Der Weg zur Weinregion Sonoma beginnt an der Golden Gate Bridge in San Francisco. Rund eine Stunde später sitzt man bereits auf der Terrasse eines Weingutes, genießt die Sonne und trinkt ein Glas gut gekühlten Chardonnay. Sonoma, das ist die kleine Schwester des berühmten Napa Valley. 425 Weingüter gibt es mittlerweile hier. Anders als im Nachbartal dominieren kleinere Weingüter. Auch die Landschaft ist vielfältiger. Es gibt nicht nur schöne Weinberge, die mal an die Toskana und dann wieder ans Piemont denken lassen. Auch dichte Mammutbaumwälder und wildromantische Küstenabschnitte gehören zu Sonoma.
Einen ersten Stopp sollten Besucher im Armstrong Redwoods State Natur Reservat machen. Für Glen Blackley ist der Park mit seinen kilometerlangen Wegen ein tolles Fitness-Center. Der pensionierte Lehrer führt ehrenamtlich Schulgruppen durch den 325 Hektar großen Mammutbaumwald, ist aber auch mit seiner Familie oft zu Fuß oder mit dem Fahrrad in der Natur unterwegs. Der Park um die mächtigen Baumriesen wurde im 19. Jahrhundert ausgerechnet von einem Holzmagnaten angelegt. Zumindest einen Teil der Küstenmammutbäume wollte er für die Nachwelt erhalten. Höhepunkte sind der „Colonel Armstrong Tree“, dessen Alter auf rund 1 400 Jahre geschätzt wird, und der „Parson Jones Tree“, der mit seinen fast 100 Metern als höchster Baum gilt. „Ich habe eine besondere Ehrfurcht vor diesen Kathedralen des Waldes entwickelt und auch eine Ahnung von der eigenen Bedeutungslosigkeit bekommen“, sagt Blackley angesichts dieser Wunder der Natur.
Spektakulär ist auch der Westen von Sonoma County, der sich bis zum Meer erstreckt. Dort stoßen der Pazifik und die raue Küste am wenig bekannten nördlichen Teil des Highway 1 dramatisch aufeinander. Die Strände eignen sich aber eher für Wanderungen als für ein Sonnenbad.
Historische Stätten
Am nächsten Tag steht eine Lektion in Sachen Geschichte auf dem Programm. Den Rahmen dafür bietet das charmante Städtchen Sonoma mit Kaliforniens größter Plaza. Der Platz wird von sorgfältig restaurierten historischen Häusern gesäumt, darunter befindet sich auch die Mission San Francisco Solano de Sonoma. Sie ist die letzte und nördlichste der kalifornischen Missionen. In die Geschichtsbücher aber ging das Sonoma Valley durch die sogenannte Bärenflaggen-Revolte ein. Das war 1864. Damals einigten sich weiße Siedler beim Wein darauf, dass die mexikanische Regierung nichts tauge. Kurzerhand riefen sie eine unabhängige Republik Kalifornien aus. Der Spuk dauerte nur 25 Tage. Geblieben aber ist bis heute die alte Flagge mit einem Stern und einem Grizzlybären auf weißem Grund.
„In Sachen Wein hat Sonoma dagegen eine enorm wichtige geschichtliche Rolle gespielt“, erzählt Jean-Charles Boisset. Er muss es wissen, schließlich ist der Franzose seit 2011 Besitzer von Kaliforniens ältestem Weingut: „Buena Vista wurde 1857 vom ungarischen Adligen Agoston Haraszthy in Sonoma gegründet“, erzählt er. „Er hat das Potenzial des Tales mit seiner einzigartigen Kombination von Klima und Boden für den Anbau von Reben erkannt und auch im Weinkeller mit neuen Techniken experimentiert“, berichtet Boisset weiter. „Er schuf die erste Kellerei mit Schwerkraft in Kalifornien, grub einen Fasskeller in den Fels und versuchte sich im Bau von Fässern aus kalifornischem Redwood-Holz.“ Nach dem Tod des Grafen folgten wechselvolle, durch Erdbeben, Reblaus und Prohibition geprägte Zeiten. Richtig aufwärts ging es mit dem Weinbau aber erst in den 1980er Jahren und als der „Wine Spectator“ 1989 von „Weltklasse-Weinen“ aus der Neuen Welt berichtete, waren Napa und Sonoma plötzlich berühmt. Heute präsentiert sich Buena Vista als sorgfältig restauriertes Weinbaumuseum mit einem historischen Champagnerkeller. Am besten buchen Besucher eine Führung. Im Anschluss daran können im Tasting Room einige der kostbaren Tropfen verkostet werden. Vor allem kraftvolle Rotweine wie Zinfandel, Cabernet, Merlot, aber auch Pinot noir oder erstklassige Cuvées können verkostet werden. Wer mag, kann Weine auch jahrgangsweise probierenoder sich selbst als „winemaker for a day“ in der Kunst des „wine blending“ versuchen. Dabei werden verschiedene Weine zu einer ausgewogenen Mischung verschnitten. Das Ergebnis können die Hobby-Winzer in Flaschen mit personalisierten Etiketten abfüllen und haben so eine schöne Erinnerung an das Erlebnis.
