Die jahrhundertealte Tradition kleinerer Destillerien – vor 200 Jahren waren es noch Tausende, meist illegale – war nach der Prohibition und Weltwirtschaftskrise im Haupt-Exportmarkt USA Opfer der Konsolidierung geworden. Fortan bestimmten einige wenige Brennereien den Markt, und in den letzten Jahrzehnten hatten die irischen Destillate den trendigen schottischen Malts außer seinem milden Charakter wenig Originalität entgegenzusetzen. Doch nachdem in den letzten 15 Jahren in Schottland zahlreiche Brennereien neu oder wieder eröffnet wurden, verbreitet sich auch in Irland eine Aufbruchstimmung, die immer weiter und schneller voranschreitet.
Die internationale Nachfrage macht irischen Whiskey nun plötzlich zum Gewinner des weltweiten Spirituosenmarktes. Kein Wunder also, dass überall neue Brennereien aus dem Boden zu schießen scheinen.
Doch ganz so schnell destillieren auch die Iren nicht, obwohl die kreativen Ideen überall gedeihen. Das Interesse am Whiskey von der Grünen Insel ist vielmehr so universell, dass die vielen Nachrichten über neue Brennereien, Marken und Produkte den Eindruck erwecken, als würde überall bereits destilliert und verkauft. Das Internet ist hier mit seinen Blogs und Foren oft vorschnell, und Missverständnisse sind die Folge. Zwar darf irischer Whiskey nach dem Gesetz „drei Jahre und einen Tag“ nach der Einlagerung im Fass auf den Markt gebracht werden. Fast alle neuen Brennereien haben aber gerade erst angefangen, und so stammen die derzeit verkauften Produkte im Markt gar nicht aus den Brennblasen der neuen Anlagen, sondern sind Vertragsdestillate aus den großen etablierten Unternehmen, die nach Vorgabe der neuen Kollegen destillieren und fasslagern. Einige neue Destillerien, die noch nicht einmal die Pot Stills für den Whiskey installiert haben, verkaufen bereits Produkte, die für diese Marke von anderen Brennereien hergestellt werden. Das schafft Verwirrung im Markt, ist jedoch schlicht und einfach der Dynamik geschuldet, die auf der Grünen Insel herrscht. Per Herbst 2017 produzieren 16 Destillerien und weitere 13 sind in Planung! Und damit nicht genug: Sie alle versuchen, sich möglichst deutlich von den anderen zu unterscheiden. Traditioneller Irish Whiskey, Single Pot Still, Single Malt, Single Grain, Gin oder Poitin – Zeit für eine Einordnung der irischen Whiskeys vor dem Hintergrund einer sehr spannenden Geschichte!
Poitin, Whiskey und Co – Teil der irischen Geschichte
Bei der Diskussion, ob die Schotten oder die Iren den ersten Whisk(e)y brannten, haben die Iren die Nase seit jeher vorn, auch wenn es wenige Belege gibt. Sie nutzen jedoch einen Marken-Vorteil, der wahrscheinlich aus der Bewahrung der gälischen Sprache herstammt, die sich in Irland umfassender halten konnte als in Großbritannien. Das Gälische (auf der Insel sagt man „Irish“) ist offizielle und besonders in den als „Gaeltacht“ bezeichneten Gebieten erste Landessprache. Seit 2007 ist Gälisch auch in der EU Amtssprache. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass sich ein Name erhalten hat, der synonym für Schwarzbrand steht, in Irland lange berüchtigt war und nun legendär ist: „Poitin“ – der kleine Topf der Schwarzbrenner, in dem illegal und extrem hochprozentig gebrannt wurde.
Die Geschichte des Destillierens in Irland geht zurück auf Mönche, die das Verfahren aus dem Nahen Osten mitbrachten oder überliefert bekamen. Mit der Zeit wurde mit den verschiedensten Zutaten experimentiert, vor allem mit Getreide und Obst, später mit Kartoffeln und Zuckerrüben. Während der Herrschaft der Engländer wurde im Jahr 1643 das Destillieren besteuert, was die meisten Brennereien in die Illegalität trieb. Das Brennen von Poitin florierte vor allem im Verborgenen, und die Spirituose wurde ein Teil der irischen Folklore. Wegen der unzähligen Schwarzbrenner und der schwierigen Besteuerung wurde Poitin im Jahr 1661 offiziell verboten (was das Schwarzbrennen noch beförderte) und erst 1997 wieder zugelassen.
