Der Kürbis: ein nahrhafter Koloß und Symbol des prallen Lebens. Erlesene Rezepte sowie ein Tipp für ein tolles Kürbis­kernöl.

Karl-F. Lietz

Lesedauer: 6 Minuten

Es gleicht einer expres­sio­nis­ti­schen Orgie in Formen und Farben, was sich zur Kürbis­ernte auf den Feldern abspielt. Es gibt keine sinnli­chere Frucht als den Kürbis, diesen nahrhaften Koloß, in süddeut­schen Regionen schlicht Plutzer genannt. Etliche Gemälde verweisen auf erotische Signale; man entdeckt den Kürbis in Stilleben und Madon­nen­bildern oder Szenen wie der Versu­chung des Adams. Es ist diese üppige Formen­vielfalt, die Bewun­derung ebenso erregt wie Abscheu, und bei der „fête du potiron“, dem Fest zu Ehren des Riesen­kürbis, das einst in den alten Markt­hallen von Paris gefeiert worden ist, ging es bohemi­enhaft zu. Rein dem Genuß gewidmet ist das „Fest der Dickköpfe“ im Oktober in Venzone (Friaul), wo sich – wie übrigens auch in Brandenburg sowie süddeut­schen und öster­rei­chi­schen Regionen – künst­le­risch wie kulina­risch im Herbst alles um den Kürbis dreht.

Kürbisse sind nun mal wie das pralle Leben: rund, bunt, lecker. Die Cucur­bi­to­logen, also die Kürbis­for­scher, unter­scheiden schät­zungs­weise 960 Arten, schil­lernd in allen Regen­bo­gen­farben. Ein Kürbis, Pumpkin auf Englisch, Courge oder Potiron im Franzö­si­schen, Zucca in Ialien und Calabaza auf Spanisch, bei den Lateinern heißt er Cucurbita, kann klobig so wie zierlich gewachsen, dick so wie dünn geformt sein, blaß, fleckig, monochrom oder farbig wild gemustert leuchten. Es gibt ihn rund, oval und länglich, flaschen­förmig, turban­ähnlich, dick wie ein Faß, aber auch schlan­gen­gleich, warzig, gerippt und glatt. Der Kürbis erlaubt sich jegliche Spielerei und sorgt prompt für Aufsehen.

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Foto: www.kürbis-paradies.de


Die einen nutzen den Kürbis, den es von Orangen­größe bis zum zentner­schweren Trumm in zahlreichen Formen gibt, als Skulptur. Andere höhlen ihn aus, schnitzen Fratzen in die Schale und machen einen Lampion daraus. Unent­behrlich ist die zu höllisch oder fröhlich grinsenden Grimassen geformte Frucht bei Halloween, dem „All Hallows‘ Eve“, wie der Abend vor Aller­hei­ligen auch genannt wird, dieses alte, keltisch-irische Totenfest mit dünner christ­licher Hülle. Den Mayas war der Kürbis ein heiliges Kultobjekt, die Künstler der Renais­sance sahen ihn als Symbol des Herbstes. Afrikaner sowie Inder schnitzen sich den vielfältig geformten und entfleischten Korpus als Resonanz­boden für Musik­in­stru­mente zurecht, während Flaschen­kür­bisse auf dem Balkan zu Kniegeigen verar­beitet worden sind. 
Ernäh­rungs­wis­sen­schaftler wiederum rühmen den gesund­heit­lichen Aspekt, und auch der Feinschmecker denkt weniger an Zierde oder Halloween. In der Küche wird der Kürbis als schmack­haftes Gemüse geschätzt, das auf vielerlei Art zubereitet werden kann – und an Raffi­nesse gewinnt, wenn man der Frucht aroma­tische Kontra­punkte entgegen setzt. Vor allem der braune Zimtkürbis, der frucht­süß­liche Muskat­kürbis, die birnen­förmige Butternuß mit festem Fleisch, der hocharo­ma­tische, flache, in den Farben gelb, grün und orange auftre­tende Patisson (auch Ufo oder Bischofs­mütze genannt), der grünschalige Melonen­kürbis mit dem orange­far­benen Frucht­fleisch oder der seltenere, geschmacklich ein wenig der Süßkar­toffel ähnelnde Gorgon­zo­la­kürbis sind in der Küche vielfach verwendbar, von der Suppe über Salat, Gratin, Marmelade, Ketchup und Chutney bis hin zu einem köstlichen Soufflé.


Das Vorurteil, dass bei den Kürbissen einer wie der andere schmecke, wider­legen auch so schmack­hafte Sorten wie der leicht kugelig auftre­tende Nizza­kürbis (Rondini) und der gerippte Jack O’Lantern. Zart, süß und geschmacklich der Kastanie nahe ist der „Sweet Dumpling“, nussige Noten bietet der tatsächlich der Baumfrucht ähnelnde Eichel­kürbis mit seiner milden Süße. Bereits zum Klassiker hat es der zwiebel­förmige, in Japan gezüchtete Edelkürbis namens Hokkaido gebracht, was außer an seinem delikaten Geschmack auch daran liegt, dass er mitsamt seiner orangenen Schale faserlos genießbar ist. Ein Kuriosum ist der meist creme­farbene, auch als Orangetti bekannte Spaghet­ti­kürbis: nach dem Kochen (als Ganzes im Backofen oder einem großen Topf, mindestens 40 Minuten laut Experten) entfaltet sich das Frucht­fleisch nudel­förmig und lässt sich wie eine Pasta mit Tomaten­sauce und Parmesan als „à la Bolognese“ aufti­schen.

