ein Heili­gen­schein, um ein Leckermaul in Ekstase zu versetzen“. Alexandre Dumas wiederum beschreibt im Theater­stück Francillon einen „japani­schen Salat“, dessen Rezept eher an ein opulentes Meeres­bankett erinnert als an eine Beilage.

Auch der legendäre Marquis d’Albignac, der während der Franzö­si­schen Revolution als Salat­meister engli­scher Lords Karriere machte, bewies: Salat kann gesell­schafts­fähig, ja lukrativ sein – solange das Dressing stimmt.


Zubereitung: Die fünf Regeln des perfekten Salats

  1. Trocken muss er sein. Feuch­tigkeit verwässert Aroma und Dressing.

  2. Nie in Essig ertränken! Nur so viel Sauce wie nötig – kein Rest in der Schüssel.

  3. Weniger ist mehr. Maximal zwei Kräuter, sparsame Würzung.

  4. Essig wie ein Geizkragen, Öl wie ein Verschwender. So die alte Küchen­regel.

  5. Gut vermengen. Der Salat lebt von der Harmonie seiner Bestand­teile.


Öl, Essig und ein Hauch Sherry

Je nach Salattyp lohnt ein Spiel mit der Würze:

  • Feldsalat glänzt mit Kürbis­kernöl.

  • Möhren mit Mohnöl und Zitrone.

  • Löwenzahn mit Rapsöl und Blauschim­melkäse.

  • Ein paar Tropfen Sherry (Fino, Amontillado oder Manza­nilla) adeln jede Vinai­grette.


Und der Wein dazu? Aber ja!

Lange galt Wein als schwie­riger Begleiter zum Salat. Doch wer milden Essig, gutes Öl und feine Balance wahrt, kann wunderbar kombi­nieren. Körper­reiche, säurearme Weine passen ideal – etwa Chardonnay aus dem Burgund, Silvaner aus Franken oder ein gereifter Riesling. Auch Sancerre oder Chablis sind feine Partner – besonders bei Salaten mit Fisch oder Käse.


Schluss­ge­danke: Alles Salat – alles gut?

Salat ist kein Notnagel, sondern Bühne. Kein Diätkon­strukt, sondern Ausdruck kulti­vierten Genusses. Kein Gemüse, sondern eine Einladung zur Impro­vi­sation.

Oder wie die große Feinschme­ckerin M.F.K. Fisher schrieb:

„Ich habe nie etwas so Exqui­sites gegessen wie einen Salat aus satin­weißen Endivien, der mit behutsam einge­streuten Parma­veilchen parfü­miert war.“

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