Das Poitin-Brennen war eine gefährliche Angelegenheit und viele der Laienbrenner fielen der Leidenschaft zum Opfer, denn es wurde oft zu hochprozentig konsumiert und beim Destillieren häufig mehr als nur der hochwertige „Middle Cut“ behalten, auch die schädlichen Bestandteile (Head & Tail) kamen in Krüge und Flaschen.
Es gibt in Irland heute noch die Sitte, Verstorbene mehrere Tage in deren Haus aufzubahren, damit Freunde und Verwandte Abschied nehmen können. Diese Tradition iegt historisch unter anderem in dem Phänomen begründet, dass immer wieder Totgeglaubte noch nach Tagen plötzlich erwachten. Sie erlitten Poitin-Vergiftungen, die zu einem Koma mit extrem schwachem Atem und Puls führten, bis das Gift aus dem Körper entwichen war. Im 2014 eröffneten Irish Whiskey Museum im Herzen Dublins ist daher auch ein Sarg in einem nachgebildeten Raum eines Verstorbenen zu sehen …
Auf dem Weg zum typisch irischen Whiskey
Auf dem Weg vom Poitin zum Whiskey – der Unterschied liegt im Wesentlichen in der besseren Qualität des Destillats und der Fassreife – wurde die Nutzung gemälzter Gerste ähnlich wie in Schottland zur Regel und später zum Gesetz. Legale Brennereien konnten in größeren Pot Stills effektiver destillieren. Die Pioniere dieser ersten großen kommerziellen Anbieter waren John Jameson, James Power und George Roe.
Im 18. Jahrhundert wurde dann die sogenannte „Malt Tax“ eingeführt, die gemälzte Gerste besteuert. In ihrer Not fanden die irischen Brenner heraus, dass die Whiskey-Herstellung auch mit bis zu 50 % ungemälzter Gerste funktioniert, was durch dreifaches Destillieren begünstigt wurde. Dieser „Pure Pot Still Whiskey“ ist noch heute der Inbegriff irischen Whiskeys! Ausnahmen bilden die zweifach destillierten Bushmills und die zu Cooley gehörende Marke „Connemara“. Dieser ist der erste und (noch) einzige getorfte Whiskey Irlands, der im Lande allerdings wenig populär ist. Neben dem „Pure Pot Still“ haben in der jüngeren Geschichte zunächst die Single Malts nach schottischem Vorbild Einzug in das Portfolio der irischen Destillerien gehalten. Daneben wird Single Grain Whiskey produziert, meist aus Mais, und konsequenterweise dann auch oft ein Blend. Da ein irischer Whiskey mindestens 3 Jahre im Holzfass (Eiche ist nicht vorgeschrieben) lagern muss – und meist auch länger sollte, – haben viele neue Start-ups ähnlich wie in Schottland den Gin als schnelle Geldquelle entdeckt, der häufig in den effektiveren Column Stills gebrannt wird und danach gleich abgefüllt und verkauft werden kann.
Dabei hat man ja den Poitin – nun hochwertig gebrannt – als Alternative mit nationaler Tradition und bräuchte den Gin eigentlich nicht, wäre da nicht der Boom dieses Getränkes, dem man sich schwer entziehen kann. Für den modernen Poitin werden meist Getreide, Zuckerrüben und Kartoffeln verwendet. Als Gerstenbrand ist er aber technisch gesehen nichts anderes als ein „New Make Spirit“ der Whiskey-Destillation.
Die neue irische Whiskey-Landschaft
Ähnlich wie in Schottland ist auch in Irland hinter den Kulissen der Destillerien und Markennamen eine dynamische Entwicklung von Übernahmen und Neugründungen im Gange, jedoch komplettiert durch Vertragsbrände, die bei den Neugründungen die Zeit bis zur Marktreife der eigenen Destillate überbrücken sollen.
Nachdem bereits im Juli 2014 die bekannte Marke „Tullamore Dew“durch die neuen Besitzer W. Grant & Sons mit einer neuen Destillerie in den Ort Tullamore zurückgeholt wurde, kamen Ende des gleichen Jahres einige neue Projekte hinzu und verdoppelten so die Anzahl der Brennereien.
In Dublin begannen Stephen und Jack Teeling 2014 mit dem Bau einer Destillerie, nachdem die Familie die Firma Cooley an Jim Beam verkauft hatte. Bereits 1782 hatte ein Vorfahr eine Destillerie in den „Liberties“ von Dublin gegründet, weshalb sich der Phoenix als Wappentier der Brennerei anbot.