Drei erlesene Kürbis­re­zepte:

Kürbis­curry mit Zwetschgen:
Ein halbes Kilo Kürbis­fleisch in Würfel schneiden, in Olivenöl anschwitzen und einen Esslöffel Rosinen, drei gevier­telte Zwetschgen sowie ein frisches Lorbeer­blatt dazugeben. Nun einen Eßlöffel milden Curry und den Saft von einer Zitrone einrühren, danach einen Achtel­liter Sahne zugießen. Sobald der Kürbis weich ist, aber noch bißfest, kann man einige Spalten gehäutete Tomaten unter­heben – und servieren mit Basma­tireis.

Kürbis­samt­suppe:
Diese Suppe hat der leider viel zu früh verstorbene Helmut Thieltges in seinem Dreis­ter­ne­lokal „Waldhotel Sonnora“ in Dreis oberhalb der Mosel kreiert. Kürbis­stücke, Schalot­ten­würfel, weißer Port, Orangensaft, frisch gehackter Ingwer, Geflü­gel­brühe, Crème Double und Muskat werden sämig gekocht. „Das mache ich natürlich freihändig“, lächelt der Koch und ermutigt Hobby­köche, es ihm gleich zu tun. In die Suppen­tasse gibt der Meister einige Tropfen Kürbis­kernöl und ein wenig gehackte Kürbis­kerne, dann kommt die Suppe dazu – und eine gebratene Jakobs­mu­schel macht sich obendrauf ebenso schmuck wie schmackhaft.


Indischer Kürbistopf mit Lamm:
Ein Kilo Lammfleisch von Keule und Schulter, grob gestü­ckelt, in heißem Öl anbraten. Dazu zwei Zwiebeln, fein gehackt, geben. Sodann mit zwei Knoblauch­zehen, gepresst, frisch gerie­benem Ingwer, Chili­pulver, Kardamom, zwei Stangen Zimt und Salz kräftig würzen. Ein wenig Wasser zugeben. Besser noch: Weißwein. Mild schmoren, sehr mild. Eine gute halbe Stunde oder länger. Wenn das Fleisch fast gar ist, ein Kilo Kürbis­würfel und je zwanzig Gramm Mandeln, Pistazien und Rosinen dazugeben. Noch ein Viertel­stündchen köcheln; die Kürbis­stücke sollen nur glasig werden, also knackig bleiben, nicht zerfallen. Mit Safranreis heiß anrichten. Das macht vier Esser so glücklich, dass sie vom Käse hernach vermutlich nichts wissen wollen und das Dessert noch eine Weile hinaus­ge­schoben sehen möchten.


Man kann am Kürbis also viel Freude haben. Beispiels­weise mit einer Suppe. Nun gibt es zwar so viele Rezepte für Kürbis­suppen wie Köche, doch ein Grund­muster kann so aussehen, berechnet für vier Personen: Ein knappes Kilo Kürbis­fleisch würfelig schneiden und in einem Topf mit einer feinge­hackten Zwiebel in Butter andünsten, eventuell angerei­chert mit Knoblauch. Mit einem Viertel­liter Weißwein ablöschen (Riesling, Weißbur­gunder, Sylvaner), bis zu einem Liter Gemüse‑, Rinder- oder Hühner­brühe nach und nach dazugießen und den Kürbis darin weich köcheln lassen. 

Welche Brühe man verwendet, das ist Geschmacks­sache – oder Zufalls­sache, man nimmt, was vorrätig ist. Cirka eine halbe Stunde lang köcheln lassen, bis der Kürbis weich ist. Dann alles glatt pürieren, mit Cayenne-Pfeffer, Salz, Sahne, etwas Zitro­nensaft abschmecken und mit frisch­ge­rös­teten Croutons oder Krabben anrei­chern. Man kann auch dünn geschälten Ingwer mitkö­cheln lassen oder auf italie­nisch mit Salbei würzen, zerbrö­selte Amaret­ti­plätzchen in die Brühe streuen und zum Schluss mit einem Schuss Mandel­likör, Balsam­essig, gerie­benem Parmesan abschmecken und die Suppe kräftig mit Olivenöl beträufeln. So mancher Profi-Koch – Geheimtipp! – läßt seine Suppe besonders goldgelb leuchten, indem er ein paar Safran­fäden hinzufügt oder zwei Eidotter kurz vor dem Servieren auf kleiner Flamme einrührt. Der geschmack­lichen Vervoll­kommnung dienen auch einige Tropfen Kürbis­kernöl, großzügig darüber geträufelt.

