Wein und Kirche: Die Bibel ist voller Weinzitate – und Meßwein ist meist weiß

10.04.2024
Karl-F. Lietz

Lesedauer: 4 Minuten

Man weiß nicht, was sich Martin Luther dachte, als er sprach­ge­waltig die Bibel eindeutschte und somit auch die zahlreichen Zitate über den Wein popula­ri­sierte. Zwar war der Refor­mator kein schmal­lip­piger Fasten­pre­diger. Er stand leiblichen Genüssen nicht fern und ließ zu seiner Hochzeit mit Katharina von Bora, einer ehema­ligen Nonne, eine Tonne “Einbecker Bier“ sowie reichlich Rheinwein auffahren. Aber der in seiner Zeit regie­rende “Saufteufel“ war ihm zuwider, wie die leiden­schaft­lichen Predigten gegen die Trunk­sucht belegen. Aller­dings musste Luther resigniert bekennen, dass “der Sauf ein allmäch­tiger Abgott bei den Deutschen bleibe“.

Und ihr Herz soll fröhlich werden vom Wein (Sacharja, Kap. 10,7), so heißt es in der Bibel. Dort stehen über tausend Zitate zum Thema Wein. Die Bibel liest sich also strecken­weise wie ein Kreuzzug für den Wein. Wohl fehlt es in der Heiligen Schrift nicht an Maßhal­te­ap­pellen, wird Enthalt­samkeit gepredigt und vor den Folgen des Rauschs gewarnt: “Wehe denen, die Wein saufen.“ Doch die Mehrzahl der Erwäh­nungen von Weinbergen, Reben, Keltern und Wein sind eher positiv gemeint, ob als Symbol, als praktische Trink­emp­fehlung oder kultur­ge­schichtlich bedeutsame Hinweise auf den frühen Weinanbau wie beispiels­weise das Loblied von Jesaja über einen “Weinberg auf frucht­barer Höhe“.

Tatsächlich gibt es weit mehr Stellen, die den Weingenuss billigen und ihn bejahen. Jesus war kein Weinver­ächter, und auch in den Psalmen sieht die Welt nach einem kräftigen Schluck des „süßen Weins“ schon viel rosiger aus. Seine erste Wundertat hat Jesus angeblich mit Wein vollbracht, als er auf der Hochzeit zu Kana schlichtes Wasser in Wein verwan­delte. Absti­nenzlern ist die Bibel also nicht unbedingt zu empfehlen.

Unsere nächste Weinmesse im Herbst ist in einer Kirche. Der tollen Kultur­kirche in Altona. Schon mal notieren: 25. Oktober 16 bis 22Uhr; 26. Oktober 13 bis 19 Uhr Die Winzer sind anwesend und haben göttliche Tropfen im Gepäck.

Zu viel Wasser verdirbt das Chris­tiblut

Peter Rosegger, der steirische Lehrer und Schrift­steller, populär geworden als Heimat­dichter, hat in seinen »Schriften des Waldschul­meisters“ auch über seine Zeit als Minis­trant geplaudert: »Beim Minis­trieren hab‹ ich dem Pfarrer Wein in den Kelch gegossen; aber unter dem Wasser­krüglein hat er gleich gezuckt; kaum ein Tröpflein, ist er schon davon­ge­ruckt: »Wasser und Wein, als Fleisch und Blut, das ist unser höchstes Gut, aber wer in den Kelch zu viel Wasser tut, der verdirbt das rosafarben‹ Chris­tiblut.«

Die kirch­liche Mystik hat sich seit jeher innig ins Geheimnis von Wein und Blut sowie die Symbolik des göttlichen Keltertretens versenkt. Das Abendmahl wird mit Brot und Wein, nicht mit Brot und Wasser zelebriert. Der Meßwein ist laut kirch­licher Kurzde­fi­nition ein leichter, trockener Wein, der sehr natürlich vinifi­ziert worden ist. Der Waldviertler Weinpfarrer Hans Denk fügt hinzu: „Er soll aus gottge­fäl­ligen, also reifen Trauben gewonnen werden. Er soll gut sein, aber nicht so gut, daß er verfüh­re­risch wirken könnte.“ Und weshalb ist Meßwein fast immer Weißwein, obwohl er als Symbol für das Blut Christi steht und beim ersten Abendmahl mit hoher Wahrschein­lichkeit von roter Farbe war? Die Antwort von Pater Maximilian von den Zister­zi­ensern in Stift Zwettl leuchtet ein: »Die Haushäl­te­rinnen der Pfarrer wollen das so, denn ihnen obliegt auch das Reinigen des Kelch­tuchs bei der Wandlung – und Rotwein­flecken sind weit schwie­riger zu entfernen.«