In der Grafschaft Carlow wurde 2016 die Walsh Distillery gegründet, in Nordirland die Echlinville Distillery und im Südwesten die kleine Destillerie von Dingle sowie die West Cork Distillers. Und das war nur der Startschuss für weitere ambitionierte Projekte, von denen ich hier einige näher vorstellen möchte.
The Liberties – Dublins alter Brennerei-Bezirk erwacht zu neuem Leben
Während der Dublin-Besucher bis vor kurzem auf den Besuch einer produzierenden Destillerie verzichten und sich mit dem „Museum“ der alten Jameson-Brennerei begnügen musste, hat sich nunmehr das Gebiet der „Liberties“ im Südosten des Stadtzentrums seinen alten Ruf als Stammplatz der Destillerien zurückerobert. Teeling machte den Anfang und eröffnete vor zwei Jahren seine neue Wirkungsstätte, ausgestattet mit 16.000 Fässern aus den Cooley-Beständen. Der Phoenix im Wappen dokumentiert das Revival der Destillierkunst. Das Start-Angebot umfasste einen Small Batch Irish Whiskey, einen Single Malt und einen ungewöhnlichen „Single Grain“ , der durch Reifung im kalifornischen Rotweinfass eine attraktive Note bekommt. Neben älteren Single Malts und Cask Finishes ist inzwischen auch Poitin – der „Spirit of Dublin“ – im Angebot.
Nicht weit entfernt und ebenfalls in Nachbarschaft der Guinness-Brauerei eröffnete im Spätsommer in einer renovierten Kirche der Unternehmer Pearse Lyons seine gleichnamige Destillerie. An dem Platz, wo bereits seine Vorfahren auf einem uralten Friedhof ruhen, baute er in der ehemaligen Kirche von St. James seine außergewöhnliche Brennerei. Er holte aus Kentucky zwei Pot Stills – ungewöhnlich genug für die Bourbon-Herstellung – und ließ zunächst außerhalb Dublins in Carlow destillieren, bis nun die renovierte Kirche ihr neues Zuhause wurde. Neben den Brennblasen ist auch deren Zahl – nur zwei – und die Nutzung frischer Bourbon-Fässer – also nicht neu ausgekohlter – eine Besonderheit der Pearse-Lyons-Marke. Auch hier plant man, wie bei Teeling, die erste Charge aus der eigenen neuen Destillerie für nächstes Jahr – solange wird aus eingekauften bzw. vorab gebrannten Destillaten abgefüllt. Der Charakter der Whiskeys aus der St. James Destillerie ist überraschend fruchtig, bis auf den Reserve Malt, der komplett aus Kentucky-Beständen stammt.
Und es soll noch weitergehen in Dublin’s „Liberties“, denn eine weitere Geschichte wird fortgeschrieben: Etwas östlich der Pearse Lyons Distillery erhebt sich der Turm einer uralten Windmühle, bekannt als „St. Patrick’s Tower“. Hier wurde für die Thomas Street Distillery von George Roe Gerste gemahlen, der dort bereits 1757 seine Brennerei eröffnete. Die Mühle, heute ihrer Flügel aus Sicherheitsgründen beraubt, konnte auf acht Mahlsteinen 1500 Fässer Getreide mahlen, und sechs Brennblasen sorgten für reichlich Destillat. In der Konsolidierungsphase Ende des 19. Jahrhunderts, als zunehmend günstige schottische Blends den Markt eroberten, schloss man sich mit Jameson und anderen zusammen. In den frühen Jahren des letzten Jahhunderts sorgten Unabhängigkeitskrieg und die amerikanische Prohibition dafür, dass 1923 Schluss war. Die Vorräte reichten noch weitere 20 Jahre. Inzwischen gibt es aber wieder einen „Roe & Co.“ – als Blended Irish vom Diageo-Konzern. Nur eine Reminiszenz? Keineswegs! Denn rund um den alten Turm ist bereits geplant, die alte „Roe“-Destillerie wiedererstehen zu lassen. Irgendwann in 2019 sollen bereits wieder die Brennblasen am St. James Gate in Betrieb gehen.