Köstlich schmeckt ein Kürbis­gemüse, das sich so zubereiten lässt wie die Suppe, nur dass man deutlich weniger Flüssigkeit zusetzt und das Kürbis­fleisch nicht püriert. Gewürzt werden kann mit Peter­silie, Balsamico-Essig und Olivenöl. Auch eine Prise Zucker und etwas Orangen­schale wird dem Kürbis gut tun. Eine andere Variante ist die, dass man drei Milli­meter dünne Kürbisscheiben auf beiden Seiten in Butter oder Öl rasch anbrät und dazu eine aus Olivenöl, Balsam­essig, Thymian, Cayenne-Pfeffer, Salz und Tomaten­würfeln kompo­nierte Vinai­grette serviert. Delikat und optisch obendrein ein Fest für das Auge ist ein Kürbis­salat: Kürbis weich köcheln, Frucht­fleisch heraus­nehmen, klein schneiden, mit Zwiebel­ringen und Streifen von Räucher­lachs mischen, Vinai­grette darüber geben, ziehen lassen. Derweil rohe Kürbis­stücke in Öl anbraten, salzen, pfeffern, mit Estra­gon­blättern bestreuen und über den Salat geben, zu dem Pellkar­toffeln und saure Sahne mit Schnitt­lauch gereicht werden.

Ofenkürbis mit Orange und Gewürzen:

Ein Kilo Hokkaido oder Butternuß entkernen, großzügig in Spalten schneiden und auf ein Backblech (oder in eine Gratinform) legen, mit Salz, Pfeffer sowie einer Prise braunem Zucker würzen, mit Olivenöl (gute vier Eßlöffel) und dem Saft einer Orange oder Limette beträufeln, des Weiteren 50 Gramm frischen, in dünne Scheiben geschnit­tenen Ingwer nebst drei angedrückten Knoblauch­zehen dazu geben und alles mit einer Alufolie zugedeckt im Ofen bei 200 Grad cirka 25 bis 35 Minuten schmoren lassen. Nach persön­lichem Gusto kann man vor dem Garprozeß noch eine bis zwei Chili­schoten, feinst geschnitten, ein Zweiglein Koriander, Kardamom oder eine Zimtstange hinzu­fügen, auch mit etwas Safran anrei­chern. So ein Ofenkürbis schmeckt pur, vielleicht aroma­ti­siert mit etwas Balsam­essig und Kürbis­kernöl, und er eignet sich als Beilage zu Steaks, Fisch und Geflügel.


Stets eine Wonne ist ein Kürbis­soufflé: 300 Gramm klein­ge­schnit­tenes Kürbis­fleisch mit Butter, Salz, Pfeffer und einem Achtel­liter Gemüsefond dünsten, passieren und einkö­cheln lassen. Nach dem Abkühlen ein Eigelb dazugeben und steif geschla­genen Schnee von zwei Eiweiß darunter ziehen. In Förmchen, die zuvor mit Butter und Vollkorn­brösel ausge­strichen worden sind, füllen und im Wasserbad im Ofen bei 200 Grad cirka 20 Minuten lang hochgehen lassen. Für ein Risotto wird der Reis – wie üblich – erst einmal in Butter oder Olivenöl glasig angedünstet und mit einer Liaison aus Weißwein und Gemüse­brühe aufge­füllt. Umrühren! Parallel klein gewür­feltes Kürbis­fleisch mit fein gehackter Schalotte nebst Thymian in Olivenöl gar schmoren, mit dem fertig gedüns­teten Reis vermengen, abschmecken (Salz, Pfeffer, Parmesan, eventuell Peter­silie) und mit Kürbis­kernöl überträufeln.

Für eine Kürbis­mar­melade empfiehlt sich die Partner­schaft mit Orangen und Vanil­lemark – das peppt auf. Ein Licht­blick ist der Kürbis obendrein aus medizi­ni­scher Sicht, denn das Fleisch enthält so gut wie kein Fett und kaum Chole­sterin, auch wenig Kalorien (cirka 25 pro 100 Gramm), dafür jede Menge Kalzium, Eisen und Phosphor, Karotin, Provitamin A und Vitamin E. Praktisch ist zudem, dass ein intakter Esskürbis im kühlen Keller wochenlang, je nach Sorte auch über Monate hinweg als Vorrat gehalten werden kann. Auch einfrieren ist eine Lösung: Frucht­fleisch entkernen und entweder roh in Würfel schneiden oder in etwas Wasser weich dämpfen, danach pürieren, einpacken und ab in den Tiefkühler. Auch ein Zierkürbis bleibt übrigens lange eine Zierde, bis er langsam und von innen her austrocknet. Dann erst verliert er sein glattes Vollmond­ge­sicht, wird er runzlig und man versteht, weshalb er den Malern von Stilleben als Symbol des prallen Lebens, der Maßlo­sigkeit und zugleich der Vergäng­lichkeit diente.

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kafl

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