Der Mysti­kerin Mechthild von Magdeburg (etwa 1212 – 1280) zeigte sich Gott, wie Karl Chris­toffel in seiner “Durch die Zeiten strömt der Wein“ betitelten Kultur­ge­schichte des Weins zitiert, “in großer Herrlichkeit und unsäg­licher Klarheit. Dann erhob unser Herr zwei goldene Becher in seinen Händen, die waren beide voll leben­digen Weines. In der linken Hand war der rote Wein der Pein und in der rechten Hand der überhehre des lichten Trostes. Dann sprach unser Herr: Selig sind, so diesen Wein trinken. Denn obwohl ich beide aus göttlicher Liebe schenk, so ist doch der weiße edler in sich selbst. Und aller­edelst sind die, solche den weißen trinken und den roten.“

“Der Wein macht wild“, heißt es bei Salomo, aber Jesus hat ihn getrunken. Und in der Vorstellung vom Paradies verkündet der Prophet Amos genüsslich: “Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, dass man zugleich ackern und ernten und zugleich keltern und säen wird, und die Berge werden vom süßen Wein triefen.“

Beim hl. Augus­tinus heißt es: “Christus wurde zuerst als Traube ausge­presst … Wenn du begonnen hast, fromm in ihm zu leben, bist auch du zur Kelter geschritten; bereite dich darum auf das Gepreßt­werden vor, sei aber nicht zu trocken, damit genügend Saft heraus­fließe.“

„Neue Schläuche waren die 120 Gläubigen (des Pfingst­festes); sie harrten auf den neuen Wein vom Himmel, und er kam. Jene große Traube – Christus – war ja bereits gekeltert und verherr­licht.“ (Sermo 267).

Die Rebe gilt als Symbol des Marty­riums, und so heißt es beim hl. Bernhard von Clairvaux (1091–1153): “Des Herzens Tiefe wird zum Kelche, darinnen der Trauben rosafarben Blut, das Marterblut des Heilands, funkelt.“

Gotisch klar meißelte Notker von St. Gallen das Motiv der Läuterung in der Kelterpein: “Uva (Traube) war ich, getreten bin ich, Vinum (Wein) werde ich.“

“Genießen ist ein Ernst­nehmen der Schöpfung.“

In solchen Zitaten klingt, neben all der dunklen Mystik, ein Hauch von süffelnder Lust an, doch das schönste Argument für die Harmonie von Gott und Wein hat ein öster­rei­chi­scher Pfarrer geprägt: “Genießen ist ein Ernst­nehmen der Schöpfung.“

Das hat Goethe‘sches Format und ist ein persön­liches Bekenntnis, das den Gottesmann als Nachfolger jener barocken Prälaten legiti­miert, die den Wert eines Gemäldes ebenso zu schätzen wussten wie Musik, ein Buch und das Wunder der heiligen Bouteille.

„Was ist das Leben, da kein Wein ist? Der Wein ist geschaffen, dass er die Menschen fröhlich soll machen“, heißt es bei Jesus Sirach – und so leben nicht wenige Kirchen­herren sowie Nonnen in bester Überein­stimmung mit ihrem Herrn, auch wenn der Papst im fernen Vatikan schon mal kurz die Augen­brauen hebt, wenn ihm hinten­herum sugge­riert wird, so mancher Pfarrer habe mehr Weinfla­schen im Gewöl­be­keller als fromme Seelen in seinem Dorf. Mag sein, aber einer, der ansonsten rastlos für seine Gemeinde tätig ist, lebt im Sinne Salomos (Kap. 9,7): “So gehe hin und iss dein Brot mit Freuden, trink deinen Wein mit gutem Mut, denn dein Werk gefällt Gott.“

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