Einen guten Blick auf die Arbeiten wird man wahrscheinlich von der „Gravity Bar“ des Guinness Storehouse bekommen. Hier, in der berühmten Stout-Brauerei –, passenderweise ebenfalls in Diageo-Besitz – kann der Liebhaber des klassischen Draught-Biers aus der besonders dunkel gerösteten Gerste auf sieben Stockwerken alles über die Ikone des irischen Biers erfahren: vom Gründer Arthur Guinness über das Röstverfahren und die Unterschiede zwischen dem einzigartigen Draught Stout, das mit Hilfe von Stickstoff seine einzigartige Crema bekommt, und dem „Extra Stout“ aus der Flasche bis hin zur Kunst des Zapfens eines Guinness Draught, das übrigens ziemlich kühl bei ca. 7 °C ausgeschenkt werden sollte.
Begeben wir uns nun vor die Tore Dublins, nachdem wir uns noch im Irish Whiskey Museum umgesehen bzw. eine Führung mitgemacht haben. Hier wird nicht noch einmal Whiskey-Technik vermittelt, sondern ein interessanter Einblick in die Geschichte gewährt. An der neuen Bar gibt es u.a. Tasting Flights, der Shop ist umfangreich, aber mit stolzen Preisen versehen.
Das Boyne Valley rockt und destilliert
Eine Autostunde nördlich bzw. 45 Minuten vom Flughafen liegt das schöne und sehr geschichtsträchtige Boyne Valley geprägt von prähistorischen Stätten bis zum Schlachtfeld des „Battle of the Boyne“ 1690. Der Hügel wurde bereits in der Vorzeit benutzt, und im 18. Jahrundert wurde von der Familie der Grafen Cunnyngham der Ort Slane gegenüber des Slane Castle entworfen. Dies ist vor allem bekannt durch die seit 1981 stattfindenden Rock-Konzerte auf der Schlosswiese. 1991 wurde es durch einen Brand verwüstet, dessen Spuren noch heute an einigen Stellen im Interieur sichtbar sind.
Seit diesem Sommer sind im unteren Bereich ein nobles Restaurant und ein schönes Café untergebracht. Der ganze Stolz von Slane Castle ist jedoch die im Herbst eröffnete „Slane Distillery“, aus deren Brennblasen bei Veröffentlichung dieser Ausgabe der erste „New Make Spirit“ fließen dürfte.
Auch hier gilt das verwirrende Momentum irischer Start-ups: Es gibt bereits zwei Slane Whiskeys! Der inzwischen vergriffene „Slane Castle“ Whiskey wurde im Auftrags der Cunnynghams von Cooleys hergestellt. Im Jahr 2012, nach dem Verkauf von Cooleys, wurden jedoch Auftragsabfüllungen eingestellt. Was von Jim Beam als Maßnahme zur Volumensicherung für die Eigenmarken gedacht war, erwies sich als Schub für neue Destillerie-Projekte im ganzen Land. Die Cunnynghams suchten nach Investoren und fanden die US-Firma Brown-Forman. Einen Steinwurf vom Schloss, in den ehemaligen Stallungen für Rennpferde, schlummerte auch bereits die ideale Location für die neue Slane Destillery. Unter hohem Aufwand und Bewahrung von möglichst viel alter Bausubstanz wurde um den großen Innenhof ein sehr sehenswertes Whiskey-Projekt geschaffen. Der komischerweise bereits erhältliche „Slane Whiskey“ stammt natürlich noch aus anderen Beständen oder Verträgen. Also muss auch hier noch bis mindestens Herbst 2020 auf den „echten“ Whiskey aus den Stills von Slane gewartet werden …
„Irish Whiskey“ neu definiert
Auf einer Reise zu Irlands Newcomer-Brennereien in 2017 setzt sich diese Beobachtung durchaus fort. Andererseits zeigt jeder Besuch, wie sorgfältig sich jede einzelne Neugründung von den Kollegen abgrenzt und eigenständige Ideen präsentiert. Wir werden uns also daran gewöhnen müssen, dass „Irish Whiskey“ als Sammelbegriff für einen dreifach destillierten Pot Still mit gemälzter und ungemälzter Gerste bald ausgedient hat. Der Irish Whiskey Association könnte man empfehlen, für diesen Stil eine eigene Marke zu setzen. Nichtsdestoweniger können wir uns über die kommende Vielfalt freuen, die mit den Rezepturen von Teeling und anderen Vorreitern bereits begonnen hat.