Weingüter laden zum Besuch ein
Überall in Sonoma haben sich Seiteneinsteiger in Sachen Wein engagiert. Darunter sind Hollywood-Größen, Millionäre aus Chicago und Los Angeles, Aussteiger von der Wallstreet oder ehemalige Professoren, die sich mit jeder Menge Enthusiasmus auf die Erzeugung von Wein konzentrieren und sich keine schönere Lebensaufgabe mehr vorstellen können. Francis Ford Coppola ist einer von ihnen. Bereits in den 1970ern begann der Regisseur von „Der Pate“ und „Apocalypse now“ auf dem Inglenook Estate im Napa Valley in Wein zu investieren. Seit 2010 besitzt er auch ein Weingut im Alexander Valley in Sonoma; das ehemalige Chateau Sovereign bietet ganz großes Kino. „Ein bisschen Show und Extravaganz schaden dem Geschäft sicher nicht“, meint der Eigner. Zum Erlebnisweingut gehört sogar ein Swimmingpool, und in Coppolas Filmgalerie sind zahlreiche Erinnerungsstücke ausgestellt. Zu sehen sind zum Beispiel der berühmte Schreibtisch, hinter dem Marlon Brando den heiser klingenden Paten gab, und eine Vitrine mit den fünf Oscars, die Coppola bisher gewonnen hat.
Auch MacRostie, ein erst 1987 gegründetes Weingut, kann zahlreiche Auszeichnungen vorweisen. Vor allem die frischen Chardonnays und Pinot noirs überzeugen die Weinliebhaber und wurden schon im Weißen Haus ausgeschenkt. „Die meisten Trauben kaufen wir von Farmern aus dem Russian River Valley“, erzählt Kellermeisterin Heidi Bridenhagen. „Sie kommen aus 130 verschiedenen, sorgfältig ausgewählten Lagen. Das ist ein toller Schatz, der uns die Erzeugung feiner Weine erlaubt“, sagt sie weiter. Die Produktion ist klein – lediglich 35.000 Kisten gehen pro Jahr in den limitierten Verkauf. Ganz neu ist das moderne Besucherzentrum mit einem kleinen Restaurant. Von der Terrasse bietet sich ein schöner Ausblick auf die Weinhügel des Russian River. Hier schmeckt der Chardonnay wohl am besten – er besticht durch feine Honignoten sowie Ananas- und Zitrusaromen. Auch der Pinot noir überzeugt. Dunkelrot mit einigen bläulichen Reflexen funkelt er im Glas. Zunächst dominieren Cassis und Blaubeeren, später, wenn der Wein sich im Glas voll entfalten konnte, kommen wunderbare Kakao- und Espresso-Noten hinzu.
Gutes Wein und gutes Essen
Zeit einplanen sollten Weinliebhaber auch für das Weingut Benziger. Warum? Gerade wurde die Weinführung wieder als Beste in ganz Sonoma County ausgezeichnet. Die Gäste sitzen dabei auf einem offenen Hänger, der von einem Traktor durch die hügeligen Weinberge gezogen wird. Unterwegs gibt es jede Menge Informationen auch zur Philosophie: „Unsere Prinzipien waren von Anfang an Zusammenhalt der Familie, großartige Weine und biodynamischer Anbau der Trauben. Heute sind wir 27 Benzigers, die im Familienbetrieb arbeiten“, sagt Erinn Benziger von der jüngsten Generation. Die Tour endet in der Bibliothek mit einer Verkostung der besten Tropfen. „Probieren Sie mal den Pinot noir, das ist mein persönlicher Liebling“, sagt Erinn. Man kann nur zustimmen.
Gutes und gesundes Essen spielt in der Region ebenfalls eine wichtige Rolle. Überall stößt man auf individuelle Restaurants, die nach dem Motto „Farm to Table“ kochen. Die Produkte kommen nach Möglichkeit aus der Region und frisch auf den Tisch. Das Fleisch stammt von Farmern der Umgebung und die Eier werden von freilaufenden Hühnern gelegt. Das ist Qualität, die man schmeckt.
Ganz auf italienische Kost setzt Christian Darcoli im Pinoli. Die Antipasti kommen mit sonnenverwöhnten Tomaten und heimischem Olivenöl auf den Tisch. Einfach köstlich sind die Pasta-Gerichte. Mal sind die Ravioli mit Kaninchen, mal mit Fisch gefüllt. Wer mag, kann sich auch für einen Wolfsbarsch oder Heilbutt aus Alaska entscheiden.
Weiter nach Norden
Wer von Sonoma über die Road 128 weiter ins benachbarte Mendocino County gen Norden fährt, kommt durch das Andersen Valley. „Vor dem Weinbau gab es hier nur Schafe und Apfelbäume“, berichtet die kundige Bedienung im Weingut Goldeneye und stellt einen Teller mit Salami, Schinken und würzigen Käsesorten auf den Tisch. „Und jetzt kosten Sie erst mal den Vin gris of Pinot noir“. Der frische Rosé überrascht mit fruchtigen Noten und passt, gut gekühlt, perfekt zu den Köstlichkeiten. Leider ist er ausverkauft und man kann ihn nur noch hier verkosten. Zu haben sind wunderbare Pinot noirs, die allerdings auch stolze Preise haben. Sie sind das Aushängeschild des Weinguts und wirklich eine Klasse für sich. Das benachbarte Weingut Phillips Hill befindet sich in einer zweistöckigen Holzscheune, in der früher Äpfel getrocknet wurden. Heute setzt man hier unter anderem auf Riesling. Das Resultat kann sich durchaus sehen lassen. Im Yorkville Cellar sind es dagegen exzellente Rotweine, die zu kraftvollen Cuvées im Bordeaux-Stil vermählt werden.
Kulinarischer Höhepunkt der gesamten Region ist das River‘s End. Die Mail-Adresse www.ilovesunsets.com lässt schon eine großartige Lage vermuten. Besitzer Bert Rangel hat aus dem traumhaft an der Mündung des Russian River in den Pazifik gelegenen Lokal auch eine Adresse für Gourmets gemacht. „Bei uns bekommen Sie Wild King Salmon aus dem Pazifik, natürlich frisch und perfekt von Küchenchef Martin zubereitet.“ Kostenlos dazu gibt es den Ausblick – aber man muss frühzeitig reservieren.
Detlef Berg