Im beschaulichen, wenn auch touristischen Dingle wird in der gleichnamigen Destillerie auch Wodka und Gin produziert. 2012 wurden die Brennblasen zum ersten Mal befüllt, und ein erster Whiskey ist erhältlich. Als Single Malt deklariert, leidet er aber noch unter dem geringen Alter und ist für seinen Stil noch recht dünn. Weitere Varianten sind aber in Kürze zu erwarten. Das interessante an der Destillerie ist, dass die gesamte Produktion in einer großen Halle ohne Trennwände stattfindet, so lassen sich alle Produktionsschritte gut überblicken.
Im Nordwesten der Grünen Insel herrscht ebenfalls rege Betriebsamkeit, auch wenn zum Beispiel die geplante Nephin Distillery am Lough Conn neben einem Küfer-Shop gegenüber der geplanten Brennerei erst den Baugrund vorweisen kann. Nach den üblichen Verzögerungen soll es 2018 mit dem Bau losgehen, die angebliche Bauzeit von einem Jahr kann großzügig interpretiert werden. Im dreifachen Destillierverfahren soll klassisch produziert werden, allerdings mit stark getorfter Gerste. Bei Nephin argumentiert man mit der Geschichte, da der historische Brennstoff für die Trocknung eben der Torf war. Kleine Fässer, „Quarter Casks“ ‚sollen den Whiskey schneller reifen lassen. Der im Info-Point aus einem neuen 3‑l-Fass ausgeschenkte Wodka soll spielerisch den Whiskey-Interessenten die Wichtigkeit der Fassreife verdeutlichen.
Viel Neues im Nordwesten
Unweit vom Nephin-Projekt liegt die Connacht Distillery. Die ist nicht nur bereits in Produktion, sondern mit einem sehr großen Angebot – von Irish Pot Still über Gin und Poitin bis hin zu Wodka – bereits im Geschäft. Der Whiskey selbst ist – Déjà-vu – dann wahrscheinlich ab Ende 2018 erhältlich.
Die derzeit nordwestlichste Destillerie Irlands liegt an den höchsten Klippen des Landes oder – halt, ich muss natürlich das Futur benutzen – wird dort liegen. Denn obwohl es bereits einen „Silky“ genannten Whiskey und seit Oktober einen Gin gibt, steht auch hier der Bau der eigentlichen Brennerei noch bevor. Die kleine Gin-Anlage steht in einem unscheinbaren Gebäude am Rande von Carrick in der Nähe der Cliffs von Slieve League, und heißt – wir sind schließlich im Gaeltacht – wie diese Küstenline auf irisch “Shliabh Liag“. Aufgrund vieler Falschmeldungen verirren sich immer wieder Reisende und sogar Whisky-Händler hierher in der Annahme, hier werde bereits Whiskey produziert. Doch der „Silky“ ist ein Auftragswerk für das Unternehmen, was Gründer James Doherty nicht müde wird zu betonen. Wie bei den Kollegen anderenorts wird man sehr leicht verwirrt, da im Sinne des „irischen Futur II“ bereits Marken und Whiskey-Namen auf der Website einer künftig zu bauenden Destillerie auftauchen, die es bei genauerem Lesen noch gar nicht gibt. Erleichtert sind James und seine Frau, nun endlich zumindest den „An Dúlamán“ Irish Maritime Gin anbieten zu können, dessen Name „Seetang-Ernter“ auf die vielen Zutaten von der heimischen Küste hinweist, von denen einige aufgrund besonders niedriger Tide angeblich nur bei Vollmond geerntet werden können. Diese und andere Besonderheiten, welche die leidenschaftlichen Entrepreneure hervorheben, erinnern unwillkürlich an die Gaben irischer Geschichtenerzähler.
Und gute Geschichten gibt es reichlich. Dazu gehören auch die um die Produktionsorte des Poitin, welche so zahlreich und natürlich illegal waren, dass James Doherty plant, eine virtuelle Karte der allein an den Slieve League Cliffs versteckten, historisch überlieferten Schwarzbrenner-Verstecke zu erstellen. Und das waren viele – meist so atemberaubend in den steilen Klippen gelegen, dass sich kein Zollbeamter dorthin wagte. Auch James’ Großvater brannte noch Poitin, ihm ist der – Pardon – ihm wird der „Beal Boch“ Poitin gewidmet sein, wenn dann die neue Destillerie einmal steht. Im Raum der kleinen Gin-Produktion hängen schon einmal die schönen Pläne für die Anlage.
Vom „Traditional Irish“ zu Vielfalt und Kreativität
Was für den Nordwesten gilt, lässt sich auf den Südosten übertragen. Dort ist nur eine Destillerie wirklich lange im Geschäft, und das ist Midleton mit seiner Jameson Destillerie und vielen anderen bekannten Marken wie Redbreast, Powers und weiteren. Nahe Dublin ist immerhin schon die Walsh Destillerie in Betrieb, die als Unternehmen mit der Produktion von Whisky-Likören anfing und seit 2015 in Carlow ihre Produktion von Whiskey aufgenommen hat. Ein anderer faszinierender und vor allem im Marketing sehr geschickter Akteur ist Glendalough. Noch wird der Whiskey nahe Newcastle produziert, aber im nächsten Jahr soll nahe des Glendalough (Tal der zwei Seen) die eigentliche neue Destillerie eröffnen. Das Werbevideo jedenfalls ist schon einmal genial und lockt in das wunderschöne Tal, das allerdings so beliebt ist, dass man am besten frühmorgens bzw. in Frühjahr oder Herbst einen Besuch plant, am besten kombiniert mit einem Kochkurs und einem Besuch der dann hoffentlich eröffneten neuen Glendalough Destillerie – Sankt Kevin hilf !
Vom „Triple Distilled“ zu innovativer Vielfalt
Insgesamt ist die Vielfalt, in der die neuen Destillerien in Irland entstehen, absolut beeindruckend. Allein Form, Größe und Art der Stills sind dermaßen unterschiedlich, dass die schottischen Single-Malt-Brennereien dagegen in der Gleichförmigkeit der Pot Stills recht langweilig wirken. Ein wenig verwirrend für den Besucher sind also die jeweiligen Brennblasen und Verfahren der Iren, sie bilden eine Herausforderung für die Guides auf den Führungen. Im Gegenzug erhält der Liebhaber des Lebenswassers eine Vielfalt von Spirituosen, von diversen Interpretationen des Poitin über Pure Pot Still und Single Grain sowie zwei- oder dreifach destillierten Single Malt Irish Whiskey bis hin zu typisch irischen Gins und sogar Wodka.
Ach ja … irish Vodka – was für ein Spleen, sollte man meinen. Vor allem ich, der ich bislang auch deutschen Single Malts aus kulturhistorischen Gründen recht ignorant gegenüberstehe. Auf einer Messe wurde mir dann ein irischer Wodka kredenzt, vierfach im Pot-Still-Verfahren destilliert aus Gerste und – recht untypisch für Wodka – mit einer erstaunlichen weichen Kremigkeit und Komplexität. Im Auftrag eines kleinen Unternehmens wird der „Kalak“ von den innovativen West Cork Distillers hergestellt, die bereits seit 2008 in Skibbereen ganz im Südwesten destillieren und neben zahlreichen eigenen Kreationen auch vom Brennen bis zum Abfüllen für andere Destillerien tätig sind. Gebrannt wird nur mit irischer Gerste, reinem Quellwasser und im Pot-Still-Verfahren mit nur halb gefüllten Brennblasen. Rein technisch gesehen könnte man beim irischen Wodka auch „Poitin“ auf das Etikett schreiben. Aber dagegen sprechen sicher nicht nur Marketinggründe – Poitin machen ja nun die meisten irischen Whiskey-Brennereien, das ist auch äußerst einfach, wo es sich dabei im Grunde um einen New Make Spirit vor der Fasslagerung handelt. Aber ein vierfaches Destillat mit einem besonders eleganten und weichen Geschmacksprofil entspricht wohl auch nicht dem etwas rauhen, urtümlichen Profil eines Destillats mit verwegener Schwarzbrenner-Vergangenheit. Und natürlich bleibt es spannend. Abseits der Destillerien wird nicht nur allerorten Craft Beer gebraut; Met aus Früchten oder Cider bietet Abwechslung in Restaurants und Bars, und ob ein Guinness-basierter Kochkurs oder ein geführter Ernteausflug an den Strand des „Wild Atlantic Way“ mit anschließendem Sea Weed Dinner – Irland erfindet sich nicht nur bei den Destillaten neu. In jedem Fall findet sich für eine innovative Küche, ob beim Besuch auf der Grünen Insel oder im heimischen Esszimmer, eine ganz neue Vielfalt des irischen Whiskeys und seiner Verwandten.
Sláinte! Christian Rümmelein